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Im Gespräch mit Jean Rehders (Dockville Festival)

Jean Rehders ist verantwortlich für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit des Dockville in Hamburg. Seit den ersten Schritten 2007 ist er dabei und betreut bis heute die Arbeiten rund um das Festival in Wilhemsburg. Da es nur noch wenige Tage bis zum Event sind und das Rahmenprogramm aus Kunst und Kultur bereits seit Tagen läuft, haben wir uns mit ihm getroffen und mal nachgehakt. Ein Gespräch über das Festival im Jahr 2010, das Drumherum und auch Politisches…

Das Dockville-Festival steht schon vor der Tür, in weniger als einer Woche geht’s los. Was macht das Befinden, bist du schon aufgeregt?

Jean: Ich bin viel weniger aufgeregt als die letzten Jahre. Das mag daran liegen, dass wir schon seit zehn Tagen zugange sind und Ausstellungseröffnungen und anderes Programm haben. Somit läuft das Festival für mich schon einige Zeit. Genau genommen seit Anfang Juli, wo wir die Arbeiten auf dem Gelände begonnen haben. Klar ist man noch nervös in Hinsicht auf die drei Tage am Wochenende, aber da der erste Teil des Festivals so gut gestartet ist, kann der Rest hoffentlich auch gut über die Bühne gehen!

Wie du gerade sagtest war hier ja schon einiges an Programm. Wie gut besucht waren die vergangenen Tage denn?

Jean: Das haben wir ja im letzten Jahr auch schon gemacht, dass wir den Teil mit der Kunst früher eröffnen. Auch wenn das 2009 noch viel improvisierter war als jetzt. In diesem Jahr haben wir wirklich jeden Abend ein richtiges Programm gehabt, über Konzerte bis hin zu Performances und DJ-Sets. Am letzten Samstag hatten wir KlingtSoGut Openair und da waren an die 500 Leute hier! Und gestern war Lüttville-Abschlussfest, wo die Kleinen gezeigt haben, was sie in der Woche auf die Beine gestellt haben, da sind auch viele Leute gekommen. Und das Publikum war bunt gemischt. Das ist ja auch das Schöne daran, dass das nicht nur die Dockville-Zielgruppe ist, sondern Leute von 20 bis hin zu 50, die sich dafür interessieren. Das ist für uns eine tolle Bestätigung, dass das Kunstprogramm so angenommen wird und sich offensichtlich auch rumspricht. Wir sind sehr zufrieden!

Und wie sieht es beim Festival nächstes Wochenende aus – Hast du da auch Zeit, dir selbst ein paar Bands anzugucken, oder bist du zu sehr eingespannt?

Jean: Im letzten Jahr konnte ich nur drei Konzerte sehen und die ergaben sich dann eher zufällig. In diesem Jahr werd ich aber versuchen, mir Sachen rauszupicken.

Wen möchtest du denn sehen?

Jean: Es gibt keinen eindeutigen Headliner für mich, auf den ich hinfieber, aber es gibt einige Acts, auf die ich mich sehr freue. Klaxons freu ich mich drauf, einfach weil ich die vorher noch nie sehen konnte. Dann wird auch das Konzert von Michael Rother mit Hallogallo 2010 am Sonntagabend großartig. Außerdem wird es spannend bei Jan Delay, da unsere Lüttville-Kids gemeinsam mit ihm auftreten. Die Kinder haben hier in den letzten Tagen einen Tanz einstudiert zum Song „Disco“ von Jan Delay und werden live mit ihm auf der Bühne performen.

Das Dockville existiert 2010 bereits im vierten Jahr und wird zunehmend beliebter. Was ist es für dich persönlich, was das Festival ausmacht?

Jean: Was mich ein ganzes Jahr in Freude darauf hinarbeiten lässt, ist die Tatsache, dass das Dockville mehr als nur ein dreitägiges Festival ist. Es ist vielmehr ein längerer Zeitraum, in dem viele spannende Dinge passieren, man mit kreativen Leuten zusammenarbeitet und etwas entstehen lässt. So ist das letzte Wochenende für mich eine Art Abschlusspräsentation, da dort nochmal alles zusammenkommt, was man das Jahr über geschafft hat. Das macht es für mich persönlich zu etwas Besonderem. Der einzelne Festivalgast mag das anders wahrnehmen und wird seine eigenen Highlights entdecken. Ich war dieses Jahr auch privat auf einem größeren Festival und empfand es abseits von den Konzerten einfach wahnsinnig langweilig. Und das ist es, was wir versuchen, besser zu machen. Abseits der Bühnen bieten wie den Leuten sehr viel. Wir wollen das Publikum jetzt auch nicht dauerbespaßen, aber bei uns geht es einfach um mehr als Saufen und Musik…

In diesem Jahr habt ihr auch euren Internetauftritt aktualisiert und kommt jetzt aktueller und mit einem Videoblog daher. Wieso diese Veränderung?

Jean: Wir sind ja keine dicke Agentur… Und da ist es normal, dass manche Themen einfach zu kurz kommen, da stellenweise Zeit und Geld fehlt. Doch in diesem Jahr haben wir das Glück, mit einem Grafikerteam zusammenarbeiten zu können, die uns wahnsinnig viel Input liefern. Ein Beispiel ist unser neues Logo, das wir stark kommunizieren und die neue Internetseite, die mit praktischen Funktionalitäten daherkommt und einfach zeitgemäßer ist. Was den Videoblog angeht, wurden wir von Tide inspiriert. Die haben im vergangenen Jahr viel gefilmt und eine großartige Dokumentation von 45 Minuten Länge zusammengeschustert. Da dachten wir, dass es schön wäre, wenn man das ausbaut und regelmäßig Videos online stellt. Wir selbst können das nicht machen, da die Zeit fehlt. Ich kann hier jetzt nicht mit einer Kamera rumrennen und bin sowieso technisch nicht allzu versiert… So ist eine Kooperation mit der Medienakademie zustande gekommen, die uns begleiten und diese Videos basteln. Wir besprechen Inhalte mit denen und ich bekomm die Videos vor Onlinestellung auch zum Angucken und kann notfalls Änderungen wünschen. Aber bisher war das nicht nötig. Ich bin sehr zufrieden damit, wie die das umsetzen. Da wird deutlich, was hier passiert. Die Festivalsprache wird gut aufgefangen.

Die haben sich also schnell in das Team eingefunden?

Jean: Ja, das geht sehr schnell, wenn man öfter herkommt. Man lernt die Leute kennen, die hinter der Organisation stecken. Da passieren oft viele lustige Sachen. Es kommen Leute her, die einen Tag helfen wollen und dann letzten Endes zwei Wochen kleben bleiben. Auch gestern ist wieder was Abgefahrenes passiert: Ein Neuseeländer, der ganz Europa betourt und sich dabei vorgenommen hat, täglich nicht mehr als 5€ auszugeben, war im Alten Elbtunnel zu Fuß unterwegs. Da ist er auf zwei Mädels gestoßen, die ihm erzählt haben, dass sie grad zum Dockville-Gelände wollen, um sich Kunst anzuschauen. Dann ist er mitgekommen und seit gestern Teil unseres Teams. Er hilft uns und kann dafür bei uns wohnen. Es passieren viele spannende Dinge. Das Gemeinschaftsgefühl überträgt sich schnell.

Es gab im letzten Jahr einige Kritik am Festival. Am heftigsten wahrgenommen wurden die Menschenmengen bei MGMT. Was habt ihr in diesem Jahr verändert, um so etwas zu verhindern?

Jean: Das ist auch an uns nicht vorbeigegangen und das haben wir auch schnellstmöglich kommuniziert, dass wir daran in diesem Jahr etwas ändern wollen. Unser Hauptproblem war, schon seit 2007, dass wir zunehmend mehr von der Fläche einbüßen mussten. Aber in diesem Jahr meint es das Schicksal gut mit uns, denn die Nachbarfläche, wo große Hallen drauf sind, wurde komplett geräumt. Somit konnten wir all diese Hallen in Beschlag nehmen. Die zweite Bühne und die Zeltbühne können somit jetzt auf das Nachbargelände wandern. Das führt dazu, dass auf dem Hauptgelände ausschließlich die Hauptbühne steht, das Horn mit kleineren Konzerten und hier im Dorf werden DJ-Sets laufen. Mehr nicht. Alles andere wird auf der Nebenfläche und in den Hallen stattfinden können. Somit wird sich der Besucherstrom natürlich entzerren und der Druck auf der Hauptfläche wird längst nicht mehr so groß sein. Das zweite Problem, das oftmals angesprochen wurde, war der Biermangel. Wir hatten im letzten Jahr auf jeden Fall zu wenig Stände. Aber auch das haben wir behoben und ein verbessertes Pfandsystem eingeführt.

Wie geht es weiter für euch, wenn das Wochenende jetzt gelaufen ist? Müsst ihr direkt wieder in die Vollen gehen und mit den Planungen für 2011 beginnen?

Jean: Oberste Priorität hat wieder einmal die Fläche und da fangen wir sogar jetzt schon an, uns drum zu kümmern, dass wir auch im nächsten Jahr genug Platz haben. Und auch das Booking wird recht zügig beginnen. Klar setzt sich keiner von uns direkt Montag wieder an den Rechner, aber auch das muss bald geplant werden. Alles andere läuft dann auch nach und nach an. Nur die Kunst hat erstmal Pause, das kann man auch kurzfristiger planen. Aber was ich in der nächsten Zeit noch zu tun habe, ist den Pressepiegel zu erstellen. Wir sammeln detailliert, was über das Dockville berichtet wird. So etwas zu erstellen ist auch im Hinblick auf das nächste Jahr wichtig, da das für eventuelle Förderer von Interesse ist – und Förderer sind wichtig für uns. Speziell der Kunstbereich kostet immens viel Geld und wir halten das vollkommen kostenfrei für die Besucher. Wir könnten natürlich noch den Ticketpreis für das Festival erhöhen, aber das will man ja auch nicht. Daher daher müssen wir uns gute Förderer suchen. Aber zu allererst bin ich nach dem Festival sowieso im Urlaub! Das muss sein.

Ja, zurecht… Es ist bei euch ja möglich, im Forum oder per Mail Bandwünsche kund zu tun. Das ist ja immer eine schöne Sache, aber inwiefern ist es denn überhaupt möglich, die Wünsche zu berücksichtigen?

Jean: Das ist kein blöder Spruch von uns, sondern die Wünsche werden auf jeden Fall berücksichtigt. Bestes Beispiel ist Frittenbude. Keine Ahnung, ob wir die noch einmal gebucht hätten, wenn da nicht so extrem viele positive Reaktionen gekommen wären. Es ist allgemein wichtig für uns, zu hören, was die Leute sehen wollen. Wir machen das Festival ja schließlich nicht für uns. Also, doch, auch, aber nicht ausschließlich. Insofern ist das schon sehr wichtig, auf dem Laufenden zu bleiben und die Wünsche der Besucher zu realisieren. Alles kann und will man nicht berücksichtigen, da manches in Bezug auf das Line-Up auch einfach Quatsch ist, aber wir nehmen das allgemein schon sehr ernst.

Eine etwas politische Frage zum Schluss… Wilhelmsburg ist im Gespräch, die neue Szene zu werden und die Sternschanze abzulösen, etc. – Was hältst du persönlich davon? Das Dockville ist an daran ja nicht ganz unbeteiligt…

Jean: Es gibt einige Projekte, die den Stadtteil wirklich nach vorne bringen und die sinnvoll sind, aber bei manchen Absichten wird einem auch mulmig. Alles kann man nicht unterschreiben. Es werden viele Investoren hergeholt, was sicherlich auch wichtig ist, aber was in meinem Augen viel bedeutender wäre, ist, dass mehr Geld in Bildung fließt. Was mir mehrfach zu Ohren gekommen ist, ist die Tatsache, dass junge Leute herkommen, aber sobald die Kinder kriegen, auch wieder wegziehen, da die Bildungssituation einfach noch zu beunruhigend ist. Ein weiteres Problem der Aufwertung ist die Verdrängung – auch hier bin ich mir nicht sicher, ob da alle angeschobenen Prozesse in die richtige Richtung weisen, die zu verhindern. Das ist meine persönliche Meinung dazu und sollte nicht als Kritik gesehen werden, da ich natürlich auch nicht zu 100% in allen Projekten drin stecke, die hier angeschoben werden. Womit wir als Festival halt ein Problem haben, ist diese IBA-Geschichte. Wir werden von der IBA gefördert, aber wehren uns dagegen, so stark als IBA-Festival und Aufwertungskommune angesehen zu werden. Das ist uns oft um die Ohren geworfen worden in letzter Zeit. Ich möchte betonen, dass die Fördermittel seitens der IBA 2009 nur 3% des Gesamtvolumens waren… Größtenteils stemmen wir uns Festival immer noch aus eigenen Mitteln und es ist wichtig, dass das auch so wahrgenommen wird. Wir haben deshalb in diesem Jahr beschlossen, die Mittel der IBA, die für Kunst und Kultur vorgesehen sind in unser eigenes Bildungsprojekt Lüttville zu übertragen. Der neu gegründete Verein veranstaltet gemeinsam mit Wilhelmsburger Bildungseinrichtungen die kostenfrei Ferienfreizeit für 130 Kinder. So fließen die Mittel der IBA über uns direkt in den Stadtteil zurück – an die Kinder und die Partnerinstitutionen, deren Workshops darüber finanziert werden…

Alles klar, das war’s mit den Fragen. Dann vielen Dank für das Interview!

Jean: Danke!


Hier entlang zu unserem Vorbericht zum Dockville Festival 2010.

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