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Gisbert zu Knyphausen im Interview

Gisbert zu Knyphausen ist Hamburger. Und er macht Musik. Mit seiner Gitarre, klugen Texten und einer Band im Hintergrund. Das ist ja vorerst nichts Besonderes, doch sein Debütalbum, das im April dieses Jahres erschien, wusste sowohl Kritiker als auch Zuhörer vollkommen zu überzeugen. Dahingehend war es doch interessant, Gisbert nochmal etwas auf den Zahn zu fühlen und nach der Resonanz der vergangenen Wochen, der Musik und der Zukunft zu fragen.

Gisbert, wie gehts dir? Hast du dich schon von den Konzerten erholt?

Gisbert: Ich bin immer noch ziemlich müde. So langsam gehts, aber es braucht irgendwie eine ganze Weile, bis ich wieder regeneriert bin. Erst war ich 2 1/2 Wochen mit Olli Schulz unterwegs, dann ganz kurz in Hamburg und dann auf eigener Tour. Das geht doch ganz schön an die Körperkräfte. Hätte ich nicht mit gerechnet. Es ist zwar saucool auf Tour zu sein, aber eben auch echt anstrengend.

Und wie waren die Reaktionen, jetzt wo dein Album veröffentlicht ist? War da ein Unterschied zu merken im Vergleich zu den Konzerten vorher?

Gisbert: Es war ein bisschen mehr los, ja. Das hab ich schon gemerkt. Vor allem in Hamburg, da waren dann leicht mal 300 Leute da. Und auch in den anderen Städten – Eigentlich immer doppelt so viele Besucher als letztes Jahr, wo ich kleinere Konzerte mit Band gegeben hab. Das hat man schon wahrgenommen. Nur die Reaktionen von den Zuschauern während des Konzertes waren nicht groß anders. Aber die Resonanz, von der Anzahl der Leute her, die dann zu den Konzerten kommen, das hat sich schon verändert.

Dein Album führte ja auf allerlei Homepages, Magazinen und auch im Zuhörerkreis fast nur zu positiven Rezensionen und Reaktionen. Hast du damit gerechnet?

Gisbert: Nein, nicht wirklich. Ich dachte, dass da auch einige Verrisse dabei sein würden. Aber der Großteil war wohl gnädig, weil es mein Debütalbum ist, oder so. Bei manchen hat man ja schon gemerkt, dass sie nicht so ganz drauf stehen, wie bei der Spex zum Beispiel. Da standen dann immer so kleine Seitenhiebe mit drin. Aber ich hätte echt gedacht, dass das etwas kontroverser empfangen wird, als es jetzt empfangen wurde.

Du hast ja auf roteraupe.de ein Tourtagebuch geschrieben, welches übrigens ganz fantastisch geworden ist –

Gisbert: Danke!

…Könntest du dir denn vorstellen, sowas in der Art auch mal als richtiges Buch rauszubringen?

Gisbert: Als Buch? Das weiß ich noch nicht. Vielleicht irgendwann mal, aber derzeit ist das noch gar kein Thema. Im Moment denk ich da nicht drüeber nach, ob ich sowas mal machen will. Aber wer weiß, mal sehen!

Geht das auf roteraupe denn vorerst noch weiter, oder ist das für dich abgeschlossen?

Gisbert: Ich hab das erstmal abgeschlossen, weil ich auch auf der Tour mit Olli schon gemerkt hab, dass ich gar keine Chance hätte, das in dem Stil fortzuführen, weil ich so ausführlich angefangen hab. Irgendwann kommt man dann auch an den Punkt, wo man gar keinen Bock mehr hat, irgendwas aufzuschreiben.

Irgendwann werden solche Tourberichte ja auch repetitiv…

Gisbert: Ja, klar. Man fährt eben immer Auto, wartet rum, macht einen Soundcheck, spielt ein Konzert, feiert dann noch ein bisschen oder auch nicht, geht schlafen. Da kommt ab einem gewissen Punkt nicht mehr so viel Neues dazu. Und irgendwann gibt es dann auch nicht mehr so viele spannende Geschichten, die man beschreiben könnte. Irgendwann wird das langweilig – So ist das halt.

Merkt man nach all der Rumfahrerei auch wieder, was einem am Hamburg liegt?

Gisbert: Ja! Sehr.

Was ist denn das Besondere an dieser Stadt für dich?

Gisbert: So genau kann ich dir das gar nicht beschreiben, aber ich fühl mich einfach sehr wohl hier. Ich fühl mich zuhause hier. Und daher hab ich mich sehr gefreut, wieder herzukommen. Ich hab jetzt von vielen anderen Städten so einen „Mini-Eindruck“ mitgenommen und da denkt man dann eben auch so: Irgendwie hab ichs ja ganz gut in Hamburg. Die Atmosphäre hier ist einfach sehr schön, die Leute sind aufgeschlossen. Köln fand ich ähnlich, muss ich sagen, vorher fand ich Köln immer ganz schrecklich, aber auf der Tour hatten wir da jetzt 2, 3 Tage verbracht, weil wir einen Tag frei hatten – Und Köln ist auch sehr schön, von den Menschen her, das war nochmal ganz anders als hier in Hamburg. Sogar noch ein bisschen offener und herzlicher.

Noch herzlicher als in Hamburg, sowas geht?

Gisbert: Ja, echt! Die waren offener. In Hamburg sind die Menschen häufig – wie es ja auch meine Natur ist – anfänglich erstmal etwas zurückhaltender, aber trotzdem sehr herzlich. Naja, aber in Köln fand ich diese offene Art eben auch sehr schön.

Hatte deine Entscheidung, damals nach Hamburg zu ziehen, auch etwas mit den musikalischen Möglichkeiten zu tun, die diese Stadt bietet?

Gisbert: Schon, ja. Ich kannte vorher von hier schon einige Leute, mit denen ich so ein Musik-Workshop mitgemacht hatte. Und das war dann mit einer der Gründe, warum ich hier hergegangen bin, weil ich speziell mit den Leuten gerne Musik machen wollte. Aber nicht nur. Ich hab früher ja in Holland gewohnt und wollte dann nach meinem Studium nach Deutschland ziehen. Und da kam auch als Erstes Hamburg in Frage, weil ich diese Stadt schon immer sehr interessant fand, da wollte ich dann herausfinden, wies hier ist. Dazu kam dann eben, dass ich hier wie gesagt schon einige Leute kannte. Da war ich dann gleich willkommen in einer kleinen „Clique“ von Menschen.

Dein Album kam ja jetzt unter deinem Namen heraus, obwohl du mit Band arbeitest. Was hat dich dazu bewegt, das so zu machen?

Gisbert: Weil das unter meinem Namen auch alles angefangen hat und die ganzen Lieder auch bei mir zuhause im Zimmerchen entstehen und entstanden sind. So war das die letzten 2 bis 3 Jahre immer schon. Mein erster Auftritt war vor etwa 2 Jahren und da war das auch schon ich. Das läuft eben so: Ich hab dann ein fertiges Lied mit Akkorden, Texten, Melodien und allem drum und dran. Und jetzt hatte ich einfach mal Lust, das Ganze etwas aufzupeppen. Musikalische Abwechslung zu erreichen und mir eine Band dazu zu holen, um mehr Krach zu machen! Und da gab es dann den Moment, wo ich mir überlegt hab, mir einen Projektnamen zuzulegen, dass es nicht mehr nur mein Name ist, so Songwriter-mäßig, aber den Gedanken hab ich dann wieder verworfen. Mir ist einfach nichts Gutes eingefallen.

Dein Name wirkt ja sowieso schon wie der reinste Künstlername!

Gisbert: Ja, genau. Und ich bin eben auch schon sehr lange unter ebendiesem Namen aufgetreten und da erschien es mir dann schwachsinnig, sich das nochmal komplett neu zu überlegen. Deswegen bleibt es auch bei der nächsten Platte noch bei „Gisbert zu Knyphausen“, selbst wenn die sich vom ersten Album sicherlich etwas abheben wird, weil wir planen, das noch verstärkter mit Band zu machen.

Und das stört deine Bandmates dann auch nicht, dass das alles unter deinem Namen stattfindet?

Gisbert: Nöö, bisher noch nicht! Und selbst wenn, dann könnte man sich ja immer noch was zulegen. Oder einfach der Band einen Namen geben. „Gisbert zu Knyphausen und die- … “ Keine Ahnung, was. So wie „Olli Schulz Und Der Hund Marie“ oder „Bernd Begemann Und Die Befreiung“ oder so ein Zeug. Das geht natürlich auch dann. Aber das wäre dann natürlich auch noch länger, als mein jetziger Name eh schon ist.

Zu deinen Texten: Handeln die von Situationen, die du selbst erlebt hast oder ist das stellenweise auch Fiktion?

Gisbert:
Zum Teil ist das schon aus dem Himmel gegriffen. Die haben zwar schon einen sehr direkten Ursprung, in Situationen, die ich erlebt hab, oder Gefühlen, die ich verspüre und dann beschreibe, indem ich mir Situationen ausdenke. Es ist natürlich nicht alles 1:1 so passiert, wie es in den Liedern ist. Es nimmt meistens seinen Anfang in einer bestimmten Situation und dann bastel ich da so den Text drum herum und dann kommen da ab und an eben schon Sachen bei raus, die mir nicht direkt passiert sind. Das ist dann wohl die sogenannte künstlerische Freiheit!

Deine Texte sind ja schon sehr persönlich. Stört es dich da, wenn die Hörer dies zum Anlass nehmen, das für sich selbst zu interpretieren und dann damit rumreflektieren? Das hört man ja von manch anderen Musikern.

Gisbert: Nein, das stört mich keinesfalls. Das ist ja der normale Werdegang, wenn man mit der Musik dann an die Öffentlichkeit geht und mit den Liedern auftritt. Damit bewirkt man natürlich eine Reaktion bei demjenigen, der es hört. Der macht sich dann seine eigenen Gedanken zu dem Lied und zu dem Text, den man geschrieben hat. Wenn jemanden das stört, dann sollte man nicht auf der Bühne stehen und das vorführen. Weil das ja automatisch passiert, selbst bei einem instrumentalen Musikstück, da hat man ja auch seine eigenen Assoziationen dazu, die bedingt sind durch das, was man selbst erlebt hat. Stört mich also überhaupt nicht, wenn der Hörer das auf sich selbst bezieht.

Das Lied „Gute Nachrichten“ enthält ja eine ziemlich deutliche Anleihe an Modest Mouse. War das Absicht oder Zufall?

Gisbert: Das war Absicht! Ich kannte die Band vorher überhaupt nicht, hab nur den Plattentitel gelesen (Anm. d. Red.: „Good news for people who love bad news“) und hab das dann verwurstet in meinem Lied, einfach mal was geklaut. Ich saß daheim so an meinem Schreibtisch vorm Computer und hab das Lied geschrieben und mich nebenbei bei amazon so ein bisschen durchgeklickt und dann hatte ich den Plattentitel gelesen und dachte einfach, dass das da gut mit reinpasst (Anm. d. Red.:“Ich hab gute Nachrichten für die unter euch, die den ganzen Tag nur auf schlechte Neuigkeiten warten!“). Und mittlerweile mag ich die Band aber auch sehr gerne, nachdem ich das dann zum Anlass nahm, mir die Platte denn auch mal anzuhören.

Bist du jetzt eigentlich hauptberuflich Musiker und Labelbetreiber?

Gisbert: Labelbetreiber bin ich so direkt gar nicht, das ist ein Missverständnis. Omaha Records ist gar kein richtiges Label, sondern eigentlich nur eine Internetseite, die ich irgendwann mal mit einem Freund von mir errichtet hab. Und ich hatte dann mal überlegt, da ein richtiges Label draus zu machen, aber musste feststellen, dass ich da gar nicht so der Typ für bin, der diese ganze Labelarbeit machen will und kann. „Omaha Records“ steht zwar auch auf meinem Album noch mit drauf, das ist aber einfach eine Nettigkeit von PIAS, bei denen ich meinen Vertrag unterschrieben hab und die jetzt meine Plattenfirma sind. Ich bin eben wirklich nur der Künstler und hab selbst keine Plattenfirma. Ich wollte das Logo einfach mit auf der CD haben, weil das so der Anfang meines Werdegangs war, wir haben ja auf Omaha dann auch einige Sampler rausgebracht, einen davon sogar pressen lassen und alles. Omaha war immer eine Plattform, bei welcher wir Konzerte organisieren und Sampler rausbringen können. Wir sind jetzt grad am Überlegen, was wir aus Omaha Records machen sollen, weil die Seite derzeit vor sich hinvegetiert. Wir suchen da einfach ein oder zwei Leute, die die Sache mal in die Hand nehmen und da richtig was draus machen, weil ich da derzeit nicht so die Zeit und den Nerv für habe. Vielleicht wird ja auch noch ein richtiges Label draus. Aber wenn, dann nicht mit mir als Chef.

Also bist du hauptberuflich einfach Musiker derzeit?

Gisbert: Ah, das war die Frage, stimmt. Also, ja, im Moment schon! Ich arbeite auch noch ab und zu in der Hasenschaukel, in der Kneipe. Aber auch nicht allzu oft, denen fehlt dafür auch die Kohle, um jedes mal jemanden einzustellen. Derzeit mach ich also eigentlich wirklich fast nur Musik. Da liegt mein Augenmerk darauf, die Welle zu nutzen, die das alles in letzter Zeit so losgetreten hat, viel auftreten und möglichst viele neue Platten machen.

Liveauftritte hauen aber schon noch mehr raus als Plattenverkäufe, oder?

Gisbert: Das kommt immer drauf an. Wenn wir mit Band spielen, dann verteilt sich das auf fünf Leute, weil jeder was von abhaben muss. Da bleibt dann auch nicht mehr so viel übrig. von den Plattenverkäufen auf Tour bleibt aber einiges hängen! Das ist bei den CDs, die im Laden stehen, etwas anders. Da bleibt für den Musiker ja leider selten wirklich was von übrig. Da kriegt die Plattenfirma einen Riesenanteil, weil die natürlich Geld da reingebuttert haben, der Vertrieb kriegt seinen Anteil und natürlich auch der Plattenladen selbst. Und beim Musiker bleiben dann je nach Vertrag 25% bis 7% hängen. 7% wäre dann aber auch schon das Beispiel für fiese Verträge, bei EMI oder so.

Wir wollen ja keinen Namen nennen!

Gisbert: Nein nein, wir wollen auf gar keinen Fall Namen nennen, aber: Geht nicht DA hin, echt!

Welche Musik hörst du denn eigentlich privat?

Gisbert: Radiohead, Bright Eyes, Niels Frevert, Clickclickdecker, Tom Waits, PJ Harvey, Portishead, da ist das neue Album fantastisch, ebenso The Notwist, die haben auch eine tolle neue Platte. Ansonsten hab ich mir auch grad eine CD gekauft von Gustav, das ist so eine Österreicherin.

Die neue Platte „Verlass Die Stadt“? Die ist super.

Gisbert: Ja, genau. Die spielt heut Abend ja auch im Kampnagel, aber da kann ich leider gar nicht hin. Also, wie gesagt, ich höre gerne melancholische Musik und gerne auch etwas schrägere Sachen.

„Schrägere Sachen“ – Definition?

Gisbert: Ja, so Sachen, die in sich etwas brechen. Wie eben zum Beispiel bei der neuen Portishead-Platte, die ja eigentlich echt total verstörend ist. Sowas mag ich gerne hören.

Dann kannst du ja sicher auch mit „Animal Collective“ und so Sachen aus dem Schlag gut was anfangen.

Gisbert: Animal Collective hab ich echt noch nie gehört, hab nur überall gelesen, dass die ganz fantastisch sein sollen.

Kann ich nur unterschreiben!

Gisbert: Ja, okay, dann werd ich mal reinhören!

Nutzt du die Musik, die du hörst, auch als Inspiration für eigene Songs?

Gisbert: Ja, klar. Auch wenn man das nicht 1:1 zurückverfolgen kann, meine Musik klingt ja schon anders als Radiohead oder Portishead, oder sonstwas. Aber man zieht die Inspiration natürlich auch aus der Literatur, aus allem Möglichen. Das kommt einfach von überall, das kann so genau gar nicht beschreiben.

Dein Album kam zwar erst vor kurzem raus, aber die Lieder, die da drauf sind, existieren ja schon länger. Ist es also möglich, dass man vielleicht schon bald mit was Neuem rechnen kann?

Gisbert: Ich hoffe es, ja! Aber man muss dazu sagen, dass die Lieder, die jetzt auf der Platte sind, auch die sind, die ich zu dem Zeitpunkt hatte, viel mehr gab es bisher noch nicht. Ich bin da leider extrem langsam drin, vor allem im Texten. Ich hab bis jetzt vier neue Lieder und die kamen auch recht schnell dann. Ich hoffe, dass das so weitergeht und werde den Sommer über auch sicherlich noch einiges an Liedern sammeln, dass wir vielleicht im Winter dann schon eine neue Platte aufnehmen können. Wenns schnell geht, dann haben wir nächstes Jahr um diese Zeit schon ein neues Album. Das braucht natürlich auch noch seine Vorlaufzeit mit der ganzen Promo und so. Ich würde aber sagen, dass wir spätestens nächstes Jahr im Herbst eine neue CD haben, versprochen!

Danke für das Interview!

Eine Rezension zu Gisberts Album findet ihr auf mainstage hier.

Und Konzertfotos aus Hamburg hier.

5 comments

  1. Mareike says:

    Chrissie, das ist beneidenswert (wie immer) :>
    Ich schreibe dir vor allem auch, damit du weißt, dass das hier auch Menschen lesen x)

  2. Robbät says:

    Tach, sehr fein und gute Fragen an den herren mit dem „zu“ im Namen. Gratulation zum schon
    getroffen haben. ich arbeite noch dran.
    mit freundlichen… und ja hier lesen menschen! :-)

  3. Caro says:

    Hallo…bin zufällig über Lastfm.de auf dieses Interview gestoßen.
    Ist wirklich ein tolles und aufschlussreiches Gespräch mit einem grandiosen Musiker!
    Vielen Dank dafür! :o))

    Beste Grüße

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