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Im Gespräch mit Tonbandgerät

Tonbandgerät sind viel unterwegs, nicht zuletzt seitdem ihr Erstling „Heute ist für immer“ in den Plattenläden steht. Drum haben wir die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, einen freien Moment der Hamburger genutzt, bevor es schon bald auf große Reise geht und sind einige Fragen losgeworden, die Gitarristin Sophia und Sänger Ole gewissenhaft beantwortet haben.

Ihr habt den New Music Award 2012 gewonnen, der zuvor schon der erste große Schritt für Bonaparte und Kraftklub war. Sind das große Fußstapfen für euch? Wie seid ihr mit dem Wissen umgegangen, dass es für euch als Band auch bald so aussehen könnte wie für eure Vorgänger?

Sophia: Den New Music Award zu gewinnen war für uns schon eine echt große Sache, gerade, wenn man sich die Gewinner der Vorjahre mal vor Augen hält. Da haben wir uns wirklich sehr geehrt gefühlt und es war schon toll, als uns auf einmal die Radios gespielt haben. Wie in Fußstapfen treten hat sich das aber nicht angefühlt.

 

Hat euch der Erfolg überrollt, hat sich viel für euch verändert, in der Band, in euren Freundschaften, in euren Familien, beim in Hamburg durch die Einkaufsmeile spazieren?

Sophia: Das letzte Jahr war schon unglaublich. Was da alles passiert ist, realisieren wir erst jetzt mit ein bisschen Abstand. Wir haben unser erstes Album aufgenommen, die ersten ausverkauften Konzerte und tolle Festivals gespielt und den New Music Award und HANS gewonnen. Gefühlt hat sich bei uns privat dadurch aber wenig verändert. Naja, unser Proberaum wird immer enger, weil wir mittlerweile mehr Equipment brauchen, aber das wir mal auf der Straße erkannt werden, passiert sehr, sehr selten. Und unser Freunde haben jetzt mehr Verständnis, wenn wir mal absagen müssen, weil wir ein Konzert haben oder eine wichtige Probe ansteht.

Ole: Und manchmal passiert es dann doch, dass man auf der Straße angesprochen wird und Autogramme geben darf. Ist schon ein merkwürdiges, aber auch ein schönes Gefühl. Am Anfang hab ich tatsächlich noch mit meiner normalen Unterschrift unterschrieben bis mir ein Kumpel eine Story von Roberto Blanco erzählt hat, der auf diese Weise etliche dubiose Waschmaschinen-Verträge abgeschlossen hat. Seitdem habe ich eine besondere Autogramm-Unterschrift.

Im November seid ihr auf „Heute ist für immer“-Tour, die wir mit Stolz mit präsentieren dürfen. In den Wochen und Monaten zuvor wird es sicher auch nicht ruhiger werden, da drängt sich die Frage auf: Gibt’s noch ein Leben ohne Tonbandgerät?

Sophia: Ein Leben ohne Tonbandgerät können wir vier uns gerade echt schwer vorstellen. Wir werden eigentlich den ganzen Sommer über auf Festivals sein, im November kommt dann die erste eigene Deutschlandtour und wir haben schon darüber geredet, was wir denn bloß mit der Zeit dazwischen machen. Da ist uns aber auch schon was für eingefallen: Wegfahren und neue Songs schreiben.

 

Zurzeit scheint Musik mit deutschen Texten wieder aufzuleben, außer euch stehen Singer/Songwriter wie Philipp Poisell, Max Prosa, Tim Bendzko, Fayzen oder auch Bands wie Turbostaat oder OK Kid hoch im Kurs. Was denkt ihr, woran liegt das?

Sophia: Deutsche Texte waren ziemlich lang ziemlich uncool und das wollte keiner hören. Vor zehn Jahren kam dann dieser Hype mit jungen Deutsch singenden Bands, von denen sehr viele sehr schnell wieder verschwunden sind und ich glaube mittlerweile hat sich das einfach ein bisschen runtergekocht und eingependelt. Heute ist das nichts so Besonderes mehr, wenn Künstler auf Deutsch singen und das ist eigentlich ein echt guter Zustand.

 

Hört ihr selbst auch solche, andere deutschsprachige Musik? Was läuft im Tourbus?

Sophia: Ole hört sehr viel an deutschsprachiger Musik und bei uns Anderen kommt das phasenweise vor. Ich hör im Moment gern deutschen Hip Hop. Das ist echt interessant, was da textlich grad so geht und wie gut da mit Worten gespielt wird. Das letzte Album, was im Tourbus von uns gehyped wurde, war „Magnolia“ von Chakuza.

Ole: Ich höre gerade das neue Album von Frank Turner rauf und runter.

 

Eure Texten drücken nicht auf die Tränendruse, sie sind sehr nachdenklich, durchdacht und textlich sehr auf den Punkt gebracht, ohne um-den-heißen-Brei-Gerede – und dabei geht es ja oft um große Gefühle und tiefsinnige Gedanken, für die man gewöhnlich nicht die einfachsten Worte findet. Wie schreibst du die Texte, Sophia? Wie behältst du einen klaren Kopf ohne in Gefühlsduseleien abzuschweifen? Woher holst du dir die Inspirationen für deine Texte?

Sophia: Ich finde es eigentlich auch deutlich einfacher abstrakter bei Texten zu bleiben, aber mein Anspruch an mich selbst ist es, das, was ich sagen will zu fokussieren ohne jetzt zu direkt oder zu platt zu werden. Dieses Vereinfachen ist oft gar nicht so einfach. Wenn ich mit einem neuen Song beginne, weiß ich meistens gar nicht so genau wohin das gehen wird. Ich hab ein Notizbuch, in das ich unterwegs immer Worte oder Sätze rein schreibe, die mir in den Sinn kommen und wichtig erscheinen und das ist meistens die Grundlage aus der dann Song entstehen. Beim Songschreiben denk ich komischer Weise immer in Kamerafahrten, also sehr räumlich, als würd ich einen Film drehen und dadurch ist es meistens recht klar wie es textlich weitergehen muss. Ich muss mich dann nur noch entscheiden, auf was ich den Fokus legen will. Und thematisch geht’s eigentlich um das, was im Tonbandgerät Kosmos grad so passiert ist. Wir hängen echt viel miteinander rum und da gibt’s mittlerweile wirklich genug Sachen, über die ich Songs schreiben könnte.

 

Oftmals sind Sophias Texte – auf eine sehr poetische Weise – kryptisch, mit viel Metaphorik. sehr um die Ecken gedacht. Wie ist es für euch, insbesondere für Ole, sie dann zu interpretieren? Nehmt ihr dann in der Band die Texte nochmal auseinander, sprecht über sie?

Ole: Wir haben uns noch nie zusammen gesetzt und über die einzelnen Texte gesprochen. Für mich ist es zunächst wichtig einen eigenen Zugang zum Song zu finden. Dafür konstruiere ich mir meist eine persönliche Hintergrundgeschichte. Meist fällt mir das leicht, weil die Texte oft aus dem Bandkosmos kommen und ich darum schon in etwa weiß worum es geht. Ich mag den Gedanken, dass es keine richtige Interpretation von Texten gibt, da ein Song sich immer weiter im Kopf des Hörers entwickelt.

Sophia: Ich finds auch echt wichtig nicht über die Texte zu reden. Mir ist das schon oft passiert, dass ich einen Song von einer Band wirklich toll fand und dann haben sie im Interview den Text erklärt und auf einmal war die Magie weg. Da soll bei uns lieber jeder hineininterpretieren was er mag. Eine Kirchensendung hat mal unsere Songs christlich ausgelegt. Das war schon sehr schräg, weil wir mit so was alle gar nichts am Hut haben.

 

Einer der ersten Songs, die ich gehört und lieben gelernt habe, ist „Niemand“. Auf eurer LP „Heute ist für immer“ heißt er nun „Mit dieser Welt allein“ und klingt als Albumversion auch verspielter. Wie kam’s, dass an diesem Song nochmal geschliffen wurde?

Sophia: „Niemand“ war der einzige Song, der nicht im Proberaum entstanden ist, sondern im Studio. Wir haben da diesen sambaartigen Beat gebaut mit super viel Percussion, der echt cool klang, aber dann im Proberaum überhaupt nicht umzusetzen war, weil wir dafür gefühlte drei Schlagzeuger gebraucht hätten. Das fanden wir doof, weil wir gern ein Album machen wollten, das uns als Band gut repräsentiert und haben deshalb den Song von hinten aufgerollt und uns von der Akustik-Version zu einer Bandversion gearbeitet. Das haben wir dann noch mal aufgenommen und quasi als symbolischen Akt in „Mit dieser Welt allein“ umbenannt. Das war eine echt gute Entscheidung.

 

Das war’s schon, wir danken Sophia und Ole für ihre Aufmerksamkeit und freuen uns auf die anstehende Tour! Die, falls wir es noch nicht erwähnt haben, auf den Namen „Heute ist für immer“ hört und mit Stolz von uns, Kulturnews und VIVA präsentiert wird. Wohin die Reise geht, lest ihr hier.

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