Startseite » Im Gespräch mit Joris

Im Gespräch mit Joris

Es war einer dieser warmen Dienstage im Mai. Der Frühling wollte zeigen, dass er auch Sommer sein könnte. Die heiße Luft legte sich über die Stadt und kroch durch die Straßen von Kreuzberg. Ich war-ganz entgegen meiner Gewohnheit- viel zu früh auf dem Weg zum Lido. Die Kleidung klebte auf der Haut, auf der Seele brannte eine Entscheidung zwischen Herz und Kopf. Wie passend, dachte ich einen Moment-und das auf dem Weg zum Konzert von Joris Gegen Grübeln hilft laufen, also ging ich -auch gegen meine Gewohnheit- den Weg durch die Stadt zu Fuß.

Und dann kam, was kommen musste. Der Himmel hatte auch eine Entscheidung zu fällen und hatte die Hitze wohl satt. Es blitzte ein paar Mal und dann prasselte der Regen los. Keine Jacke dabei, ja klar, es war ja eben noch warm draußen. Meine Stoffschuhe nahmen das Regenwasser auf wie ein Schwamm, ich plantschte binnen Sekunden im Wasser. Klatschnass stand ich vor dem Lido. Man ließ mich wortlos und mit mitleidsvollem Blick ein und ich hechtete erst einmal unter den Händetrockner vom WC. Frisch durchgepustet stieß ich fast mit Joris und der Band zusammen. Da wo Garderobe und Bar zusammenstoßen, hingen sie inmitten der Gäste herum, unbehelligt-man möchte fast sagen unbeachtet. Entweder hat sie niemand erkannt oder das Berliner Publikum wollte wieder ihrem Ruf gerecht werden, cool und ignorant zu sein. Obwohl mich die Neugier drängte, die Gelegenheit zu einem Plausch vor dem Konzert zu nutzen, konnte ich mich gerade noch stoppen, denn ich sah gerade aus wie ein Plüschtier, das gerade aus dem Trockner gefallen ist. Das muss ja nicht sein.

Also holte ich meine obligatorische Cranberry-Schorle und traf ein paar Freunde an der Bar. Wir verquatschen uns, verpassen den Support und haben schon Mühe uns durch die Menge einen schönen Platz zu suchen. Es ist voll, brechend voll, es ist ausverkauft. Was folgt ist eine gut einstudierte Show, selbst das Licht ist schon sehr professionell und atmosphärisch. Joris kommt auf die Bühne und nimmt sofort den ganzen Raum für sich ein. Er ist präsent, ohne aufdringlich zu wirken. Er singt, wechselt dabei zwischen Gitarre und Klavier, zwischen Songs, die laut und treibend sind und ruhigeren Balladen. Alles passt. Oft schließt er die Augen, als wolle er das genießen. Das Berliner Publikum ist zurückhaltend, aber aufmerksam. Zwischendurch erzählt Joris Anekdoten. Wie er 1,5 Jahre in Berlin am Studio gearbeitet hat, dass er vom Dorf kommt und wie es dazu kam, dass zwei Stoff-Minions jetzt immer mitreisen. Sie haben Spaß da auf der Bühne. Es gibt Lieder, bei denen die Leute ganz still sind und lauschen-wie „Schneckenhaus“. Doch spätestens bei „Herz über Kopf“ verschmelzen die Leute auf und vor der Bühne zu einer Einheit und singen mit. Das fühlt sich gut an.

Dann ist es viel zu schnell zu Ende, draußen zeigt der Frühling noch mal sein Sommernachtsgesicht, es ist wieder trocken und klar. Wenn es schon vor dem Konzert mit dem Plaudern nicht geklappt hat, dann eben danach. Und viel später.

Joris: Und, hat dir das Konzert gefallen?
Mainstage: Ja, ich fand’s sehr schön.Danke.
Und dir?
Mir hat’s auch gefallen.

Ihr seid ja jetzt ganz schön unterwegs.

Ja, was heißt viel. Jetzt liegen 9 Konzerte hinter uns. Also im Vergleich zu vorher, wo ich anderthalb Jahre im Studio war und so gar keine Konzerte hatte, ist das schon eine verrückte Zeit jetzt, das stimmt. Jetzt prasselt alles auf uns ein, erst die Tour und bald kommen ja auch die Festivals.

Gab es irgendwelche Highlights auf der Tour?

Jeden Abend! Es war immer komplett anders. Leipzig war ein besonderes Highlight, weil da am meisten Leute waren, ich glaube so 1000. Dann zum Beispiel Stuttgart, wo nur 250 Leute reinpassen-das hieß auch schon „Kellerclub“. Da muss man sich irgendwie auf die Bühne quetschen und die Leute sind einem noch einmal näher als sonst. Das ist auch total schön. Köln war die einzige Stadt, die wir in NRW gespielt haben, da war eine bombastische Stimmung. Eigentlich war es überall toll. Jetzt Berlin, das ist unser Tour-Abschluss, das muss man nochmal besonders genießen. Weißt du, was mich so total flasht ist, dass die Leute tatsächlich wegen uns kommen-ist das nicht krass? Und, dass sie mitsingen. Gerade wenn man sich vorher im Studio einschließt und sich in seiner Musik verliert und dann plötzlich das andere Extrem hat, wo die Leute plötzlich da sind und mitgehen-das ist schon krass. Und schön.

Was macht denn mehr Spaß, Studio oder Tour?

Jede Phase ist spannend und intensiv. Vor der Tour hatte ich zum Beispiel 3 Wochen, wo ich durchs Land getingelt bin, jeden Tag 3 Städte auf dem Plan hatte und bei verschieden Radiosendern zu Besuch sein durfte. Auch das war eine schöne Zeit. Ich glaube, ich genieße es gerade, dass sich mein Leben immer wieder neu vor mich aufstellt. Eine bisschen wie eine Achterbahnfahrt.

Du hast mal in Berlin mal Ton-und Musikproduktion studiert. Bringt das wirklich was? Die meisten Musiker machen halt „einfach so“ Musik.

Ich komm ja vom Land. Vlotho, wo ich ausgewachsen bin, hat vielleicht 20.000 Einwohnern, wenn man die Umgebung mitrechnet. Also komme ich aus einer total gesitteten Umgebung mit Ruhe und viel Natur drum herum, jeder kennt jeden und wo mal Fußball gespielt wird-sowas halt. Ich musste nach dem Abi einfach mal weg. Ich bin dann zuerst einmal nach Berlin und hab da auch Ton-und Musikproduktion studiert-aber auch nur ein Jahr. Worum es mir aber eigentlich ging war, dass ich andere Verrückte finde, kreative Köpfe und da in so einen Pool eintauchen kann.

Haben deine Eltern nicht mal gesagt: „Junge, lern mal was Gescheites?“

Ich glaube jede Familie macht sich Gedanken. Wenn der Sohn sagt, er macht nur noch Musik und wenn er sich schon während des Abis nur in den Keller eingeschlossen hat und dort seine eigene Musik aufgenommen hat, dann machen sie sich Gedanken, aber sehen auch dass er daran Spaß hat. Und die Eltern merken ja auch, wenn der Sohn dann glücklich ist und etwas hat, was ihn komplett erfüllt. Aber ja, klar haben sie sich auch manchmal gewünscht, dass ich was „Vernünftiges“ mache. Aber ich bin auch ein Dickkopf…manchmal. Ich weiß, was ich möchte und was ich mir für mein eigenes Leben wünsche. Ich hab mit 5 Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen und seitdem hab ich nie wieder aufgehört Musik zu machen.

Und wie ging’s weiter?

Dann bin ich nach Amerika gegangen, bin dort zur Highschool gegangen und hab unter anderem auch die Folkmusik kennenlernen dürfen. Eigentlich hab ich immer gerne englische Musik gehört und auch geschrieben. Ich schätze an der englischen Musik, dass man sich in der Musik verlieren kann und nicht auf jedes Wort hören muss und dass man die Emotion in der Musik für sich adaptieren kann. Das hab ich auch immer versucht mir zu bewahren. Vor vier Jahren hab ich dann angefangen für das Album zu schreiben und auch angefangen deutsche Fragmente zu schreiben. Und das war sehr intensiv und mir wurde klar, dass die Tatsache, dass jeder meine Worte verstehen kann, mir eine ganz starke Energie und auch Möglichkeiten gibt. Auf dem Album „Hoffnungsvoll, Hoffnungslos“ hab ich versucht einen Spagat zu finden zwischen englischen Sound und der Möglichkeit sich in der Musik zu verlieren und dem Potential von deutschen Texten.

Wie bei „Schneckenhaus“…

…genau, du warst ja im Lido dabei. Das war krass, ich hab zum ersten Mal gehört, dass das Lido eine total laute Lüftung hat und man das nur hört, wenn die Leute mucksmäuschenstill sind und zuhören. Das möchte ich nie wieder missen-diese Energie. Und dann hast du wieder eine große Nummer wie „Hoffnungsvoll, Hoffnungslos“ und da tut es auch gut, dass man sich in der Musik verlieren kann.

Erzähl mal was zur Band, wie seid ihr zusammen gekommen?

Ich hab schon mit vielen Leuten Musik machen dürfen. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass es für mich nichts Schöneres gibt, als mit Leuten zu spielen, die man komplett mag und die so sind wie sie sind. Es ist schon wichtig, dass man sich auch menschlich sehr mag. Wir sind so lange Zeit am Tag unterwegs und so wenig auf der Bühne, dass es mindestens genauso wichtig ist, dass da auch eine Familie entsteht. Ich hab meinen Schlagzeuger Bino in Mannheim kennengelernt und wir haben da zusammen gesessen und erstmal nur so gequatscht. Er ist auch so ein Soundfrickler am Schlagzeug, das hat mir wahnsinnig gut gefallen. Er hat dann seinen Kumpel von früher gefragt, ich hab meinen Kumpel vom Chiemsee gefragt, der spielt Bass und dann war das gleich so ein homogenes Ding. Es ist gut, gerade in Phasen wie jetzt, dass es Leute gibt, die man von früher kennt, die sich nicht verändern und die einen am Boden halten.

Bei welcher Musik machst du denn dein Radio lauter?

Gute Frage. Hm. Kommt ganz drauf an, in welcher Stimmung ich bin. (überlegt) Es gibt so einige Musik, bei dem ich das Radio leiser stelle … (lacht)

Die da wäre?

Ach nee … ist wurscht. Es gibt so viel schöne Musik. Ich mag zum Beispiel Paolo Nutini sehr. Wenn man abends so durch die Lande fährt und es ist spätnachts, dann ist das auch mal gern Elektromucke. Ich steh auch auf so handgemachte Musik, ich mag Damien Rice total. Und hab damals angefangen zur Blue Brothers-CD zu trommeln, die find ich extremst toll. Da gibt es ganz viel.

Gibt es Diskussionen mit der Band, was gehört wird, wenn ihr auf Tour seid?

(lacht) Jeder hat so seine Musik. Unser Bassist ist totaler Reggae-Typ. Das ist eigentlich ganz lustig. Im Bus ist es ja meist so, dass wir noch ein bisschen pennen, denn das sind echt lange Tage und jeder hört so meine eigene Musik über Kopfhörer. Aber er ist immer so: wenn er fährt braucht er seine Musik, dann läuft dann laut Reggae im Auto und er singt und wippt dann auch mit.

Oh … die Zeit ist schnell aber vergangen. Nur noch eine letzte Frage.

Alles gut, Alex. Frag ruhig.

Dein Auftritt heute war in Berlin, hast du Lieblingsplätze hier?

Ich wohne ja nicht in Berlin, aber ich hab mal ein Jahr im Wedding gewohnt und war natürlich auch während der 1,5 Jahre wegen der Studioarbeiten oft hier und hab hier genächtigt. Ich liebe die Stadt und finde sie unglaublich pulsierend. Im Sommer ist sie wunderschön. Ich muss aber sagen, im Winter wenn es kalt und grau ist-naja da kann ich mir Schöneres vorstellen. Peter Fox besingt es ja ganz gut. Es gibt aber unglaublich viele tolle Sachen, von Weissensee bis runter nach Neukölln, an jeder Ecke gibt es was Besonders zu entdecken. Im Sommer ist der Mauerpark toll, der Flohmarkt, wenn da Musik gemacht wird und irgendwelche Akrobaten was vorführen. Auf dem Tempelhofer Feld hab ich immer gerne gechillt. Und es gibt ja auch ein Restaurant, das so heißt wie ich. Ich war noch nicht da, aber ich glaube, das werde ich demnächst mal ausprobieren.

Wann bist du denn wieder in Berlin?

Am 5.9. spielen wir beim Festival von Radio Fritz, bei den Deutschpoeten – was für eine Ehre! Da freu ich mich auch sehr drauf.

Oh ja, das ist immer sehr toll. Da spielen immer gute Bands. Eine große Freude.

Und im November ist dann wieder Tourabschluss in Berlin, im Postbahnhof. Kommst du?

Klar, dann sehen wir uns da. Und vielen Dank fürs Plaudern.

So machen wir das. Ich danke auch!

Mehr Infos und Live-Termine: jorismusik.de

Wir freuen uns über deinen Kommentar: