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The Doors – When You’re Strange

Kaum eine Band ist nach wie vor dermaßen sagenumwoben wie das amerikanische Quartett The Doors. Nahezu jegliches Detail der Band wurde beleuchtet und trotzdem ist die von dieser Band ausgehende Faszination ungebrochen. Regisseur Tom Di Cillo wagte sich nun erneut an diese Thematik heran und kreierte mit „When you’re strange“ eine illustere Dokumentation, gleichermaßen unterhalsam wie informativ. Niemand Geringeres als Johnny Depp führt durch eine einzigartige Geschichte.

Das letztendlich erneut Sänger und Galionsfigur Morrison als Aufmacher her halten muss, verwundert wenig. Das sich der Film größtenteils am facettenreichen Ego des Sängers abarbeitet ist ebenso obligatorisch. Und trotzdem bietet die Dokumention einige umso triftigere Gründe auch den Erkenntnisschatz ausgewiesener Spezialisten in punkto The Doors erweitern zu können. So etwa verwendet Di Cillo erstmalig Ausschnitte aus Kurz-Filmen, die Morrison in aufgekratzter und zugleich besonnener Pose portraitieren. Der bärtige Sänger braust in seinem Mustang durch die Wüste, quer-feld-ein, anscheinend planlos. Trinkt Bier, macht Halt, um einem dahinscheidenden Coyoten auf der Straße das letzte Geleit zu geben und fährt -wen wunderts- die Karre schlussendlich zu Schrott. Allein dieser Ausschnitt verbildlicht, wie fragil die Persönlichkeit des James Douglas Morrison gewesen sein mag. Zwei Herzen in einer Brust: zum einen der gefeierte „Lizard King“, zum anderen der einsame, höfliche, zurükhaltende Junge, der sich Zeit seines Lebens unverstanden fühlte und schließlich alleine in einer Pariser Badewanne starb.

„When you’re strange“ verfährt chronologisch und spart nicht an Details und Hintergründen. Die Hippie-Bewegung blüht auf, mittendrin zwei Film-Studenten, nämlich Ray Manzarek, begnadeter Pianist und James Douglas, kurz Jim, Morrison beschließen am Sunset-Strip eine Rock-Band zu gründen. Kurz darauf stoßen Robbie Krieger sowie dessen Freund John Densmore hinzu. Musiker, deren musikalischen Herkünfte unterschiedlicher nich sein könnten. Schlagzeuger John liebt Jazz, Gitarrist Robbie spielt erst seit Kurzem elektrische Gitarre und ist eher im Bereich des Flamenco beheimatet und Keyboarder Ray hatte zuvor eher klassisch gespielt. Dazu kommt Jim, der sich bezüglich Textgestaltung keiner Konvention unterwirft und dessen Rhythmusgefühl noch arg zu wünschen übrig lässt. Trotz aller musikalischer Differenzen oder vielleicht gerade deswegen erschafft die Band einen bis dahin nie gehörten Klang. Nach ersten Gehversuchen in L.A. klopft Electra Records an und stellt dem bis dahin recht konfusem Haufen mit Paul Rothchild einen echten Vollprofi an die Seite, der bis auf „L.A. Woman“ alle Alben von The Doors produzieren wird.

Die Band wird gefeiert und begibt sich auf Reisen, unter anderem auch an die Ost-Küste. Größen wie Andy Warhol zollen Respekt, ebenso wie unzählige Zuhörer, die sich von der extravaganten Präsenz des Quartetts angezogen fühlen. Es scheint als seien den jungen Männern nach oben hin keine Grenzen gesetzt.

Ein Siegeszug beginnt. Und Jim? Nimmt Drogen, trinkt Alkohol en masse und ist nach außen hin kaum zu bändigen. Was zu erst zu einer gewissen künstlerischen Produktivität beiträgt, wird allmählich zum Problem. Morrisons Zuverlässigkeit leidet stark. Konzerte werden zum Risiko, die Band gerät in Gefahr. Höhepunkt ist sicherlich die Anklage Morrisons aufgrund „unsittlichen Verhaltens in der Öffentlichkeit, Masturbation und vorgetäuschtem Oral-Verkehr“. Die geplante Amerika-Tournee wird peut à peut abgesagt. Der Anfang vom Ende. Morrison verlegt sich verstärkt auf seine Schriftstellerei, veröffentlicht in einen Gedichtband in Eigenregie und ist so gut wie kaum noch nüchtern. Nach den Aufnahmen zu „L.A. Woman“ zieht es den Poeten dann samt Freundin Pamela nach Paris, wo er schließlich,   im Alter von 27 Jahren in seinem Appartment stirbt. Zuvor hatte er höchstwahrscheinlich Heroin geschnupft, in der irrigen Annahme es sei Kokain.

Depp erzählt unaufgeregt, trocken, wohltuend bedächtig. Di Cillo hingegen variiert zwischen dahinfließenden und hektischen Sequenzen, zeigt wie die Polizei das Konzert in New Heaven beendet, nachdem Morrison öffentlich zuvor einen Polizisten beleidigt hatte, weil dieser ihn hinter der Bühne nicht erkannt und ihm Reizgas in die Augen gespritzt hatte. Das aufgewühlte Ego Morrisons: Jimbo. Aber es gibt auch den barmherzigen Jim, wie er sich fürsorglich um eine Konzertbesucherin kümmert, die laut Aussage Morrisons nur ein unschuldiger Zeuge gewesen sei, als während eines Konzerts Stühle in Richtung Bühne flogen.

Trotz des durchweg brillianten Bildmaterials wirkt die Dokumentation niemals effekthaschend, sondern meist sachlich nüchtern. Di Cillo vermeidet es gewagte Thesen über das Machwerk der Band und ihre Mitglieder aufzustellen. Ohnehin ist dies gänzlich unnötig, liefert doch die Faktenlage der Formation weit mehr interessanten Stoff, als in einer einzigen Dokumentation zu verarbeiten gewesen wäre. Das weiß auch Di Cillo und beschränkt sich weitesgehend auf das Wesentliche. Einzig in der Schlusssequenz gönnt sich der Regiesseur einen Schuss Sentimentalität, als er Depp die Stimme Morrisons imitieren lässt, als dieser in seiner Badewanne zu Grunde geht:“Pam, bist du da?“ Wie erwähnt einer weiteren Beimengung an künstlicher Sentimentalität bedarf es nicht, um dieses Werk aufzublasen.

„When you’re strange“ bietet gerade der jüngeren Generation sich anhand einer kurzweiligen Dokumention in die Welt der 60er und das beachtliche Werk der vielleicht einflussreichsten Band aller Zeiten einzutauchen. Unterhaltsam ist das, was Di Cillo präsentiert allemal und fundiert außerdem.

„When you’re strange“ erschien am 4. November 2010 via ArtHaus.

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