Aus „Wilco (The Stream)“ wird heute „Wilco (The Album)“. Jeff Tweedy und seine Kollegen waren so frei, ihr mittlerweile siebtes Studioalbum Mitte Mai zum kostenlosen Anhören auf die Bandwebsite zu stellen, um illegalen Vorab-Verbreitungen entgegenzuwirken. Diesmal mit Plattenfirma im Rücken. Der typische Wilco-Fan gehört ohnehin noch zu den Guten, die wenn sie von Platten sprechen noch Ton- statt Datenträger meinen. Liebenswürdig wie die Band selbst.
Durch diese Aktion reihen sich Wilco ein in eine Riege von Bands und Künstlern, von denen sie musikalisch und Image-technisch nicht weiter entfernt sein könnten. Frei vom Anspruch auf Avantgarde und Hipness sind Wilco einfach irgendwie die nette Band von nebenan, die nur die belächeln, die sich noch nicht näher mit ihr beschäftigt haben.
Hierzulande zu Unrecht noch viel zu unterschätzt, konnte sich das Sextett aus Chicago in den USA innerhalb der letzten 15 Jahre zu einer festen Größe im Alternative Country- und Rockgeschehen etablieren und sich mit Alben wie dem großartigen, etwas experimentelleren „Yankee Hotel Foxtrot“ von 2002 (das damals nach Streitigkiten mit der Plattenfirma auch schon per Webstream veröffentlicht wurde) und zahlreichen Auftritten auch in Deutschland einen kleinen Liebhaberkreis erspielen. Liebhaber greift hier aber eindeutig zu niedrig. Wer Wilco liebt, vergöttert sie. Allen voran der ehemals schmerzmittelsüchtige Frontmann Jeff Tweedy, der letzten Herbst Barack Obama im Wahlkampf unterstützte.
Der Albumtitel und auch der eröffnende Titeltrack “Wilco (The Song)” legen eine erstaunliche Selbstreferentialität an den Tag, der man sonst eher im Rap begegnet. Auf dem durchtrieben eingängigsten Song ihrer Bandlaufbahn preist Tweedy seine Kapelle als Retter in der Not und Schulter zum Ausweinen an. Was immer auch passiert, Wilco will love you, baby. Hüpfende Vokale auf einem groovenden Pianorhythmus. Zuversicht, wie auch in „You Never Know“, das zur Inspiration mindestens einmal in „My Sweet Lord“ von George Harrison reingehört hat.
Zwischen richtig rocken („Bull Black Nova“), Upbeat („Sonny Feeling“) und herzerweichenden Balladen („Solitaire“) präsentieren Wilco ihr erstes Studio-Duett. Zusammen mit Feist haben sie in Neuseeland das zerbrechliche „You And I“ aufgenommen, das dieser Tage auch seine Live-Premiere feierte. Perfekte bittersüße Harmonie.
Egal ob es traurig wird wie in „One Wing“ (One Wing will never fly/Neither yours nor mine/I fear we can only wave goodbye) oder der Durchhalte-Nummer „I’ll Fight“, Wilco (übrigens die Abkürzung für „will comply“ – dt.: werde die Anweisungen erfüllen – im Flugfunk) bleiben trotz aller Melancholie hoffnungsvoll und machen genau damit Freunde des nicht ganz zu kantigen, aber auch bloß nicht zu aalglatten Songwriterrock zum siebten Mal rundum glücklich – oder zumindest eben zuversichtlich auf Wilco am Ende des Tunnels. Nur das komplette Spektrum der sechs Musiker ist leider viel zu selten zu hören.
VÖ: „Wilco (The Album)“ erscheint am 26. Juni 2009 bei Nonesuch (Warner)
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