Es sind die perfekten Voraussetzungen: Zwischen all den grauen Tagen im Mai scheint die Sonne, in der milden Abendluft besetzen Menschen auf den Freisitzen der Bars und Pubs auf der Karl-Liebknecht-Straße in Leipzig auch den letzten Stuhl. Uns zieht es in die naTo, in der heute Almost Twins ihr Debüt „Hands/Trees“ vorstellen.
Auf ihrer Release-Tour ist Leipzig der vorletzte Stopp – ein Heimspiel für die Almost Twins, die sich in der WG von Max (Gesang, Gitarre) und Laurenz (Saxofon, Klarinette) zusammengefunden haben. Zusammen mit Valentin Mühlberger (Wurlitzer, Synth), Arne Imig (Bass) und Raphael Schuster (Schlagzeug) sind sie seit einiger Zeit ein Geheimtipp der Leipziger und Berliner Indie-Szene, das nun endlich ihr Debütalbum Hands/Trees (VÖ: 03.05. 2024 via Wagram Stories Berlin) herausgebracht hat.
Lauschiges Release
Vom ersten bis zum letzten Song schaffen es Almost Twins an diesem Abend, eine ganz besondere Atmosphäre zu schaffen. In dem kleinen Raum der naTo, der bis auf den letzten Steh- und Sitzplatz gefüllt ist, werden die Zuhörenden nicht nur von den Arrangements in den Bann gezogen, die mit den Gegensätzen aus Indie-Folk, 80-Synthie und Jazz spielen. Wer man hinhört, sind es auch die schlichten, charmanten Lyrics, die diesen gewissen Sog schaffen, der Almost Twins ausmacht. Sie erzählen etwa von der Hoffnung, dass uns ein imaginärer Puppenspieler aus der Erstarrung löst, tanzen lässt und sich alle Wünsche wie im Traum erfüllen („Puppeteer“) oder von Erlebnissen im von der Pandemie geprägten Alltag in einem Hausprojekt („Mosaics“).
Es macht Spaß, Max, Valentin oder Laurenz, die immer mal über die Songs sprechen, zuzuhören, und sich anschließend auf sie einzulassen. Genauso wie es Spaß macht, sich von mehrstimmigem Gesang, Saxofon- und Bassklarinetten-Einlagen oder neue Songs („Visions“) überraschen zu lassen. Viele der Songs schon beim ersten Hören so eingängig, dass man mit einstimmen kann, beseelt mitschwingt und bestimmte Melodien noch auf dem Radweg nach Hause vor sich her summt.
Nach etwas mehr als einer Stunde haben Almost Twins ihr Release-Konzert in Leipzig gespielt – und alle 10 Songs ihres Debüts. Rund machen sie es mit „Paint“, der wie auf ihrer Platte auch den Abend in der naTo abrundet. Nichtsdestotrotz kommen die Fünf noch für zwei Zugaben zurück auf die Bühne, Songs der Band Collector, einem anderen Projekt von Sänger Max. Danach werden sie unter überschwänglichem Applaus verabschiedet. Ein sehr schöner Abend geht zu Ende.
Viel passiert
Wer Almost Twins an diesem Abend in der Leipziger naTo das erste Mal sah, wird sich verliebt haben. In die einzigartige Musik, in das musikalische Handwerk, in mindestens einen der Musiker der Band. Doch hat man die Fünf vielleicht schon einmal gesehen, stellte man fest, dass seitdem viel passiert ist. Die Band wirkt eingespielter, auch im Gespräch mit dem Publikum. Mehrstimmiger Gesang, Synthie-Teppiche, Saxophon- oder Klarinettenlinien, alles fügt sich ganz wunderbar zusammen. Man möchte sagen, fast geschwisterlich.