Am vergangenen Wochenende fand zum bereits 24. Mal das Gurtenfestival auf dem Berner Hausberg in der Schweiz statt. An vier Tagen boten die Veranstalter ein abwechslungsreiches Line Up, wie man es in Deutschland nicht finden kann. So gaben sich unter anderem Pop-Sternchen (Avril Lavigne), Schlagersänger (Dieter Thomas Kuhn), Oldschool-Hip Hopper (Cypress Hill) und Indiebands (Nada Surf) die Klinke in die Hand. Danny war für uns am Freitag vor Ort.
Warum fährt man zu einem Festival in die Schweiz? Für mich persönlich ließ sich diese Frage ganz einfach beantworten. Wenn auf einem Festival die beiden Bands spielen, die mir am meisten bedeuten, und wenn dabei der Auftritt von Nada Surf der Einzige des Sommers ist und Lunik ein Heimspiel haben, dann fährt man eben mal acht Stunden mit dem Zug nach Bern.
Aber es gibt natürlich noch mehr Gründe für einen Festivalbesuch in der Schweiz. Zum einen ist die Stimmung ganz anders, es geht viel entspannter und gelassener zu, auch auf den ganz großen Festivals. Das Gurtenfestival gehört zwar nicht zu den Größten, aber seine Größe zeigt sich auch in anderen Dingen als der Anzahl an Publikum. Da ist die herausragende Lage. Seinen Namen hat das Festival nämlich vom Gurten, dem Hausberg Berns. Denn es findet auf dessen Spitze statt. Um auf das Festivalgelände zu kommen erklimmt man den Gurten also entweder zu Fuß oder fährt mit der Gurtenbahn hoch (natürlich im Preis inklusive). Der Aufbau ist so ausgelegt, dass man immer einen sehr guten Blick auf die Bühnen hat, auch wenn man nicht direkt davor steht. Die Natur macht es möglich, was im Flachland nur mit Hilfe der Technik möglich wäre. Und so kann man auch gemütlich am Hang sitzen und den ein oder anderen Auftritt genießen.
Zudem ist das Gurtenfestival nahezu perfekt organisiert. Und man hatte es dieses Jahr wirklich nicht leicht, denn der Wettergott schickte sehr viel Regen Richtung Gurten. Aber was anderswo in einer Schlammschlacht geendet wäre, wurde dank gut befestigter Wege, sehr zahlreichen Helfern und großem Einsatz zu einem Tanz im Regen. Auch sonst gab es keinen Grund zur Klage, die Versorgung an Lebensmitteln, hauptsächlich einheimische, war sehr gut, es gab genügend und saubere Toiletten und selbst der Merchandise-Stand war liebevoll gestaltet. Und um das alles abzurunden wird beim Gurtenfestival natürlich auch sehr auf die Umwelt geachtet. Nicht nur dass das Gelände fast restlos von Müll frei gehalten wurde, nein, selbst das Geschirr aus Zuckerrohrfasern wird später zur Stromerzeugung verwendet. Und zwar in einer Biogasanlage, also ökologisch alles einwandfrei.
Etwas anders war dann auch das Line Up. Da war für jeden etwas dabei, angefangen vom Pop einer Christina Stürmer oder dem Schlager von Dieter Thomas Kuhn über den HipHop von z.B. Cypress Hill bis hin zum Hardcore von Clawfinger. Dementsprechend war logischerweise auch das Publikum, wobei hier auch, wie beim Programm, der Hauptschwerpunkt beim HipHop lag. Zumindest waren sehr viele junge und modisch gekleidete Menschen auf dem Festivalgelände zu sehen. Aber eben insgesamt ein sehr gemischtes Publikum, wobei nirgendwo Spannungen entstanden, man hatte einfach zusammen Spaß. Es gab neben der Haupt- und der Zeltbühne erstmals seit 1998 (das Gurten fand heuer zum 24. Mal statt) wieder die Waldbühne, welche ausschließlich Schweizer Bands vorbehalten war.
Da ich nur am Freitag auf dem Gurten war, konnte ich nur ein Bruchteil der Bands sehen. Der erste Act waren Stress, eine Schweizer HipHop Combo, die mit ihrem Album in der Schweiz auf Platz 1 in die Charts eingestiegen sind. Zu diesem Zeitpunkt schien noch die Sonne und so fanden sich zahlreiche Fans vor der Hauptbühne ein oder lagen unter einem der Sonnenschirme am Hang und verfolgten den Auftritt.
Dann standen schon Nada Surf auf dem Programm. Zum Glück spielten sie im Zelt, denn genau bei „Blonde On Blonde„, mit der Textzeile „cats and dogs are coming down„, setzte der Regen ein. Sintflutartig. Aber das tat der großartigen Stimmung keinen Abbruch. Eigentlich passt diese Band besser in einen kleinen verrauchten Club als auf ein Festival. Aber dieser Auftritt war mit Abstand der Beste, den ich von den Dreien auf einem Festival gesehen habe. Und das wurde auch dankbar vom Publikum angenommen. Gespielt wurden auch zwei ganz neue Songs, die aber gegenüber den älteren verblassten und wohl keine echten Rückschlüsse auf das nächste Album zulassen. Ansonsten lag der Schwerpunkt aber eindeutig auf dem „let go„-Album. Ein sehr toller und sympathischer Auftritt und nicht nur mein Highlight des Tages.
Um zur Hauptbühne zu gelangen, wo schon die Beatsteaks spielten, musste man sich durch Regen und Menschenmassen kämpfen. Aber man wurde belohnt. Man kann vom neuen Album der Beatsteaks halten was man will, ihre Livequalitäten sind zweifelsohne noch vorhanden. Und so wurde kräftig gegen den Regen angespielt, wobei Sänger Arnim auch den direkten Kontakt zum Publikum nicht scheute und bei seiner Rückkehr auf die Bühne nur feststelle: „Man, hier is ett ja trocken.“. Irgendwann ließ der Regen dann tatsächlich nach und die Masse an hüpfenden Regenschirmen vor der Bühne verwandelte sich in ein Meer aus Nebelschwaden. Und zum Abschluss gab es noch einen Regenbogen, was will man mehr.
Kurz vor Mitternacht nahmen Lunik ihr Publikum dann mit auf eine Reise in eine andere Welt. Wem bei Lunik nur der Gedanke an russische Raumsonden kommt, dem sei gesagt, Lunik sind eine Band aus Bern. In der Schweiz sehr erfolgreich, ihr aktuelles Album erreichte Platin in der Schweiz, in Deutschland und Österreich leider noch zu wenig bekannt. Während die ersten Alben noch dem TripHop zuzuordnen waren, spielt man heute sehr feine Popmusik mit wundervollen, anspruchsvollen Texten, über Liebe, Leben, Freundschaft, menschliche Abgründe usw., in denen jeder etwas finden kann. Alles umrahmt und getragen von der feengleichen und berührenden Stimme Jaëls. Und diese Band entwickelt sich immer weiter. So werden dann auch ganz alte Songs immer wieder in einem neuen Gewand präsentiert. Und so reisten Band und ihr Publikum mit Hilfe der Musik durch die menschliche Psyche, durch die Schwierigkeiten der zwischenmenschlichen Beziehungen und sogar raus in das Weltall. Eine Reise die so faszinierend war, dass sie leider viel zu schnell verging.
Wer dann noch Kraft und Lust hatte, konnte bis weit nach 3 Uhr mit 2raumwohnung tanzen. Diese boten trotz der späten Stunde eine richtige Energieleistung, wie aber auch die knapp 20 besten Freundinnen aus dem Publikum, die man zum Tanzen auf die Bühne holte.
Einige Impressionen:
Text & Fotos von Danny Brodowski
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