Das ehrwürdige Bielefelder Forum öffnet seine Tore an diesem Abend für zwei sehr spezielle Bands. Die einen genießen ihr Heimspiel in vollen Zügen. Die anderen sind gute alte Bekannte und haben bereits viele Freunde gefunden in „der Stadt die es eigentlich gar nicht gibt“. Den Soundtrack zum Entschwinden liefern sie jedenfalls beide. Die Rede ist von The von Duesz und der schwedischen Band Ef.
The von Duesz machen an diesem Abend richtig Freude. Von Anfang an sitzt der Beat an der richten Stelle und erste Zuschauer lassen sich zu anerkennendem Nicken hinreissen. Und das ist auch angebracht. The von Duesz stammen aus Bielefeld und sind schließlich so etwas wie ein „Eigengewächs“. Die Band versteht sich bestens auf ihre Elektro-Dancefloor-Kutsche. Während Schlagzeuger Florian Schäffer einen immerwährend satten Punch vorgibt machen es sich seine Mitstreiter Henning Rice (Synthies) und Ismail Özgentürk (irgendwie alles und überall) auf dem Beat-Teppich gemütlich. Das Ergebnis ist herrlich tanzbar, ab und an psychedelisch und vor allem experimentell, wofür sich vor allem Soundtüftler Ismail verantwortlich zeichnet. Der Mann ist wie einer dieser Jahrmarkts-Zauberer (nur viel besser), die einen kleinen Koffer im Gepäck haben und immer neue Wunderlichkeiten daraus hervorholen. Bei The von Duesz beginnt alles mit einem beseelten Holzblock, bevor weitere Klanghölzer, Kuhglocken, Schellenkranz, Saxophon und eine geloopte Blockflöte (Geht das wirklich? Zuzutrauen wäre es ihnen jedenfalls…) zum Einsatz kommen. Auch eine kurze stimmliche Einlage darf man erleben, jedoch vielmehr im Sinne eines Instruments und stark verfremdet. Aber genau das macht es aus. Die Band vermag es mit ihren Soundkollagen das Zeitgefüge durcheinander zu bringen. Die Songs sind offene Klangkörper, in denen grundsätzliches alles möglich ist und gleichzeitig genießt man als Zuhörer die kurzzeitige Orientierungslosigkeit, die sie unweigerlich provozieren, was auch im Publikum mit immer stärkerem Nicken quittiert wird. Ihr Set mag an einigen Stellen zwar Längen haben, manchmal übertreiben sie es auch mit ihrer Sound-Manipuliererei, aber dafür stimmt die Atmosphäre, das Ohr sucht nach immer neuen Anhaltspunkten, neuen Geräuschen und die Beine werden zum tanzen verleitet.
Bitte weiter zaubern die Herren.
Etwas ausrechenbarer, weil bekannter und schon zum fünften Mal im Bielefelder Forum ist die Gruppe Ef aus Göteborg. Erste Salven aus drei Gitarren, ein Geigenbogen und ein paar Glockenschläge später weiß man, dass sie völlig zu Recht Sigur Ros und Mogwai als ihre größten Einflüsse benennen. Immer wieder erschaffen sie zeitlos schöne Klang-Idylle. Auch sie verzichten weitestgehend auf den Einsatz von Vocals. Und wenn sie denn kommen, sind sie so zurückhaltend, dass sie sich als weiteres kleines Detail in den vielfältigen musikalischen Kontext einreihen. Und der ist bestimmt von dem Wechselspiel aus warmen und weichen Klängen, langen Steigerungsbrücken und obsessiven Ausbrüchen. Und die geraten deftig.
Nicht ganz ohne Stolz blicken die Schweden auf einen sehr-sehr gut gefüllten Zuschauerraum hinab, wo sich langsam Euphorie ausbreitet. Sons Of Ghost ist ein Paradebeispiel für die emotionale Achterbahnfahrt, zu der Ef immer und immer wieder auffordern. Da kommen in nur einem Song ein schmachtendes Piano, eine zarte Ohrwurmmelodie, die Unkontrollierbarkeit eines Traums und ein ohrenbetäubender musikalischer Ausbruch zusammen. Das faszinierende an diesem Abend ist jedoch, dass Ef sich noch steigern können. Hatten sie gerade noch die drei Jungens von The von Duesz auf die Bühne gebeten, um gemeinsam ein furioses Finale abzufackeln, kommen Ef bereits wieder zur Zugabe zurück und legen noch eine Schippe drauf. Irgendwann verschwindet einer der Gitarristen im Publik. Die Band haut sich die Gitarrenhälse um die Ohren und was der Schlagzeuger an diesem Abend runterreisst ist schier überirdisch. Wenn Gewitter eine reinigende Wirkung haben, dann Ef erst Recht.
Als Liebhaber dieser Band muss man den Zwiespalt zwischen ihren Platten, die den reinsten Schönklang verkörpern und mit Streichern und Bläsern noch breiter instrumentiert sind, als es live der Fall ist, und ihren Live-Auftritten, wo jeder Song eine ganze neue Kraft entfaltet, einfach lieben. Manchmal muss man sogar sagen, man muss die (Ur-)Gewalt lieben, die sie entfalten.
Die fünf Schweden entlassen also das Bielefelder Publikum um kurz nach zwölf euphorisiert in die Freiheit. Vor dem Forum schlägt den Leuten die kalte Luft gegen das heiße Stirngewölbe. Überall blickt man in glückliche Gesichter von Menschen, von denen niemand zu bereuen scheint mitten in der Woche hierhergekommen zu sein. Ef´s Triumphzug in Bielefeld geht also weiter.
Zu Hause fühlen sich beide Bands übrigens beim Bielefelder Vinyl-Label Kapitän Platte.