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Bonaparte im Interview

Einige Jahre nach Napoleons Tod sieht sich eine Band dazu berufen, dessen Geschichte weiterzuschreiben. Die Rede ist von Bonaparte! 2006 traf sich ein Haufen verrückter Menschen unterschiedlichster Nationalitäten in Berlin und machte zusammen Musik. Entstanden ist ein demokratisches Kollektiv mit einem Heerführer an der Spitze. Sein Name ist Tobias Jundt, er ist der Sänger und wir trafen uns vor dem Bonaparte Gig in Hamburg mit ihm zu einem tollen Gespräch über Musik, Kultur und die Geschichte mit dem Zirkus.

Ihr spielt ja heute Abend im Uebel&Gefährlich. Wie gefällt euch der Club?

Tobias: Sehr gut! Als wir im Kaiserkeller gespielt haben vor kurzem bin ich auf meiner nächtlichen Hamburg-Erkundungstour zwischen Reeperbahn und Hafen extra noch hier hoch gefahren mit dem Lift und war beeindruckt. Auch als wir heute mit dem Bandbus einfuhren… Ein sehr imposantes Gebäude. Ein wirklich schöner Club, auch von der Größe her. Ich denke das wir heut Abend richtig übel und gefährlich!

Vor zwei Monaten habt ihr ja auch bereits hier in Hamburg gespielt, wie du schon sagtest. Das war ja im Rahmen des Reeperbahnfestivals. Hat euch das gut gefallen?

Tobias: Insgesamt war es super, ja. Aber die Leute teilweise… Einer hat mir meine Pferdehaarmütze geklaut, von der Bühne! Die haben wir allerdings um 5 Uhr morgens wieder gefunden auf der Reeperbahn. Und zwar auf dem Kopf von dem Kerl! Und zur Strafe musste er dann mit uns feiern kommen.

Jaaaa, das ist sicherlich ganz schlimm…

Tobias: Ja, der hat auch geschrien! Wir dachten ja es wäre eine eigentlich sehr milde Strafe, aber für ihn war es dann schon hart. Irgendwann hat er nur noch gebettelt, ob er jetzt gehen darf…

Die Fernsehsendung Polylux hat eure Musik als Anarcho Trash Punk bezeichnet. Findet ihr das passend?

Tobias: Ich muss sagen, dass ich mit keiner musikalischen Bezeichnung wirklich was anfangen kann. Bei uns schwingen so viele verschiedene Einflüsse mit. Es ist sicher Trash. Und es bringt sicher auch eine punkige Energie mit sich. Aber ob es nun Anarcho ist, das kann ich nicht sagen. Für jeden, der es hört, hat das eine individuelle Anarcho-Note. An sich sind wir ja keine „Anarchie-Band“. Vielleicht bringt es so ein Gefühl mit sich, aber wir machen nur das, was uns Spaß macht. Unsere Musik hat natürlich eine Aussage, aber es ist ja nicht so, dass wir jetzt tatsächlich mit Steinen werfen, oder so. Wir sind ja eigentlich eine friedliche Gruppierung!

Du sagtest ja, du bist gegen musikalische Bezeichnungen. Also gibt es auch keine, die du selber der Musik auf den Hut schreiben würdest?

Tobias: Es ist einfach schwierig. Wenn es jemanden gibt, der Bluesmusik macht, wie Johnny Hooker, dann kannst du sagen: ‚Oh, das ist Blues!‘. Und wenn du es mit einer Jazzband zu tun hast, die Bebop spielt, dann kannst du sagen: ‚Ey, Bebop!‘. Und bei uns kann man das so schwer festlegen. Wenn man sagt es ist Pop, dann ist es genau so falsch, als wenn du sagst wir spielen Rock oder Punk. Und deswegen mogel ich mich um die Frage immer mit so unwirklichen Stilen herum. Ich sage ‚Attention Deficit Disorder Music‘ oder was in der Art. Das bringt es mit Sicherheit nicht auf den Punkt, aber macht Lust auf die Musik.

Ihr heißt ja Bonaparte. Warum habt ihr euch nicht gleich Napoleon genannt?

Tobias: Napoleon hätte ich die Band nie genannt. Es ist ja so, dass Bonaparte ein Familienname ist, da gibt es ja ganz viele von, auch heute noch. Und das wir die Band so nannten, rührt daher, dass die Mutter einer Freundin eines Bandmitglieds mich zum ersten Mal sah und direkt sagte: ‚Och, ein kleiner Napoleon‘. Aber da gab es die Band noch gar nicht. Und als ich dann so durch Europa fuhr auf meinen Zigeunerreisen hab ich immer auf Landkarten geschaut, wo ich längs fahren will und hab zu der Zeit auch angefangen, Songs zu schreiben. Und da ich die Bezeichnung der Mutter immer im Kopf hatte, hat sich das dann irgendwann so ergeben, dass die Songs unter dem Namen Bonaparte laufen müssen. Hinzu kommt, dass das ja ein sehr vielfach interpretierbarer Name ist.

[Im Hintergrund zieht sich ein Bandmitglied für die Show um, inklusive Pandabärenkopf.]

Na, das sieht doch super aus!

Tobias: Jaa, schon, aber … [ruft rüber] Sieht nicht schlecht aus, aber Hose ausziehen! Zieh mal die Hose aus und die Jacke, du wirst sonst sterben da oben! Das sind gefühlte 50°!

Wie seid ihr denn eigentlich auf die Idee mit dem Zirkus gekommen?

Tobias: Es ist ja kein Zirkus im eigentlichen Sinne. Aber es ähnelt dem halt schon, mit dem Witz, der Ironie, den Tränen und der Freude auf der Bühne. Tiere und Pferdescheiße – Alles, was bei uns ist, gibt es im Zirkus halt auch. Und bei manchen Konzerten hab ich eben auch viele Freunde eingeladen, die dann kein Instrument spielen, sonst nur so auf der Bühne rumalbern. Und ab einem gewissen Punkt musste ich dann unterscheiden zwischen Solo-Shows, Band-Shows und Zirkus-Shows. Und die Sache mit dem Zirkus gefällt uns inzwischen so gut, dass wir versuchen, das nur noch so zu machen. Aber 8 Leute auf der Straße zu halten ist ab und an auch ein logistisches Unterfangen…

Fahrt ihr alle in einem Bus?

Tobias: Ja… Sozusagen der Zirkuswagen!

Wie lange braucht ihr vor so einer Zirkus-Show, bis alle verkleidet sind?

Tobias: Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal fängt man 15 Minuten führt an, manchmal 1 1/2 Stunden. Kommt drauf an, ob man was Neues ausprobieren will. Aber die Tänzer müssen immer früher anfangen, weil die sich auch noch ausdenken müssen, was sie machen wollen an dem Abend. Die können ja machen, was sie wollen! Und wenn ein Tänzer sich denkt, dass er auf der Bühne 20 Unterhosen ausziehen will, dann muss er erstmal die 20 Unterhosen auswählen, die er dann anzieht und auf der Bühne wieder auszieht. Oder wenn man sich auffällig schminken möchte, dann kann das auch schon Zeit kosten. Oder wenn der gestreifte Typ nicht zu faul ist, sich auch mal sein Gesicht anzumalen, dann braucht er auch schon recht lange, um das zu „streifen“. Mein Kostüm hingegen geht immer schnell, ich bin ja ein simpler Charakter.

Ihr habt ja, wenn ich das richtig gesehen hab, auf eurer Myspace-Seite sogar Plätze verlost, für Leute, die mit euch auf der Bühne tanzen wollen.

Tobias: Das haben wir ja auch früher schon gerne gemacht, dass wir einfach Leute vor dem Konzert gefragt haben, ob die nicht mit auf der Bühne tanzen wollen. Und heute Abend sind Leute von ligx.de hier, da müssen wir den Filmer, der mit uns auf der Bühne ist, natürlich verkleiden!

[Besagter Filmer versucht sich im Hintergrund in ein Kostüm zu schlängeln]

Tobias: Ich seh grad, ich glaub der braucht Hilfe. [ruft zu seinen Bandkollegen] I think he needs help!

Als was hast du dich früher an Karneval verkleidet?

Tobias: Ich mochte Karneval nie wirklich. Einmal hat mein Vater mich geschminkt. Da hat er extra Farbe eingeschmolzen und meinen Kopf als Leinwand benutzt. Da hat er dann stundenlang so gemalt und ich ging zum Karneval als lebendiges Kunstwerk. Das war also so Body-Painting-esque. Ansonsten hab ich kaum Karneval gefeiert. Man muss aber auch dazu sagen, dass ich große Menschenmassen überhaupt nicht mag, sowas macht mir Angst. Deshalb steh ich auch auf der Bühne und nicht davor. Ich würde n-i-e ein Konzert in der Menge angucken, nie. Ich guck entweder vom Seitenrand zu oder bleib gleich zu Hause.

Ihr verkauft in dem Shop auf eurer Homepage ja auch die Mützen, die ihr auf der Bühne tragt. Macht ihr die selbst?

Tobias: Ja, wir arbeiten da mit einer Schneiderin aus Berlin Friedrichshain zusammen. Ich finde die Idee sehr schön, dass in unserem Kollektiv auch Leute involviert sein können, die nicht auf der Bühne stehen. Ob es nun Grafisches ist, oder T-Shirt-Siebdruck, oder eben diese Mützen. Es können alle etwas beitragen. Und ich finde es toll, wenn hinter Bonaparte mehr steckt als „nur“ Musik. Eine von uns hat gestern auch damit begonnen, ihren panamischen Schmuck, den sie selber macht, am Merchandise-Stand mit zu verkaufen. Und eine Kette hat sie tatsächlich auch verkauft und sowas find ich super. Das hat zwar mit Bonaparte direkt nichts zu tun. Aber da sie ein Charakter auf der Bühne ist, kann sie auch gerne das verkaufen, was sie macht. Das Merchandise soll ja auch das Umfeld widerspiegeln. Und wir tragen die Mützen ja schließlich auch! Aber meine ist aus echtem Pferdehaar, die gibt’s ganz sicher nicht!

Ich dachte schon ihr tragt die zuerst auf der Bühne und verkauft sie danach!

Tobias: Wäre mal eine Idee! Auf Ebay: ‚Bonaparte Mütze mit echtem Schweiß‘.

[Der besagte Kameramann hat sich inzwischen für ein Outfit entschieden]

Tobias: Jaa, now you’re talking, super! Aber nackt darunter, bitte.

Ist äußerst hübsch, ja.

Tobias: Das ist aus Hamburg übrigens, das Kostüm. Das hatten wir im Kaiserkeller gefunden!

Was hat euch an der Stadt Berlin fasziniert, dass ihr da hingezogen seid?

Tobias: Jeder von uns hat eine eigene Geschichte, warum er da gestrandet ist.

Und in deinem Fall?

Tobias: Ich fand Berlin eigentlich scheiße. Aber das hat sich dann eben ergeben. So wie sich alles in dieser Band irgendwie irgendwann ergeben hat. Ich glaub das Tolle an Berlin für mich war die Erkenntnis, dass ich da einen Platz gefunden hab, an dem ich häufig live spielen kann. Als ich noch in Spanien lebte und versucht hab, da meine Zelte aufzuschlagen, musste ich feststellen, dass es da nicht geht, dass ich da nicht so oft auftreten kann, wie ich will. Und in Berlin kannst du echt die ganze Zeit spielen. 4mal am Wochenende oder 4mal pro Nacht, wie auch immer. Es ist verrückt! Und das ähnelt dann auch wieder diesem Zirkusmotiv. Die Menschen, die in einem Zirkus sind, die haben ihr Leben dem verschrieben, ziehen umher und bleiben diesem Zirkus treu. Und so ist es mit Bonaparte auch. Das ist Hingabe mit Fleisch und Blut. Aber jeder hat eine andere Geschichte. Einer von uns ist zum Beispiel vor zwei Wochen erst nach Berlin gezogen, andere sind schon länger da und wir haben uns in der Stadt kennengelernt . Manche Leute lernen wir auf Tour kennen, die dann nur eine Zeit lang mit uns nach Berlin kommen und wieder gehen.

Die Bar 25 hat ja auch Spuren bei euch hinterlassen, oder?

Tobias: Die Frage ist, ob sie bei uns oder doch wir bei ihr. Das war am Anfang ein sehr gutes Umfeld, um live spielen zu können, ohne, dass klar war, was es bei uns überhaupt gibt. Ich denke mal rein technisch gesehen waren die Gigs in der Bar 25 nie gut, weil der Sound da immer scheiße war, da die Anlagen eher auf DJs ausgerichtet sind. Aber ich denke auf mein Songwriting hat die Bar schon starke Auswirkungen gehabt. Die Geschichten, die in diesem Feier-Umfeld entstehen. Die Bar war insgesamt also schon von Bedeutung für die Entwicklung der Band, speziell zu Beginn eben. Der allerallerallererste Bonaparte-Gig war in der Bar! Die bieten einem eben diese Plattform, Dinge auszuprobieren. So wie wir auch eine Plattform sein können, um Dinge auszuprobieren. Und in der Bar 25 wird man auch echt immer nett bekocht!

Aber die Bar droht ja nun zu schließen

Tobias: Ja, genau. Obwohl man es ja nicht genau weiß, gibt ja inzwischen Gerüchte, dass eventuell doch nicht. Aber wir waren eh kaum noch dort, weil wir die ganze Zeit irgendwo auf Tour sind. Ich schätze das aber sehr, was die Leute dort auf die Beine stellen und mit der Idee bin ich echt eng verbunden. Aber selbst schauen wir da kaum noch vorbei, da wir inzwischen eine eigene „Feiergemeinschaft“ haben, der Zirkus ist unser Zuhause…

Das Debütalbum „Too Much“ ist ja nun auch schon eine ganze Weile draußen, gibt es schon neue Songs?

Tobias: Ja, das sind schon einige geschrieben, ich komm nur nicht dazu, die aufzunehmen. Aber man kann schon sagen, dass das alles ziemlich „fleischig“ wird! Ich hoffe, dass das zweite Album weniger theoretisch wird. Es wird mehr Tiere und mehr Esswaren geben! Aber wie gesagt, ich weiß gar nicht, wann man irgendwas aufnehmen könnte, weil wir auch das nächste Jahr wieder die ganze Zeit am Spielen sind. Ich seh es schon kommen, dass ich wahrscheinlich an Weihnachten da sitze, um einen Song aufzunehmen. Beim Debütalbum war es ja so, dass ich selbst Songs geschrieben habe, bevor ich überhaupt die Menschen kennenlernte, die nun mit in der Band sind. Also ist es logisch, dass die Songs noch ganz anders klingen als das, was man jetzt machen kann. Wenn wir live auftreten, herrscht da ja eine ganze Menge Energie! Und das Debütalbum ist sozusagen nur die Idee von dem, was auf der Bühne passiert. Es ist also Schwachsinn, wenn Leute behaupten, das Album würde nach der Band klingen, denn in dem Moment, als ich die Songs geschrieben hab, wusste ich noch nicht, wie es sich anfühlt, wenn 1000 Tollwütige vor dir stehen, ‚Attacke‘ schreien und tanzen, als gäb’s kein Morgen mehr! Es entwickelt sich eben alles. Es beeinflusst dich. Die Band klingt inzwischen ganz anders als das Album.

Eine letzte Frage: Who took the yellow little pill?

Tobias: Wir haben gerade ein Video dazu gedreht diese Woche. Da wird genau darüber spekuliert. Und der Antwort zu der Frage wird man dann näher kommen, wenn man das Video sieht! Oder auch nicht, je nach Schnitt. Die Frage ist ja auch: Was ist das überhaupt für eine Pille? Und wer sie genommen hat ist die große Frage, Abend für Abend. Und jeder von uns beschuldigt den anderen, sie genommen zu haben. Deswegen sind wir eigentlich noch zusammen, weil jeder von uns auf das Geständnis des anderen wartet.

Ein schöner Schluss-Satz. Vielen Dank!

Tobias: Danke!


Fotos von dem Konzert am Abend gibt es hier.

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