Christiane Rösinger singt bei der Berliner Band Britta und schreibt dort auch die Texte. Wer die Musik kennt, der weiß, mit was für großartigen Texten man es dort zu tun hat: Selten werden die verschiedenen Seiten des Lebens so messerscharf betrachtet und bewertet. Jetzt bringt diese Frau also ihren ersten Roman auf den Markt und man ist dementsprechend gespannt. Buchtitel und -cover gleichen dem letzten Britta-Album 1:1. Und auch inhaltlich bezieht sich „Das schöne Leben“ auf Christianes Erlebnisse in der Band. Doch nicht nur. Von der Kindheit bis zum „Jetzt“ darf man diesen Roman als biografisch ansehen. Aber eines ist sicher: Selten habe ich beim Lesen einer Biographie so häufig grinsen müssen!
Hier zuerst mal ein Zitat aus einem Lied von Britta, einfach so, damit man davon einen Eindruck hat:
„Du fragtest mich: ‚Wie war dein Jahr?‘ Und ich konnte nicht sagen, dass es so besonders war.
Es war schon besser und es war schon schlimmer und du sagtest: ‚Irgendwas ist immer.‘
Ich kam vom Winterschlaf in die Frühjahrsmüdigkeit, von der Frühjahrsmüdigkeit ins Sommerloch.
Ich kam vom Sommerloch in die Herbsttraurigkeit, in den Winterschlaf.
Und zwischendurch gabs immer wieder mal Momente, die waren gut.“
Den intelligenten Wortwitz, in welchen Christiane schon ihre Texten bei Britta verpackt, den findet man auch im Roman en masse wieder. Und das war beruhigend, das zu merken. Wortspiele, Ironie, nüchterne (und auch betrunkene) Alltagsbetrachtungen und ein Humor, der sich gewaschen hat. Mich hat das beim Lesen teilweise schon an Max Goldt erinnert, oder an Heinz Strunk.
Selbst Rocko Schamoni sagt dazu:
„Bei Christiane Rösinger sind die Wörter zu Hause.“
Und das ist gewiss keine Übertreibung. Mir fällt es schwer, einen speziellen Part rauszupicken, aber exemplarisch hier ein Auszug aus einem der Kapitel über ihre Kindheit:
„Sowieso dezimierte sich die Zahl [unserer] Katzen ständig, weil die gut befahrene B 36 am Haus vorbeiführte. Minnie, der kluge Wehner, schaute zwar mehrmals rechts und links, bevor sie die Straße überquerte, aber viele ihrer Artgenossen schafften es nicht. Da sah man dann oft ein vertrautes Stück Fell, manchmal schon ganz in den Asphalt eingearbeitet, auf der Straße liegen.“
Und dann geht es weiter im Text. Einfach mal ganz trocken und nebenbei so einen Satz rausgehauen, der manchem Tierschutz-Verfechter sicherlich das Herz in die Hose rutschen lässt.
Doch reißen wir die ganze Geschichte kurz an: Christiane Rösinger wurde im badischen Rastatt geboren, durchlebte eine stereotypische Bauernhofkindheit in Badem-Württemberg, gibt sich mit den anderen Kindern dort zufrieden und schlägt sich auch mehr schlecht als recht in Hügelsheim durch ihre Jugend, spürte aber schon immer die Sehnsucht nach der Großstadt, zieht 1985 endlich – mit allen Höhen und Tiefen, die es mit sich bringt, – nach Berlin und lebt dort bis heute. Dabei behandelt etwa 1/3 des Romans ihre Kindheit und Jugend, der Rest ihr Leben in „Rock me crazy“ Berlin.
Und in all diesen Phasen wird immer wieder Bezug auf die Musik genommen – indirekt. Es werden einfach Sachen erläutert, die man auch in den Lyrics von Britta wiederfindet. Wer die Musik nicht kennt, der wird dieses Buch als eine ganz normale Geschichte lesen und sich trotzdem an dem Humor erfreuen können, aber so wird das Ganze doch noch auf eine andere Ebene gehoben. Nennen wir mal ein paar Beispiele: Zwei Lieder von Britta heißen „Ho Chi Minh“ und „Ex Und Pop“. Was man in der Musik einfach so hingenommen hat,
bekommt jetzt eine viel tiefgehendere Beduetung. Am Anfang vom Lied „Ho Chi Minh“ hört man im Hintergrund eine Tür knartschen und jemanden loslaufen. Wenn man jetzt erfährt, dass Christiane als Kind jeden Abend, wenn die Sonne unterging, als Ritual – und ohne, dass ihre Eltern davon wussten, – mit dem Rad zu einem Hügel fuhr, dort die Sonne untergehen sah und dann der Sonne „Ho-, Ho-, Ho Chi Minh“ vor sich hinsang, dann wird dieses kleine Geräusch direkt mit Geschichte gefüllt. Ein anderes Beispiel wäre das Lied „Ex Und Pop“. Vom Hörer vorerst als normales Lied über eine Kneipe in Berlin aufgefasst, so weiß man nach dem Lesen dieser Lektüre, wie wichtig diese Kneipe für Christiane und auch für die Band Britta war. Manchmal sind es sogar nur einzelne Sätze oder Wörter, die im Bezug auf die Musik den großen Groschen fallen lassen.
Man kann aus diesem Buch wirklich viel mitnehmen. Für Hörer der Band Britta sowieso eine Pflichtlektüre, will man die Musik noch besser verstehen und lieben lernen. Aber allgemein: Wer den Wunsch vom Dorfkind nach der Großstadt, das resultierende Leben da draußen, das Leben vor, hinter und neben der Bar, das ganze Ausgehwesen, Musikbusiness, das schöne Leben zwischen Champagner, Tanz und Kokain, Posttourdepressionen, prekarisiertes Dasein und die Stadt Berlin verstehen will, der wird sich beim Lesen dieser Lektüre aufgehoben fühlen. Und das dann sogar noch unterhaltsam geschrieben. Wir leben hoch in unserem Niedergang. Und stehen wieder auf. Irgendwas ist ja schließlich immer. Ein wirklich fantastisches Buch.
Danke, Frau Britta!
VÖ: „Das schöne Leben“ ist seit 11.03. bei Fischer Verlage erhältlich.
Auf Lesetour ist Christiane mit ihrem Roman ebenfalls. Die Termine dafür gibt es hier.