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Open Flair 2008 – Ein Rückblick

Boy Hits CarDa ist es also schon wieder vorbei: das Open Flair 2008 gehört der Geschichte an. Da freut man sich monatelang auf dieses eine Wochenende, fiebert mit und checkt schon Wochen im vorraus den Wetterbericht und dann ist es einfach vorbei. Rund 14.000 Besucher wurden am Samstagabend auf dem Werdchen gesichtet, so viele wie zuletzt 2006 als Die Toten Hosen in Eschwege zu Gast waren. Und auch sonst können die Veranstalter mit ihrem Baby voll und ganz zufrieden sein.

Das Open Flair präsentierte in diesem Jahr Bands aus allen Spektren: Da waren Kettcar, The Courteeners, The Hives oder Moneybrother für die Indie-Fraktion, Anti Flag, Danko Jones und Turbostaat für die, die es etwas härter lieben, sowie für die Kopfnicker Culcha Candela, Fettes Brot und Die Fantastischen Vier. Eine größere Zielgruppe kann man kaum abdecken. Gut, für manche Menschen mag das auch ein Nachteil sein, dass sich das Festival nicht auf eine spezielle Gruppe festlegt, das Open Flair sieht es ganz klar als Vorteil und setzt es auch dementsprechend um.

Freitag
Es begann wie fast jedes Open Flair in den vergangenen Jahren: mit Regen! Aber der Wettergott hatte am frühen Abend ein einsehen und schenkte den Besuchern dafür einen kitschig schönen Regenbogen über dem Festivalgelände. Kettcar waren das erste Highlight des Festivals, gefolgt von Culcha Candela, die viele kreischenden Teenager in die ersten Reihe lockten. Die Show war nicht nur farbenfroh anzusehen, die Multi Kulti-Truppe spielte eine angenehme Mischung aus alten Stücken und neuen Hits und vergaßen nicht, das Publikum gut zu unterhalten. Itchy Poopzkid brachten ebenfalls viele Fans mit, die das Trio in der ersten Dunkelheit feierten. Das Run DMC Cover war nett, zum Rest schreibe ich besser nichts. Höhepunkt war danach der Auftritt von The Hives, energetisch und abgedreht sprang Sänger Pelle Almqvist von der einen Bühnenseite auf die andere. Schon beim zweiten Song „Walk Idiot Walk“ war das Publikum auf der Seite der Schweden. Das sind echte, posende Rockstars!

Samstag oder: der große Tag des Überraschungsheadliner



Im vergangenen Dezember berichtete die Eschweger Tageszeitung Werra Rundschau bereits darüber, dass Die Ärzte für das Open Flair verpflichtet werden konnten, deshalb war es eigentlich ein offenes Geheimnis, wer der Überraschungsheadliner sein würde. Die Ärzte spielten in Eschwege zu günstigeren Konditionen wie üblich, aus diesen Gründen durfte das Festival aber auch nicht mit ihrem Namen werben und die Band erst ein paar Tage vorher offiziell bekannt geben. Rund 14.000 Besucher waren am Samstagabend auf dem Werdchen um die ‚Beste Band der Welt‘ live zu sehen. Für die Veranstalter ein Erfolg auf der ganzen Linie!
Da Die Ärzte nicht gerne in Onlinemedien auftauchen, durften viele Pressevertreter nicht zum Fotografieren in den Graben (wir eingeschlossen), nur Printmedien bekamen eine Sondergenehmigung. Aber rund um die drei Berliner passierten noch mehrere lustige Geschichten, die einem vermitteln: Die Ärzte sind Punkrock pur! Und vor allem: total Publikumsnah! So verwehrten Bela, Farin und Rod jegliche Autogramm- oder Fotowünsche und wurden per Shuttlebus die rund 20 Meter vom Backstage der Hauptbühne zur Freibühne gefahren, um sich dort Blackmail anzuschauen, vom extra Klo wollen wir hier gar nicht erst anfangen. Auch erteilten Die Ärzte den Veranstaltern besondere Auflagen für den Festival-Samstag. Folgendes Gespräch gab es am Samstag während des Einlass‘ mit den Securities öfters:
Security: „Du musst Deinen Nietengürtel ausziehen und hier abgeben“
Besucher: „Wieso das denn? Gestern war ich doch auch mit dem drin?“
Security: „Ja morgen darfst Du auch wieder mit dem rein, aber heute spielen Die Ärzte“.
Eine dieser Auflagen war: Keine Nieten auf dem Festivalgelände. Die Stände durften deshalb an diesem Tag auch keine Nietengürtel, Arm- oder Halsbänder verkaufen und bedankten sich mit netten Schildern bei der Band. Ebenfalls wurde die Security angewiesen, bei Tetrapacks die Deckel abzuschrauben, damit die Getränke nicht als Wurfgeschoss dienen konnten. Durch diese ganzen erzwungenen Kontrollen verzögerte sich der Einlass teilweise massiv. Klar ist das ein wahrlich großer Erfolg für das Open Flair, Die Ärzte verpflichten zu können und nach Eschwege zu holen, aber manches lässt einen einfach nur kopfschüttelnd zurück und deshalb verzichten wir an dieser Stelle auch auf weitere Ausführungen über das Konzert der ‚Besten Band der Welt‚ [sic!].
Man beachte hierzu bitte auch die Gegendarstellung des Veranstalters am Ende des Artikels!

Dagegen sollte man die Bodenständigkeit und Freundlichkeit der anderen Bands erwähnen, zum Beispiel der Donots. Die fünf Jungs aus Ibbenbühren nahmen sich am Samstagnachmittag alle Zeit der Welt für ihre Fans, schrieben Autogramme, erfüllten Fotowünsche und hatten sichtlich Spaß am Kontakt. Die Donots wurden ebenfalls ‚Opfer‘ der Ärzte, ihnen wurde förmlich der Strom abgedreht, denn pünktlich um 22 Uhr sollte deren Show auf der Hauptbühne beginnen. Ihr letztes Stück „Goodbye Routine“ wurde deshalb leicht gehetzt vorgetragen und nicht mit der gleichen Inbrunst wie sonst üblich. Vorher lieferten die Donots eine perfekte Show, die einfach nur Spaß machte.
Eine echte Überraschung waren am Nachmittag The Courteeners aus Manchester. In England waren sie bereits Nummer vier in den Charts und auf dem Titel des NME, in Deutschland sind sie dagegen noch recht unbekannt. Vor der Freibühne versammelten sich aber doch einige Besucher, die richtig viel Spaß mit der britpoppigen Musik hatten und das Tanzbein schwangen. Die Band war sichtlich über den Zuspruch erfreut und plauderte munter von der Bühne mit den Gästen. Auch Blackmail begeisterten in vollem Umfang mit neuen und alten Songs. Sonst wurden am Samstag eher härtere Töne angeschlagen, Danko Jones und Anti Flag brachten das Publikum vor der Hauptbühne gut zum Abgehen.

Sonntag


Am Sonntag war dann der Normalzustand wiederhergestellt. Die Securities waren freundlich und hatten ein Lächeln im Gesicht und auch der größte Teil der Ärzte-Shirts war verschwunden. Hauptaugenmerk lag am letzten Tag des Festivals auf Hamburg und Stuttgart. Zuerst waren Fettes Brot an der Reihe ihre Live-Qualitäten zu beweisen, was sie auch bestens taten. Die Setlist ähnelte sehr der der YOU FM Night von vor zwei Monaten. Auch diesmal begeisterten die Live-Versionen von Songs wie „Emanuela“ oder „Bettina„; Diese gewinnen durch die Band und vorallem durch die Bläser nochmal enorm! Bereits zum dritten Mal waren die Hamburger in Nordhessen zu Gast und sie erinnerten sich sogar noch an den Running Gag von 2002, wo sie andauernd den Namen Eschwege niesten. Über ihren Auftritt im August 2004 verloren Die Fantastischen Vier kein Wort, sie berichteten vor allem von 1995, als sie das erste Mal auf dem Open Flair spielten und erinnerten sich besonders an die Pilze und eine Kleinkunstperformance mit brennenden Menschen. Musikalisch waren die vier Stuttgarter mit ihrer Liveband wie immer ein Brett. Überraschend war, als die Band während „Pippis und Popos“ plötzlich anfing „Killing in the Name of“ von Rage Against The Machine zu spielen und Smudo den Text mit Helium sang. Bestens zum sonst sehr gitarrenlastigen Festival passte auch der Schweinerock-Remix von „Ernten was wir säen“ mit einem brillanten Gitarrensolo von Markus Birkle. Fettes Brot und Die Fantastischen Vier hintereinander auf einer Bühne, besser kann es eigentlich nicht werden!
Dazwischen gab es dann noch das Open Flair-Debüt von Moneybrother. Schön zu sehen, dass auch Leute nur wegen ihm nach Eschwege gekommen waren. Der Platz vor der Bühne war gut mit tanzenden Menschen gefüllt, die sich über die Schönheit des Auftritts freuten und bei Songs wie „It’s been hurting all the Way with you, Joanna“ oder „Stormy Weather“ ein glückliches Grinsen im Gesicht trugen.

Ein absoluter Pluspunkt in diesem Jahr war, dass fast jede Band eine Stunde spielen durfte, egal wie früh der Auftritt auch war. So konnte man auch kleinere Bands in vollem Umfang genießen. Als einziges Manko könnte man aufführen, dass es in diesem Jahr extrem staubig war, die Wiese vor der Freibühne war mehr ein Sandkasten als alles andere.
Im Großen und Ganzen war es ein sehr schönes, rundum gelungenes Festivalwochenende mit entspannten Menschen und Bands, bei denen wirklich für jeden etwas dabei war. Vielleicht ist das folgende eher eine subjektive Empfindung, aber es kam mir so vor, als ob der Altersdurchschnitt in diesem Jahr im vergleich zum vergangenen wieder angestiegen ist, was sehr angenehm war.
Im nächsten Jahr heißt es dann: 25 Jahre Open Flair, wir sind gespannt, welches Line Up uns zum großen Jubiläum erwarten wird!

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Edit:
Auf unseren Bericht vom Open Flair 2008 und den darin enthaltenen Einlassungen rund um den Auftritt von Die Ärzte hat der Veranstalter mit folgender Gegendarstellung reagiert:

Ein Verbot von Nietengürteln ist nicht von Künstlerseite, sondern vom Veranstalter für die gesamte Dauer des Festivals erteilt worden und ist bei Konzerten, bei denen vor der Bühne mit ausgelassenem Vollkörperkontakt zu rechnen ist, absolut notwendig. Das Verbot dient dem Schutz der Besucher, NICHT der Band. Genauso unwahr ist, dass von Künstlerseite Auflagen erteilt wurden, die Schraubverschlüsse von Tetrapaks zu entfernen. Die Kontrolle sämtlicher mitgeführter Gegenstände ist Pflicht. Es ist ein versicherungsrechtlicher Unterschied, ob ein Wurfgeschoss die Eingangskontrolle passiert hat, oder ob man nach der Kontrolle einen Stein aufhebt und damit wirft. Auch hier gilt: Der Veranstalter und die bestehende Gesetzgebung regeln das, nicht eine Band oder deren Security! Entsprechende gesetzliche Vorgaben finden sich in der Versammlungsstättenverordnung.

Die Tatsache, dass sich Bela B. gerne eine andere Band und auch das Kleinkunstzelt ansehen wollte, zeugt von seinem Interesse an der Veranstaltung und beweist uns damit nicht zuletzt seine beibehaltene „Bodenständigkeit“. Auch hier ist der Veranstalter seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen und hat den Künstler geshuttlet. Alles andere wäre aus Sicherheitsgründen völlig unverantwortlich gewesen – der Künstler selbst bedauert diesen Umstand am meisten. Hier unterschwellig fehlende „Bodenständigkeit und
Freundlichkeit“ zu unterstellen, ist unsachgemäß beurteilt, unfair und schlichtweg falsch.

Richtig ist die Feststellung, dass das Festival ein voller Erfolg war! Diese Tatsache verdankt der Veranstalter im Wesentlichen der großen Kooperationsbereitschaft der „besten Band der Welt“ und ihrem Umfeld.

1 comments

  1. Andrea Peters says:

    Die Tage waren echt toll aber warum schreibt ihr nichts über die noch nicht große Band „Not called jinx“ aus Berlin. Die waren echt klasse und leider durfte die nicht eine Stunde lang spielen.

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