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No Musical Masturbation

The Dillinger Escape Plan haben durch ihre noisig-technische Spielweise
Maßstäbe im modernen Extrem-Metal gesetzt. Fünf Jahre nach ihrem letzten regulären
Studioalbum "Calculating Infinity" meldet sich das Quintett aus New Jersey mit
"Miss Machine" zurück. – Einem Album, das weit weniger als seine Vorgänger Extreme
auslotet und schon fast im umgekehrten Sinne außergewöhnlich ist – nämlich auffallend
zugänglich. Am Telefon beantwortet Liam Wilson, Bassist der Band, gut gelaunt
und offen die Fragen nach der neuen Ausrichtung, oftmals selbst nach passenden
Worten ringend, welche die Intention hinter "Miss Machine" einem Außenstehenden
halbwegs vermitteln können. Lest und entscheidet selbst, ob dies hinreichend
funktioniert hat.

<p><b>Als erstes würde ich gerne wissen, ob Ihr Spaß beim Rock-Im-Park-Festival
in Deutschland hattet?</b> </p>
<p>Definitiv. Wir sind spät angekommen und waren ziemlich in Eile, aber wir hatten
auf jeden Fall eine gute Zeit. Es ist ziemlich cool, mit den Red Hot Chili Peppers
zu spielen. </p>
<p><b>Ok, lass uns zum neuen Album kommen. Warum heißt es ?Miss Machine??</b>
</p>
<p>Der Titel bezieht sich auf die Unschärfe zwischen ähmm?. Wie soll ich das erklären.
Es ist, als wenn Du vor Deinem Laptop sitzt und im Internet surfst. Du weißt
nicht genau, wo etwas beginnt und wo es endet und wer da eigentlich wen benutzt.
Also diese Art Antriebsdynamik oder auch Beziehung zwischen Mensch und Maschine,
wenn Du verstehst ? </p>
<p><b>Wird diese Beziehung auch in den Texten aufgegriffen?</b> </p>
<p>Ja, die Texte haben etwas zu tun mit Beziehungen. Das Beste im Leben
kann sich zum Schlechtesten wenden und diejenigen, die man am meisten liebt,
können einen am stärksten verletzen. </p>
<p><b>Was denkst Du hat sich im Vergleich zu Eurem letzten Album ?Calculating
Infinity? oder der Mini-CD mit Mike Patton verändert?</b> </p>
<p>Die Band hat sich entwickelt, wir schreiben andere Songs. Beispielsweise die
jazzigen Breaks oder die dynamischeren Parts oder epischen Teile der Titel.
Wir haben einfach versucht, bessere Songs zu schreiben, die nicht nach musikalischer
Masturbation klingen. </p>
<p><b>Eure älteren Alben hat man in die relativ neue Schublade ?Math-Metal? gepackt,
?Miss Machine? könnte man da ja schon fast als Mainstream bezeichnen??</b> </p>
<p>Nene, wir machen ?Adjective-Rock?. </p>
<p> <b>?Adjective-Rock?? Ok ?</b> </p>
<p>(Lacht) Nein, bitte nimm das nicht ernst, sonst muss ich jede Menge Interviews
deswegen geben ? Dieses ganze Math-Metal-Ding ist nichts, was wir unterschrieben
hätten. In der Schule ist Mathe doch verhasst, also?wie auch immer, was soll
man machen. </p>
<p><b>Was war der Grund dafür, auf dem neuen Album sehr ruhige, melodische und
harmonische Teile und sogar klaren Gesang einzubringen? Teilweise erinnert mich
die Musik auch an Faith No More ? </b></p>
<p>Wir wollten nicht vorhersehbar sein. Wenn wir uns von Bands wie Faith No More
beeinflussen lassen, hat das vielmehr mit ihrer künstlerischen Einstellung und
Herangehensweise zu tun, als mit der Musik oder mit Harmonien selbst. Wenn Du
Dir ein Album wie ?Angel Dust? (Faith No More) anhörst, sind da so viele unterschiedliche
Sachen, die aber doch alle irgendwie zusammenpassen. Wir wollten mit der gleichen
Einstellung an unser Album herangehen: Erwartet alles von uns. Und erwartet
nichts mehr, als das Unerwartete. Bands wie Slayer sind offensichtlich die Chefs
in dem, was sie tun, und haben auch Einfluss auf uns, aber sie sind festgefahren
und können nichts anderes mehr machen, als sie die letzten zwanzig Jahre gemacht
haben. Das haben wir nicht vor. Zudem war es eine recht natürliche Entwicklung,
nichts geschah zu sehr in der Absicht, gezielt etwas anders machen zu wollen.
Wir haben versucht, eine Platte zu machen, die auch als Ganzes einen gewissen
Fluss und eine bestimmte Dynamik besitzt, nicht nur die Songs einzeln für sich.
</p>
<p><b>Wie waren die Reaktionen auf ?Miss Machine?? Ich kann mir gut vorstellen,
dass die eingefleischten Fans ziemlich verwirrt waren von der neuen Mixtur.</b>
</p>
<p>Das war für uns wirklich komisch, denn die Reaktionen waren ziemlich phantastisch.
Wir hatten durchaus Zweifel, bevor das Album erschienen ist, denn es gibt immer
eine gewisse Unsicherheit, wie es aufgenommen wird, wenn Du ein Stück Kunst
oder ein Album oder etwas in der Hinsicht veröffentlichst. Vor dem Release waren
wir alle schon fast nervös, aber als wir feststellten, wie leicht die Leute
ihren Zugang finden, das war schon klasse. Das Album kann ich meiner Mutter
vorspielen und den Fans, und beide Seiten können etwas damit anfangen. Diese
Scheibe hat einen Groove und ist nicht lediglich, wie bereits erwähnt,
musikalische Masturbation. Wir wollen erreichen, dass die Leute wirklich das
Unerwartete erwarten und kämpfen als Band und Künstler für mehr Freiheit. Ich
denke, wir haben das geschafft, und dabei ist das Album erst seit etwa einer
Woche draußen. </p>
<p><b>Es gibt genügend Bands, die sich genau andersherum entwickelt haben: Vom
eher Gefälligen weg hin zum Aggressiven, Komplizierteren und Rohen.</b> </p>
<p>Stimmt (lacht). Wir hatten aber auch eine Experimentierphase in dieser Hinsicht,
also mehr standartorientiert. Aber mit der Zeit entwickelt man einen persönlichen
Sound an seinem Instrument oder eine persönlicheren Zugang generell zu seiner
Musik. Als das bei uns so war, ist es eine zeitlang in diese Richtung gegangen;
nicht ganz so weit, wie wir hätten gehen können, aber eben so weit, wie wir
gehen wollten. Wir haben uns gesagt, ok, lasst es uns jetzt mehr songorientiert
machen. Lasst uns den technischen Aspekt behalten, lasst uns weiter als Musiker
wachsen. Und ehrlich, manche Songs auf diesem Album sind schwieriger als das,
was wir vorher geschrieben haben. Zudem denke ich, die neuen Sachen haben mehr
Flow und mehr Groove. </p>
<p><b>Euer Song ?Phone Home? klingt extrem nach Nine Inch Nails. War das Absicht?</b></p>
<p>..ähmm? Ich denke, er zeigt unsere Einflüsse ein wenig mehr, als das zuvor
geschehen ist. Aber wir haben nie versucht, so wie Nine Inch Nails zu klingen.
Sie sind ein Einfluss auf unsere Musik, wir haben vor einiger Zeit auch ein
NIN-Cover gemacht. Aber das war einfach der Prozess innerhalb unserer Band,
Technik anders einzusetzen. – Und in dieser Hinsicht mehr Begleiterscheinung als
Produkt oder beabsichtigtes Ergebnis. </p>
<p><b>Nebenbei, kann man Eure Coversongs irgendwo auf Platte kaufen? Ihr habt
ja noch mehr gute Cover gemacht, wie z.B. ?Rebell Yell? von Billy Idol.</b></p>
<p> Ich glaube, der einzige Ort, an dem Du eventuell fündig wirst, ist das Internet.
Wir haben das einmal live bei BBC aufgenommen und auch einige male live gespielt,
ich bin sicher, dass einige das mitgeschnitten haben. </p>
<p><b>Ein weiterer ungewöhnlicher Song ist ?Unretrofied?. Der könnte mit seinem
catchy Refrain glatt von einer Nu-Metal-Band eingespielt worden sein.</b> </p>
<p>Wir haben kein Problem mit dem Etikett; es geht in eine andere Richtung und
wir werden definitiv solcherlei Songs näher ?erkunden?. Wir hatten Spaß dabei,
solche Sachen zu schreiben, denn wir können's? und wir können es sogar besser
als eine ganze Menge Leute, die das machen. Das soll kein Wettbewerb sein oder
so, aber wir wollten einfach belegen, dass wir diese Songs schreiben können.
Wenn Du Dir diesen Song anhörst und dazu Zugang findest, wirst Du Dir die anderen
vielleicht einige Male öfter anhören, bis es ?Klick? macht. Vielleicht ist ?Retrofied?
so etwas wie der Schlüssel zum Rest des Albums.</p>
<p> <b>Eure Cover-Collage passt sehr gut zur Musik des Albums.</b></p>
<p> Der Typ, der das Cover gestaltet hat, ist ein alter Freund von uns, der oft
mit uns getourt ist und uns wirklich von Anfang an kennt. Er versteht uns besser
als jeder andere Künstler und konnte deshalb ein Artwork entwerfen, das so aussieht,
wie wir klingen. Wir wollten etwas Sinnüberladendes, Deformiertes, dabei irgendwie
sexy und mit Elementen, die man wieder erkennt. Aber es hat auch etwas Klinisches,
Sauberes und viele weitere Aspekte. Wir wollten nicht, dass es wie ein Metal-Cover
aussieht, eher etwas Sureales, Dalieskes. </p>
<p><b>Was plant Ihr für die nähere Zukunft?</b> </p>
<p>Wie immer ? wir werden touren und hoffentlich mehr schreiben können. Wir sind
ein wenig ?tourgeschädigt?, zumindest mir geht es so, dass mir das Touren mittlerweile
vertrauter ist als das Leben zu Hause. Wenn ich nach Hause komme, weiß ich eigentlich
gar nichts mit mir anzufangen. Jeder von uns geht absolut in der Band auf; alles
was wir wollen, ist Schreiben und Spielen. Wir sind da im Zwiespalt zwischen
Familie, Beziehung und Freunden und dem anderen. </p>
<p><b>Die letzten Worte ? </b></p>
<p>Vielen Dank für das Interview und für das Interesse der Leute am
Album. Wir wissen, dass es lange gedauert hat, bis es fertig war und ich hoffe,
dass jeder etwas davon hat und so was wie einen Zugang dazu findet. </p>

<a href="https://mainstage.de/mainstage/php/global/v4_index.php?page=reviewdetail&amp;id=1127">Rezension
von "Miss Machine"</a>

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