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a fond farewell – schweigen

cover„xyz would be added as your friend“ – alle die bei myspace sind werden das zur Genüge kennen, und mehr oder weniger schwer genervt reagieren. Oft (oder meistens?) verbirgt sich mal wieder irgendeine Band dahinter…

a fond farewell sind genau eine dieser Bands, sogutwieunbekannt.

manchmal wenn ich spüre,
dass wir unsere eigenen Gefangen sind.
manchmal wenn ich spüre,
dass hier absolut nichts stimmt.
manchmal wenn ich erkenne,
dass ich auch nicht besser bin.

manchmal will ich einfach nur
schreien.

(aus „Schreien“)

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit Tocotronic, einmal gehört dachte ich wohl nur – was ist denn das fürn Kram? Kein Wunder – es war die this boy is tocotronic Single und ich noch viel zu jung für eben jene.

Ebenfalls recht gut erinnere ich mich an meine zweite Begegnung mit den den Tocotronischen. Es war kalt – Januar (wenn ich mich recht entsinne) – und es gab nicht sehr viele Menschen, mit denen ich über das Reden konnte, was mich so bewegte. Ich war mit der Welt im Allgemeinen und mir selbst im Speziellen alles andere als zufrieden oder gar glücklich.

Und dann gab mir jemand die digital ist besser. Und vielleicht nicht alles, aber vieles begann sich zu ändern, ich glaube die einzigen „Indie“ Bands, die ich davor kannte waren Tomte und Kettcar, vielleicht noch die Weakerthans oder Death Cab for Cutie. Mit Tocotronic aber nahm meine Musiksozialisation schließlich ihren (prägenden) Lauf.
Davor dem Punk nicht abgeneigt war mir diese Form von Protest neu, und erfrischend angenehm, in keinem Moment nur flache Platitüden, man fühlte sich verstanden in seiner Frustration.

[inspic=101,right,fullscreen,111]Sicher fragt sich der geneigte Leser mittlerweile, was das denn alles bitte mit a fond farewell zu tun hat, und wer a fond farewell denn bitteschön überhaupt sind??? Thomas(Gesang/Gitarre), Kader(Bass/Gesang) und Benji (Schlagzeug) sind gerademal achtzehn Jahre alt und kommen aus einem kleinen Kaff in Thüringen, nennen als Vorbilder Tagtraum und eben jene eben lang und breit durchgekauten frühen Tocotronic, bennen sich aber nach einem Elliott Smith Song.

Wenn man das so liest, ist eigentlich klar, was man erwartet – mehr oder weniger soliden Punkrock mit mehr oder weniger tief gehenden deutschen Texten. Doch was man hier vorfindet, ist mehr, definitiv mehr. Klar ist das musikalisch irgendwie Punk(rock), dem aber glücklicherweise jegliche Stumpfheit fehlt, ganz im Gegenteil, die Instrumentalisierung wirkt ausgewogen und durchdacht. Vielleicht nicht im besonderen Neues, aber auch keinesfalls ausgelutscht.

Und dieser Gesang, emotional wie ich es seit langem nicht mehr hören dürfte, Wut und Selbstzweifel geben sich die Hand und erzeugen zusammen einen Gegenpol zur Perfektheit und Durchproduzierbarkeit des deutschen Einheits-Pops. Transportiert werden Texte, die in ihrer Ehrlichkeit bis aufs Aüßerste gehen, so dass es fast schon weh tut. Manche mögen ein solches Maß an Direktheit fast schon peinlich finden, doch der Authenzität mit der diese Musik rüber kommt, kann man sich nicht erwehren.

Diese Authenzität erinnert auch ein wenig an die (nicht all zu bekannten) Früchte des Zorns, doch a fond farewell sind jünger, stürmischer, aber auch trauriger, immer bleibt offen auf wen es die Wut zu bündeln gilt – auf die anderen da draussen, die Welt, oder doch wieder auf sich selbst(sich selbst. sich selbst. sich selbst.) Diesem Album wohnt etwas besonderes, energetisches inne, etwas das unweigerlich an die frühen Tocotronic erinnert. Man könnte sagen, das studentische Element fehlt etwas, so sind die Texte immer greifbar, niemals verkopft.

Manchmal wünsch ich mich in einen Ingmar Bergman – Film
Die tiefsten Winkel meiner Seele würden ans Licht kommen
Jemand würde mir die ganze Wahrheit in die Ohren schreien
Nichts wäre gelöst, aber alles frei.

(aus „Im Film“)

[inspic=102,left,fullscreen,111]Ingmar Bergman (-s Filme) wird hier nicht nur erwähnt, sondern auch ausgiebig zitiert. Dies geschieht durch Samples aus „Persona“, die so perfekt in die Produktion eingebettet wurden, das man es erst beim zweiten Hören bemerkt und die vor allem thematisch & inhaltlich wunderbar ergänzend und vertiefend wirken.

Spätestens bei „Nachts im Zug“ knickt man dann ein und kann nur noch denken: Ja, ja verdammt.

„Glauben Sie, ich verstehe Sie nicht?
Ihren hoffnungslosen Traum von der Wahrheit.
Nur Sein, aber nich Schein.
Jeden Augenblick ganz bewusst erleben, wach sein.“

(aus I. Bergmans „Persona“)

Man könnte diese Stelle noch um einiges länger zitieren, sie würde nichts von ihrer Brisanz und Bedeutung verlieren.

All das macht „Schweigen“ zu einem in sich sehr geschlossenes Album (bis auf den einzigen Englischsprachigen Song „now they`re gone“, der mir dann eindeutig zu punk ist), das vor allem eine unglaubliche Sucht erzeugt – Dauerrotation seit drei Wochen! Und schon die (meist mehr schlecht als recht funktionierende) myspace Seite hat mich tagelang den refreshbutton drücken lassen. Ebenfalls reinhören (und das nette Coverdesign bewundern) kann man auf der Homepage.

Falls es noch nicht aufgefallen ist, ich bin nachhaltig begeistert!

VÖ: 9.01. oder so (cd beziehbar über die Band)

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