Frühe Alexisonfire Impressionen zeigen die Band aus Kanada als chaotischen Haufen, der sich an einem sehr typischen Screamo Sound versuchte. Das ihre ersten Erfolge vermutlich unter anderen darauf fußten, dass die fünf übermäßig im Gesicht beharrten Herren auf den in jeder Stadt gern gesehenen Screamo/Emo Zug aufsprangen, räumt die Band dabei genauso ein, wie auch die Tatsache, irgendwann von dem fahrenden Zug abgesprungen zu sein, bevor dieser die Weiche der totalen Irrelevanz erwischte.
Hört man Alexisonfire seit dem Solo Debut von Dallas Green eigentlich anders? Achtet man mehr auf seine Gesangseinsetze, wo sein Projekt City and Colour doch so viel Erfolg und allseitiges Lob einfuhr? Seine zurückgenommene, erdige Musik mit viel Seele. Wie viele Menschen bei einem Alexisonfire Konzert wohl vor allem auf die hymnenhaften Refrains des Gitarristen und Sängers, von denen die Band ja drei in der Gesamtzahl hat, warten? Auf seiner Solo-Tour hatte Green das Stück Boiled Frogs auf seinen wesentlichen Kern reduziert und, freiwillig oder unfreiwillig, bewiesen wieviel Anteil er mit seiner besonderen, hohen und weit ausholenden Stimme am Erfolg von Alexisonfire hat. Im Kollektiv gelang es Green, George Pettit (Vocals), Wade McNeil(Vocals, Gitarre), Chris Steele (Bass) und Jordan Hastings (Drums) sich von Platte zu Platte stetig weiterzuentwickeln. Von Watch Out!, das teilweise mehr mit seinem Comic Artwork begeisterte als mit so manchen Stück, zu Crisis, dass einen dichten Sound hatte und endlich die durchdachten Arrangements aufwies, die Watch Out! dort und drüben noch fehlten. Vor allem die Aufteilung der Gesangsarrangements geriet zum unwiderstehlich Plus, entsprungen Crisis doch waschechte Hits im Postcoremantel.
War der Sprung zwischen Watsch Out! und Crisis also ein sehr großer, ist die Entwicklung zum nächsten Album zunächst einmal nur ein solider Schritt. Soll heißen: Auf altbewährte Alexisonfire Melodien zwischen George Pettits Schreieinlagen, Wade McNeils herzhaft rauer Stimme und Greens Melodien muss niemand verzichten. Dennoch hat die Band offenbar die letzten Prozent dazugewonnen, die bisher den Weg zu einer durch und durch guten Platte versperrten.
Zwischen den Zeilen erahnt man auf Old Crows/Young Cardinals immer wieder die Experimentierfreude und das Feuer der Band. Das lange Touren und das lange bestehen als Band hat aus den Kanadiern bessere Musiker gemacht. Und: Sie sind erwachsener geworden, haben u.a. Familien gegründet und haben Alexisonfire ganz nebenbei auf einen beinahe Kultstatus gehoben.
Wenn Crisis am Ende des Tages ab und an zu glatt wirkte, ist Old Crows/Young Cardinals ihr anspruchsvollstes, raustes Album. Wie clever ist da schon der Albumtitel gewählt, bedenkt man, wie viel Elan Alexisonfire auf Old Crows/Young Cardinals versprühen, obwohl sie auf der einen Seite schon lange im Geschäft sind und zum anderen viele der Bands mit denen sie an die Oberfläche traten, längst wieder entschwunden sind. Apropos jugendhafter Elan, da sprechen die Songs die deutlichste Sprache: Absolute Ohrwürmer mit dem Hauch von Pop sind Young Cardinals, Born and Raised sowie Emeral Street. Krachige Hardcore Songs mit Punk- einschlag liefern der Opener Old Crows sowie die herrlich drängende Midnight Regulations und Accept Crime. Macht in der Gesamtheit also ein Album ohne nennenswerte Ausfälle, vorne an auch mit den Einschlägen, die man am Ende vermutlich Dallas Greens City and Colour Erfahrung zuschreiben darf. Alexisonfire erfüllen somit ihre eigene Vorgabe, sich nicht wiederholen zu wollen und haben unzweifelbar ihre Bandmitte gefunden und schöpfen das gesamte Potential ihrer drei Charakterstimmen aus.
Wer übrigens mal herzhaft schmunzeln möchte, beäugt die wirklich alten Videos der Band und vergleicht sie mit dem, was Alexisonfire heute sind. Die Entwicklung jedes einzelnen ist schier rasant. Ob das vielleicht der Zenit ist?