Zugegeben: Man hat ja doch gewartet auf dieses Album. Man war ungeduldig und gespannt auf das, was da noch so kommen würde, von Booka Shade, nach ihrem 2006er-Meisterwerk „Movements“. Und kaum versieht man sich, ist es auch schon da, das dritte Album. „The Sun & The Neon Light“ heißt es und erschafft genau die tiefgreifende Atmosphäre, die bereits der Titel verspricht.
Neon Light und Booka Shade, das passt einfach zusammen, das war bereits bekannt. Die beiden vergangenen Alben und diverse Beiträge auf Compilations, sowie Remixe (vergangenes Jahr auf der prominenten Serie „DJ Kicks“ des Labels !K7) lebten stets von der Club-Atmosphäre, dem electronischen Beat, den Synthesizern und nicht zuletzt auch von dem gesunden Anteil an Disco. Doch was Booka Shade jetzt mit der Sonne am Hut haben sollen, das war mir vor dem Hören des Albums ein Rätsel. Die Sonne, die einem um 5Uhr morgens nach einer durchgefeierten Nacht entgegenblinzelt? Wohl auch, aber eben nicht nur. Und das ist das Außergewöhnliche an dieser Platte: Booka Shade haben es geschafft, ein Album zu produzieren, das sowohl den Booka Shade-esquen Club- und Dance-Anteil nicht vermissen lässt (Bestes Beispiel: „Planetary“), aber eben auch mit neuen Werkzeugen hantiert.
So wird auf diesem Album mit der Verwendung von Stimmen experimentiert. Den Gesang übernimmt Walter Merzinger, während Arno Kammermeier weiterhin den Drums treu bleibt. Und so ist es Booka Shade diesmal möglich, nicht nur über Atmosphäre und treibende Beats Gefühle zu vermitteln, sondern eben auch auf textlicher Ebene zum Hörer zu sprechen. So heißt es im Song „Solo City“:
„Walking down your street, I feel like I’m home. No one to talk to, nothing to do.
Solo city, my lights will shine, will advertise feelings that used to be mine.“
Ganze Geschichten werden geschrieben, die Vergangenheit und die Gegenwart ausgeleuchtet. Besonders rührend dahingehend ist der Outro-Track „You Don’t Know What You Mean To Me (J’s Lullaby)“ – Dieses melodische und emotionale Lied wurde von Walter für seinen Sohn geschrieben, musikalisch sehr beruhigend und aufgewertet durch die durchgängigen sanften Atemgeräusche im Hintergrund. Im wahrsten Sinne des Wortes eine Lullaby.
Aber nicht nur die Verwendung von Vocals ist eine Neuigkeit, auch bürgerliche Instrumente wurden ausprobiert, abseits vom Computer und Synthesizer: Streicher im Intro-Track „Outskirts“, eingespielt vom deutschen Filmorchester Babelsberg, Countrygitarre und Percussion in „Dusty Boots“, Pauken in „Duke“, etc. Und etwas ganz Besonderes stellt der Song „Charlotte“ da, bei welchem am Anfang Ausschnitte und Jingles aus diversen Interviews mit der Band reingeschnitten wurden, um dann nach der Feststellung
„We were always fascinated by electronic music!“
einen Dancefloor-Track erster Güte rauszuhauen.
Schlussendlich lässt sich festhalten: Lobt man Acts wie Autechre dafür, dass sie die Kontrolle verlieren und den Computer übernehmen lassen, muss man Booka Shade bei diesem Album wohl dafür loben, wie melodisch, in sich abgeschlossen, durchdacht und schlüssig sowohl die Platte als auch die einzelnen Songs an sich sind. Intensives Betrachten der Polaritäten, die das Leben so bietet. Zum Glück ist noch Verlass auf die deutsche Electro-Szene – Egal, ob nun im Sonnenschein oder Neonlicht.
VÖ: „The Sun & The Neon Light“ erscheint am 23.05.2008 auf Get Physical.
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