Nachdem sich bereits die Pioniere des Alternative, die New Yorker R.E.M., in Berlin einquartierten, suchten auch die britischen Chikinki nach Inspiration und Zerstreuung in der deutschen Hauptstadt. Wobei die Wahl vor allem aufgrund der Tradition und weniger wegen der vorzüglichen Partymöglichkeiten auf die Spree-Metropole fiel- so heißt es zumindest in der Presse-Mitteilung. Wo könne man besser mit preussischer Disziplin an Kompositionen feilen, bis diese die entsprechende Qualität erreicht hätten. Es ist dabei nicht belegt, ob die Band nicht doch ab und an Entspannung in einem der zahlreichen Clubs suchte, es ist fast sicher davon auszugehen, aber in punkto Detailarbeit gelang dem Quintett in der Tat ein großer Wurf. So servieren die kauzigen Briten mit „Bitten“ einen ausgereiften Langspieler, bei dessen Produktion sicherlich kein geringeres Maß als das der Perfektion galt.
Und dabei handelt es sich keinesfalls um Math-Rock oder gar Prog, sondern um erfrischend daher kommenden Indie der Marke Chikinki. Die Briten verknüpfen Strukturen, stehen für süße Melodien, unkontrolliert wirkende Ausbrüche, um diese im nächsten Moment wieder in geordnete Strukturen zu überführen. Auf Platte funktionierte dies in der Vergangenheit prächtig und live erst recht. Jeder, der bisher das Vergnügen hatte die energetische Formation einmal im Rahmen eines Konzerts erleben zu dürfen, dürfte davon zweifellos überzeugt sein. Schon allein der agile Sänger Rupert Browne ist das Eintrittsgeld mehr als wert. Es ist schön eine Band zurück zu wissen, die fraglos seit vielen Jahren ein Trendsetter ist, ohne Anspruch darauf, ein solcher sein zu wollen. Der künstlerisch innovative Anspruch steht seit nunmehr 15 Jahren Band-Historie über allem und ist damit gleichermaßen Proto-Typ des neuzeitlichen Indie-Lads. Reichlich Bands haben sich an Chikinki orientiert und erzielen mittlerweile deutlich höhere Verkaufszahlen als ihre Vorbilder selbst, denn diese machen lieber Abstriche in punkto schnöder Mammon, als ihre künstlerische Integrität anzukratzen. Es verwundert also wenig, dass das Quintett auf die Pflege sozialer Netzwerke ganz lapidar pfeift. Es gibt schließlich Wichtigeres- Musik zum Beispiel, die nach Veröffentlichung des zweiten Langspielers „Brace, Brace“ nicht ausschließlich innerhalb des eingespielten Bandgefüges, sondern auch mittels Nebenprojekten der einzelnen Bandmitglieder statt fand. Keyboarder Trevor Wesely hob im Zuge dessen The Precious Mings aus der Taufe und Sänger Rupert Browne verdingte sich derweil bei Juniper Leave.
Für die Aufnahmen fanden sich die Musiker wieder zusammen- endlich. Auf „Bitten“ präsentiert das intelligente Kollektiv aus London einen bunten und dennoch kultivierten Stilmix. Ein wenig Afro-Beat, ein wenig Synth-Pop, ein wenig Classic-Rock. Sanfte Streicher und saubere Rhythmusgitarre. Dazu der definitiv bedachter agierende Browne, der zwar immer noch dringlich artikuliert, dies jedoch auf eine nuanciertere Weise. Obgleich die Songs etliche Spuren kombinieren, wirkt der Hörer dabei nicht von übertriebener Last erschlagen, sondern kann sich gewiss sein, dass das Kollektiv ihr Material sondiert und auf das Notwendigste reduziert hat. Die Songs ufern nicht in schier unendliche Weiten aus, werden quasi stets unter Kontrolle gehalten Die linke Hand weiß, was die Rechte tut. Chinkinki sind ein Esemble, das harmoniert und unisono in einen Richtung arbeitet.
Die Präsenz der deutschen Hauptstadt ist dabei allgegenwärtig- besonders in der jüngst erschienenen Singleauskopplung „Bitte Bitte“. Ein tanzbarer Elektro-Pop-Song der fortan sicherlich des öfteren in entsprechenden Szeneclubs erklingen wird. Darin begibt sich Browne auf eine Reise durch Berlin, stets verfolgt von einem mysteriösen Mädchen, das er zu ignorieren versucht, deren deutsche Worte ihn schließlich doch zu knacken vermögen, während er auf der Tanzfläche einen guten Eindruck zu hinterlasen versucht. Der Stoff also, aus dem erinnerungsträchtige Nächte sind. Und wer weiß, vielleicht passiert bald Ähnliches zu eben diesem Song.
Mit „Bitten“ gelingt den Briten ein durchweg schlüssiges Album, das gleichermaßen tanzbar und textlich tiefsinnig ist. Chikinki eben. Die Band ist reif, das war schon länger zu spüren, allerdings scheint sie darüber hinaus auch noch höchst seriös geworden zu sei- zumindest in Anbetracht des neuen Tonträgers. In Ordnung,solange dies ihrer Impulsivität auf der Bühne keinen Abbruch tut.
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„Bitten“ erscheint am 11. Mrz. 2011 via Urban Cow.
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Chikinki auf Tour
25. Apr. 11 Leipzig/ Moritzbastei
26. Apr. 11 Berlin/ Postbahnhof
27. Apr. 11 München/ 59:1
28. Apr. 11 Köln/ Gebäude 9
29. Apr. 11 Hamburg/ Indra