Colin Moore ist ein Musiker, dessen markante Stimme ein bewegtes Leben widerzuspiegeln vermag – gegerbt von Zigaretten und allerlei alkoholischer Getränke. Doch der vermeintlich harte Hund ist zumindest in puncto Musik ein feinfühliger Interpret, der seine Songs mit intimen Details spickt. Ex-Freundinnen werden genauso abgehandelt wie die schwierige Beziehung zu seinem Bruder und der seit sieben Jahren herrschenden Funkstille. Was schwermütig anmuten mag, hat jedoch rein gar nichts Schwerfälliges an sich. Denn Moore verzückt nicht nur mit äußerst persönlichen Zeilen, sondern auch mit einer Band, die es versteht, die Stimmungen bestens zu antizipieren und klanglich umzusetzen: manche Lieder schwelgen einfach so dahin, während andere rumpelnd in die Beine des Publikums fahren. Ein Konzert, in dem Colin Moore nicht nur zum Mitklatschen animiert.
Betrunken müsse er werden, ruft der aus dem kanadischen Montréal stammende Sänger in das prächtig gefüllte Auditorium und lächelt dabei verschmitzt. Allerdings könne das nicht gelingen, so lange er auf der Bühne stünde und das aus einem einfachen Grund. „Ich schwitze doch alles wieder aus – seid fair!“ Fair insofern, als dass das Publikum keine weitere Zugabe fordern solle. Deren zwei hat Moore bereits samt Band und solo absolviert. Eine dritte wird folgen. Das sympathische Publikum des greifswalder Café Koeppen zeigt sich erneut von seiner Schokoladenseite: zunächst andächtige Stille, auf die schließlich tosender Beifall folgt. Es versteht sich, dass es sich dabei um fließende Übergänge handelt. Was Moore bietet ist nämlich weit mehr als eindimensional. Wenn von Vollblutmusikern die Rede ist, sollte man Colin wohl als Vollkörpermusiker bezeichnen. Von der ersten Minute an schillert der Hals des Kanadiers in verschiedenen Rottönen. Sei es des Schweißes, der wasserfallartig herunterrinnt oder der Reibeisenstimme wegen, die Moore bestens zu Geltung bringt. Allerdings preschen die Musiker keinesfalls vorbehaltlos nach vorne, sondern bauen dezent Stimmung auf, erreichen ihren Höhepunkt, nach dem der Pegel wieder fällt und der Song schlussendlich sanft einschläft.
Während der Pausen vermögen Gitarrist Ryan, Bassist Vincent und Schlagzeuger Dustin eine Art Klassenfahrtstimmung zu erzeugen, in der sich ihre Spielfreude kanalisiert, wenn sie gerade nicht spielen können, weil Colin Moore eine neue Mundharmonika in die Halterung spannen muss. Eine Prozedur, die in Windeseile von statten geht. „Ich will die Leute nicht zu lange warten lassen. Ich habe um ihre Aufmerksamkeit geworben und will sie nicht wieder verlieren“, erzählt Colin nach dem Konzert. Aufmerksamkeit verdient seine Darbietung definitiv. Besonders herzergreifend erweist sich der letzte Song „Brother“, in dem der Sänger seinen Bruder darum bittet, sich bei der gemeinsamen Mutter zu melden, denn seit seiner Hochzeit habe er jeglichen Kontakt zu seiner Familie abgebrochen. Zudem weiß der Künstler so manchen Song mit amüsanten Anekdoten anzureichern. Als er sich gerade auf seiner ersten Tour befunden habe, hätte sich seine damalige Freundin in seinem E-Mail-Postfach umgesehen und einige Fan-Mails gelesen, die sie dazu bewegten, ihren Auszug aus dem gemeinsamen Appartment zu organisieren und dabei alles mit sich zu nehmen – außer dem Bett und einer Gitarre. Tragi-Komik hat der Musiker also auch zu bieten. Ein weiterer Grund, weswegen sich das Publikum eines kurzweiligen Abends erfreuen kann.
Als dann um 23.30 Uhr das über zweistündige Konzert endet, muss Moore zumindest noch das Versprechen abgeben, im nächsten Jahr wiederzukommen – mit neuem Album wohlgemerkt: „Heart of the Storm“ erscheint am 2. Oktober. Die Nacht allerdings ist noch jung. Schön, dass es sich im Café Koeppen so vorzüglich versacken lässt. Colin Moore kann seinem sehnlichen Wunsch Taten folgen lassen.
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Colin Moore live
17. Sep. 2012 Berlin – White Trash