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Egotronic im Interview

Was lange währt, wird endlich gut. Nachdem schon halb Audiolith bei uns vorm Mikrofon saß, konnten wir nun auch ein paar Worte mit dem alten Eisen wechseln! Vor dem Konzert in der Alten Meierei in Kiel trafen wir uns mit Egotronic. Sänger Torsun und Keyboarder Endi waren in bester Manier, es gab Bier und gebackene Nintendo-Pilze sowie -Sterne! Jedenfalls, hier ist das, was die beiden so zu sagen hatten:

Ihr spielt heute Abend das erste Mal in Kiel. Wieso nicht vorher schon?

Torsun: Keine Ahnung. Egotronic gibt’s seit 2001, aber irgendwie kam es nie dazu. Aber wir freuen uns drauf.

Es bietet sich ja eigentlich an, wenn man in Hamburg spielt, nochmal hier vorbeizufahren.

Torsun: Ja, klar. In Bremen haben wir auch schon gespielt und in Flensburg, aber in Kiel echt noch nie.

Mit dem neuen Album seid ihr nun schon eine ganze Weile auf Tour. Wie kommen die Songs denn live an?

Torsun: Also, bisher lief es exzellent! Ist echt super. Die Releaseshows waren ja brechend und 90% der Konzerte waren ausverkauft seitdem. Es läuft klasse und die Leute nehmen die Platte anscheinend richtig gut an und gehen super mit. Ich bin echt begeistert bisher!

Und wie war die Reaktion der Presse?

Torsun: Wie immer sehr durchwachsen. Manche fanden es total gut, andere wiederum richtig scheiße. Das war aber auch bereits bei unserer ersten Platte so und anscheinend gehört das bei uns ein bisschen dazu. Ich hab dem auch nie besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt, es sollte einen nicht so interessieren, was geschrieben wird. Aber hier eben gerade hab ich noch einen sehr schönen Verriss gelesen…

Bei Rezensionen fließt ja auch immer viel persönlicher Geschmack ein, deswegen..

Torsun: Genau so. Und deswegen such ich eigentlich selten explizit nach Besprechungen. Ich lese sie gern, wenn sie mir jemand schickt, aber ansonsten selten.

In vielen Rezensionen musste man ja auch lesen, dass ihr den politischen Faktor auf der neuen Platte ein wenig vernachlässigt habt, siehst du das auch so?

Torsun: Das finde ich ungeheuer absurd, weil auf der neuen Platte eigentlich viel mehr politische Songs drauf sind als noch auf dem letzten Album, sie sind nur nicht mehr so plakativ wie sonst. Daher find ich es auch in wenig witzig, dass wir häufig auf die Feierei reduziert werden, obwohl die Platte eigentlich wesentlich mehr politische Songs beinhaltet. Während es zuletzt nur 2 oder 3 Songs waren, sind jetzt mindestens 5 dabei, die Politik behandeln. Das nimmt den größten Teil ein auf dem neuen Album. Es wird nur nicht so wahrgenommen diesmal. Aber ist ja auch okay, die Leute sollen das so wahrnehmen, wie sie es wollen.

Aber darf man also auch in Zukunft damit rechnen, dass Politik ein Thema bleibt?

Torsun: Ja, ganz klar. Egotronic war schon immer politisch und wird es auch bleiben, ganz sicher.

Wie sieht eigentlich deine musikalische Vergangenheit aus, warst du schon immer bei elektronischer Musik unterwegs?

Torsun: Nee, anfangs noch ganz anders. Mit 14 hab ich in meiner ersten Punkband gesungen und hab auch danach immer in Punkrock- und Hardcorebands gespielt über lange lange Zeit. Aber in den 90ern ging es dann eigentlich erst los. Also, ich hab auch früher schon ein bisschen Techno gehört, da war ich noch in Frankfurt am Main und bin da auf Techno-Partys gegangen, hab aber selbst noch Punk- und Hardcoremusik gemacht. Aber da bin ich schon immer gern gewesen, weil die Partys in der Regel immer länger gingen und die Drogen besser waren. Da war also schon immer dieser Hang, zu elektronischen Veranstaltungen zu gehen. Und die Initialzündung war dann 1996, als ich auf einem Andreas Dorau-Konzert war. Danach hab ich dann angefangen, ab und an elektronische Sachen einfließen zu lassen, wie Synthesizer. Aber dann bin ich auch recht schnell auf Electronic umgestiegen. Das Ding war, dass ich ursprünglich auch gar keinen Bock mehr hatte auf ein Bandgefüge, weil man da immer so viele Leute unter einen Hut kriegen muss, wenn man auf Tour geht und man sich sehr gut absprechen muss untereinander. Und bei Electronic konnte man den ganzen Scheiß auf einmal ganz alleine machen! Das war auch ein wichtiger Punkt für mich damals, damit anzufangen. Dass man Instrumente, die man normalerweise überhaupt nicht spielen könnte, plötzlich doch spielen kann, weil man einen Computer benutzen kann. Man konnte damit ganz einfach andere Sachen umsetzen als früher noch.

Was meint ihr, wo wärt ihr ohne Audiolith jetzt?

Endi: REICH!
Torsun: Ich weiß es nicht, aber Lars war schon ein Glücksgriff für uns. Ich hatte auch selbst mal ein Label gegründet zusammen mit einem früheren Mitbewohner und wir hatten damals auch eine Compilation rausgebracht.

Wie hieß das Label?

Torsun: Polygame Entertainment! Und auf dieser Compilation, die wir rausbrachten, waren viele Acts dabei, die heute auf Audiolith veröffentlichen: Der Tante Renate, Plemo, Juri Gagarin und sowas war da drauf, weil wir das damals auch schon so geil fanden alles. Aber das Label haben wir leider an die Wand gefahren. Lars hat also sozusagen das Label gegründet, was ich gerne gemacht hätte. Mit Egotronic hatten wir dann zuerst einen Samplerbeitrag bei ZickZack und mit Alfred Hilsberg gab es dann auch einige Gespräche, ob wir da veröffentlichen, aber letzten Endes sind wir dann doch auf Lars gestoßen, was dann natürlich super war und einfach passte. Er ist ja auch der beste Labelchef, den man sich vorstellen kann. Ich denke auch bei einem anderen Label hätten wir in diese Richtung weitergemacht, wir sind ja schließlich immer viel auf Tour und spielen gern live. Aber ob es so groß wäre, wie es jetzt inzwischen ja wirklich geworden ist, das weiß ich nicht.

Und um die Frage nochmal umzudrehen: Was denkt ihr, wo Audiolith ohne Egotronic wäre?

Torsun: Es ist ja schon so, dass wir der publikumsstärkste Act sind, aber ich denke Audiolith ist inzwischen auch eine Art Selbstläufer. Irgendwann haben die Leute gemerkt, dass das ein ganz anderes Feeling ist, das da zwischen Hörern und der Musik ist und auch unter den Acts und dem Labelchef. Lars verkörpert das, was man früher im Punkrock als Indie bezeichnet hat: Er hat ein Ding selbst angefangen und das nach vorne gebracht und ich denke, dass das auch viele Leute sympathisch finden und Audiolith daher so beliebt ist. Ich weiß nicht, ob das Label ohne uns anders aussehen würde, aber es ist Fakt, dass wir da einfach gut hinpassen.

Songs wie „Unser Spaß sieht anders aus“ oder „Kotzen“ richten sich ja ziemlich direkt gegen Fans…

Torsun: Unter anderem, ja. Das Lied ‚Kotzen‘ richtet sich ja auch an die Presse, da beim letzten Album häufig geschrieben wurde, dass die Musik gut sei, aber dieses Anti-Deutsche nervt. Und bei Kotzen geht es eben ganz klar darum, da nochmal nachzutreten, von wegen ‚Drauf geschissen, was ihr da meint und denkt.‘ Und zu der zweiten Strophe sollte der Herr Endemann was sagen, die hat er geschrieben.
Endi: Ja, das kam so: Ich bin ja so der Fußballfan in der Band und gerade während der Weltmeisterschaft hat es mich echt angekotzt, dass man sich nicht mehr in einer so genannten Szenekneipe aufhalten konnte, ohne gleichgeschalteten Deutschland-Trikot-Trägern, die bei der Nationalhymne aufstehen und mitsingen zu begegnen. Das war echt ein Punkt, an dem es mir gereicht hat, in Kreuzberg in einem mehr-oder-weniger Antifa-Laden zu sitzen und sowas sehen zu müssen. Weißt du, vor 10 Jahren wären diese Leute noch verprügelt worden, die sowas machen. Und da hat es gut gepasst, das in dem Song auch noch zu verarbeiten.
Torsun: Und zu ‚Unser Spaß sieht anders aus‘, um sich nochmal auf die Frage nach den Fans zu beziehen, kam der Impuls hauptsächlich von KT&F, in die Richtung halt mal was zu machen. Es gab auch einen Auslöser, auf einem Konzert dieses Jahr, da mussten wir die Show abbrechen. Zu Beginn war es echt noch bunt gemischt, so wie es immer ist, wenn wir auftreten, aber irgendwann kamen dann nur noch so Prollos vor, die die Ellbogen ausgefahren haben und das Publikum in der ersten Reihe wurde komplett ausgetauscht. Da standen dann auf einmal nur noch Leute, die mit Flaschen rumgeschmissen haben und alles, das war wirklich ätzend. Ich hab dann auch mehrfach drauf hingewiesen, dass das richtig scheiße ist, aber die haben sich davon überhaupt nicht beirren lassen und weitergemacht. Und da mussten wir das Konzert dann halt abbrechen, da konnte man nicht weiterspielen. Und da bot es sich eben an, auf dem aktuellen Album zu der Thematik auch mal was zu machen. Auch in Marburg letztens ist es zwischendrin immer ein bisschen eskaliert vom Publikum her. Aber der Song kommt live auch echt gut an… Wir verheißen ja nicht alles gut, was unsere Fans machen, nur weil es unsere Fans sind. Wenn jemand richtig Scheiße baut – Fan hin oder her – dann ist es ein Arsch. Und genau so werden wir das auch immer handhaben.

Und wie ist es mit den leuten, die bei euch unaufgefordert auf die Bühne klettern? Das scheint ja langsam auch so Gang und Gebe zu werden.

Torsun: Jaja. Das erste Mal hatten wir das in der Nähe von Hannover passiert, in Wunstorf. Da hab ich noch mit Hörm zusammen gespielt. Und schon beim zweiten oder dritten Lied standen da hunderte von Leuten auf der Bühne. Aber ich glaub damals war das auch der Situation geschuldet, dass der Sound vor der Bühne einfach unglaublich beschissen war, dass die Monitorboxen fast besser waren. Und da sind ganz viele Leute auf die Bühne gestürmt und haben mit uns da oben gefeiert und seitdem zieht sich das irgendwie wie ein roter Faden durch, plötzlich passiert das ständig. Und inzwischen versuchen wir das schon so im Zaum zu halten, dass es erst bei den Zugaben passiert und nicht eine ganze Show lang, weil eben inzwischen viel mehr Equipment auf der Bühne steht und da ist für uns gefährlicher, dass da irgendwelche Sachen kaputtgehen. Bei der Releaseshow in Leipzig war die Bühne so voll, dass ich irgendwann in den Backstage gegangen bin und Bier getrunken hab und das hat einfach keine Sau gemerkt! Das Publikum hat eh gesungen, das war glaub ich bei ‚Die Partei‘ oder so. Und als das Lied zu Ende war, bin ich dann wieder rausgegangen, bei den Zugaben ging es dann ganz normal oben auf der Bühne weiter. Aber prinzipiell ist das natürlich klasse, weil ichs ja eigentlich ganz geil find, wenn das son ein bisschen vermischt ist und diese imaginäre Grenze so verwischt wird, aber nicht ein ganzes Konzert lang.

In Hamburg bei der Releaseshow hattest du an manch kritischer Stelle dann ja das Publikum auch schon gebeten, die Bühne mal ein wenig zu räumen.

Torsun: Ja, da war das stellenweise ein bisschen anstrengend. Aber gestern war es zum Beispiel cool, da waren auch Leute auf der Bühne, aber es war alles super um die Instrumente rum, dann ist das ja auch klasse.

Du hast ja auch dieses neue Projekt am laufen, 1 Foot In Da Rave, wird es da ein Album geben?

Torsun: Da wird es kein Album geben, das ist reine Clubmusik. Da heißt der Plan Vinyl-Maxis zu veröffentlichen und die Songs auch als MP3 anzubieten. Aber das ist nicht die Musik, aus der man ein Album macht, es sei denn, das Projekt wird noch total durchgehen und die Leute wollen unbedingt eine Platte, aber ansonsten ist das nur so DJ-Musik zum Auflegen. Bei sowas hör ich mir auch privat nur Mixes an. Aber das ist dann auch der Plan dahinter. Wir machen grad richtig viele Tracks und haben auch angefangen, das live zu machen. Mit Lars ist es jetzt abgesprochen, dass wir Anfang nächsten Jahres im Frühjahr die erste Downloadsingle und Vinyl machen.

Okay, das wars dann auch von meiner Seite. Vielen Dank fürs Interview!

Torsun: Danke fürs Interesse!

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