Schon bei den Vorgängern zu The Seldom Seen Kid durfte man sich fragen, ob Elbow den geneigten Hörer gerne mal etwas ärgern wollen. Ihre Musik jedenfalls ist verstörende Schönheit und Melancholie mit Ecken und Kanten. Und wer es vermeiden wollte, sich an ihnen zu stoßen, wurde von Elbow geschubst. Eine Band die Köchen gleicht, die bewusst hier und da etwas zu viel Salz in die gute Suppen streuen, es aber so versöhnlich tun, dass ihnen niemand böse sein kann.
Der Effekt des Openers auf The Seldom Seen Kid ist einer, den Elbow schonmal auf dem Album Cast of a Thousand im Song Snooks in ähnlicher Weise benutzten. Eine warmes, einnehmendes Stück Musik namens Starlings, das plötzlich von einem ohrenbetäubenden, schrillen Geräusch unterbrochen wird, aber sofort in den beruhigenden Klangfluss zurückfindet, nur um noch weitere Male diesen wüsten Übergriff über sich ergehen lassen zu müssen. Wer da die Augen schließt und genießen will, reisst sie unwillkürlich wieder auf und schaut erstmal desorientiert durch die Gegend.
Was war das?
Nun, ein ganzes Orchester, das von Elbow dazu angeleitet wurde einen Tusch zu spielen.
Und genau dieses Markante zeichnet Elbow seit ihrem Bestehen aus. Zuckersüßer Pop, mit orchestralen Arrangements und derartiger Einfühlsamkeit, dass man der Band aus der Hand fressen würde, wären da nicht diese Momente, in denen die Schönheit ihrer Musik mit genialen Eigenarten gespickt ist.
Dennoch ist die Musik von Elbow in erster Linie leichtfüßiger Indierock, mit starken Folk- und seltener Gospeleinschlag, der das Kunststück vollbringt nach Schwere und Traurigkeit zu klingen, was vor allem der tiefen, melancholischen Stimme von Sänger Guy Garvey geschuldet ist. Doch diese Stimme ist das Kapital der Band, denn sie ist warm, einladend und vor allem aufrichtig und in Kombination mit der Musik, wenn man sich langsam in das Material hinein hört, schwerelos.
Wunderbar gelungen sind das schwebende Weather to Fly, das wummernde Grounds for Divorce, mit dem ausbrechendem Bass und nach einiger Zeit jedes einzelne der zehn Stücke.
The Seldom Seen Kid endet leise, friedlich, versöhnlich und ohne Schrecken. Elbow muss man lieben, denn diese Songs haben Seelen und sie sparen die kleinen Schrammen an ihr nicht aus und formen so einmalige Schönheit.