Viel umworben wurde im Vorhinein Thüringens wohl spannendstes Ein-Tages-Festival, das dieses Jahr bereits zum vierten Mal in Erfurt stattfinden sollte. Am vergangenen Osterwochenende hieß es nun endlich: Abheben und Abflug! Wir besuchten das End-Pilot-Festival 2009, das im Club Centrum auf mehren Etagen veranstaltet wurde dreizehn Acts zu bieten hatte.
Das Line-Up kam im Vergleich zum letzten End Pilot ohne jeglichen Publikumsmagneten aus. 2007 waren etwa namenhafte Bands wie Slut, EF oder SDNMT beteiligt. Die meisten Künster in diesem Jahr waren mir hingegen bis dato unbekannt. Das jedoch sollte kein Nachteil sein und versprach zunächst, gerade aufgrund der Durchmischung der Genres und der Idee, die hinter diesem self-made Festival steckt, spannend zu werden.
Leider überwog beim diesjährigen End Pilot dennoch die Enttäuschung. Der Abend wollte nicht sich richtig in Schwung kommen: Bei weitem nicht so viele Menschen wie vor zwei Jahren waren gekommen. 2007 drängelte man sich noch durch die Gänge, um zu den nächsten Bands zu gelangen oder sich irgendwo ein Päuschen zu gönnen von der gewollt herbeigeführten Reizüberflutung. In diesem Jahr hingegen war alles sehr entspannt. Man leidete während des Abends ein wenig mit den Veranstaltern, die nach einem Jahr Pause wieder ein Festival auf die Beine stellten und einen Versuch fernab von Kommerz und Gewinnstreben starteten. Irgendwie hätte es dann eben doch zwei, drei bekanntere Bands gebraucht.
Zudem waren in diesem Jahr für meinen Geschmack etwas zu viele Vertreter der (Post-)Rocker härterer Gangart am Start. Scraps Of The Tape, Bodh Gaya, Ter Haar: Irgendwie hatte man pauschal gesprochen nach und nach den Eindruck, es laufe bei allen irgendwie auf einen Refrain mit großen, verzerrten Gitarrenwänden hinaus. Um Niels Frahm und Peter Broderick von Efterklang drängten sich im kleinen Obergeschoss dagegen so viele, das ich leider nicht in den Genuss kam, die beiden auf der Bühne zu sehen. Ihre Show wurde im Nachhinein von vielen Besuchern umschwärmt.
Für mich kam die Entdeckung des Abends lediglich von Band: Das Screening des halbstündigen Konzertfilms „Skinnskatteberg“ von Erick Enocksson war schlicht und ergreifend beeindruckend. Inmitten eines schwedischen Zauberwalds wurden diverse Tasten-, Saiten- und Schlaginstrumente aufgestellt und man zelebrierte das gemeinsame halbakustische Musizieren als mystisches Mantra. Kurzzeitig kam Gänsehaut-Feeling im Club auf. Ein spannender Musiker, den man an diesem Abend gerne auch live gesehen hätte.
Spannend und frisch war auch der Songwriter Cedarwell, von dem man gerne mehr als zwanzig Minuten gesehen und gehört hätte. Mit seinem fußstampfenden, versunkenen Gitarrenspiel, seiner unglaublicher Bühnenpräsenz war Erik Neave aus Wisconsin auf jeden Fall eine Entdeckung. Auch Kangding Ray lieferten mit rauschhafter Frickel-Elektronik eine angenehme Abwechslung im Programm. Kurzzeitig versank man im Club in surreale, elektronische Klangwelten.
Mit Logh traten nach Mitternacht die Headliner des diesjährigen End Pilots auf die große Bühne. Hier wurde Melancholie exzessiv ausgelebt, Pathos ausstaffiert und nicht zu wenig mit Introvertierheit gepost. Der gut durchinszenierte Auftritt der sechs Schweden war ohne weiters beeindruckend – sowohl für das Auge als auch für die Ohren. Doch war er eben sehr inszeniert. Die Erdrückung wurde so sehr konstruiert, dass man bald mitleiden mochte.
Zur späten Stunde schafften die Newcomer Captain Capa, die 2007 noch Festivalbesucher waren, Abhilfe: Drei Uhr nachts schüttelten dreißig, vierzig verbliebene Tanzwillige und Tanzwütige auf der kleinen Bühne die Post-Rock-Depression ab. Leider bestand die Hälfte des Publikums aus Druffis, die den beiden Musikern in ihrer Aufmerksam nicht ganz gerecht wurden und einfach nur aggressiv abhampeln wollten, sodass die Bühne zeitweilig nicht mehr Zentrum der Aufmerksamkeit war. Dafür wurden die beiden am darauffolgenden Tag beim Gig mit Egotronic wohl mehr als belohnt.
Was bleibt nach diesem Festival? Zwei, drei sehr schöne Auftritte. Einige Zeit des Durchhängens, auch der Enttäuschung. Vor allem die Enttäuschung der Erwartungen. Denn die waren auf jeden Fall groß. Es bleibt auch Ärger, dass bei einem alternativen, self-made Festival keine einzige Frau in irgendeiner Form auf der Bühne stand. Es ist doch schon aussagekräftig und passt zum männlichen Rock-Image, das hier abgelieferte wurde. Es bleibt aber auch der Wunsch, dass dieses Festival dennoch weiterbesteht, dass es ein nächstes Mal geben wird. Das End-Pilot-Festival ist derzeitig ein einmaliges Event in Thüringens karger (alternativer) Musiklandschaft.
Eine Foto-Gallerie vom Festival findet ihr bei Mainstage hier. Sonja fotografierte die Bands des Abends.
Die Fotografien dieses Artikels sind dem befreundeten Mitstreiter von kartoffelwasser.de entnommen. Auf der Seite des Foto-Blogs findet ihr auch eine weitere Festival-Gallerie. Diese Links seien euch hiermit ans Herz gelegt. Im Rahmen des Festivals führten wir zudem ein Interview mit den Newcomern von Captain Capa, das ihr hier nachlesen könnt..
Der grössere Anteil härterer Bands war gewollt, da er vorher viel zu wenig unserem Musikgeschmack entsprach.
Dass keine Frauen auf der Bühne standen, fanden wir auch nicht gut. Wir haben aber einfach keine weiblichen Bands gefunden, die wir gut genug fanden und die kommen wollten oder konnten. Gleiches gilt für die fehlenden „Publikumsmagneten“.
Und: Erik Enockssons Film war übrigens keine Notlösung sondern so vom Künstler gewünscht. Er spielt keine Konzerte mehr, das im Wald war das einzige an dem er Interesse hatte, es zu realisieren.
und um dem generellen eindruck auch nochmal entgegen zu wirken: ef waren 2007 noch ein echtes unbeschriebenes blatt, und kaum mit ihrem jetzigen europaweiten bekanntheitsgrad vergleichbar. es war erst die damalige tour, mit der alles richtig anfing, bis dahin war ihr name kaum etwas wert. wie auch, das erste album war gerade erst veröffentlicht.
und sdnmt ist bei weitem ebenfalls kein herausragender name. scraps of tape bewegen sich in etwa genau demselben bekanntheitsgrad, sieht man mal vom berliner stammpublikum ab.
tatsächlich war für mich persönlich der größte unterschied (im anziehenden namen) die fehlenden slut.
viele der angebrachten kritikpunkte haben eine absolute berechtigung. dem festival aber mit ärger wegen fehlender weiblicher bands gegenüber zu stehen ist allerdings schon eine wirkliche verblendung. vor allem mit der phrase „keine einzige Frau in irgendeiner Form“ sollte man ab einem gewissen niveau keinen blumentopf mehr gewinnen. entweder man emanzipiert sich richtig von genderklischees, dann gehört dazu auch keine künstliche und damit auf quantität nicht qualität ausgelegte quote. oder man lässt ganz vom thema ab. manchmal passen die umstände einfach nicht. wir buchen nicht auf pseudo-politische korrektheit sondern auf geschmack und das bestmögliche, erreichbare ergebnis hin. das festival würde schon in den grundzügen und auch inhaltlich nicht funktionieren, wäre es anders.
was hat dir denn 2007 inhaltlich noch anders funktioniert, dass du dieses mal musikalisch richtig enttäuscht wurdest? bzw wie genau haben denn die erwartungen ausgesehen, die überhaupt nicht erfüllt wurden? alleine die fehlenden gäste werden es ja nicht gewesen sein, oder? und solche informationen sind uns extrem wichtig.
den nachsatz „in irgendeiner form“ habe ich bewusst hinzugefügt. und das ist nicht als pseudo-politische korrektheit zu werden. natürlich spielt es bei der völligen emanzipation von gender-kategorien aus ideologiekritischer sicht keine rolle mehr, ob weiblich oder männlich. diese ist aber noch nicht erreicht und deshalb finde ich eine quote bspw. dennoch realpolitisch gerechtfertigt. natürlich ist sowas im künstlerischen bereich absurd und wurde hier auch nicht gefordert. ich habe es einfach nur angemerkt, weil es mir aufgefallen ist und es ich geärgert hat. dies ist eine persönliche kritik. und du schreibst ja selbst, dass es dich geärgert hat.
dass ef damals noch nicht so bekannt waren, mag stimmen. ich kann bei seidenmatt nur für mich sprechen, dass sie für mich bekannt waren und scraps of the tape eben nicht. das jetzt band für band gegeneinander aufzurechnen ist auch glaube nicht hilfreich und rührt nicht an das grundlegende roblem.
dass erick enocksson selbst das screening gewünscht hat, war mir bekannt. ich wollte im text nicht den eindruck erwecken als sei es eine notlösung gewesen.