Als könnte man keinen Bogen darum machen wird ein kaum greifbarer Begriff zum Stigmata der Band Envy aus Japan. Es ist das Wort Apokalypse. Es beschreibt den Moment in dem alles Fassbare von etwas vermeintlich überirdischen weggewischt wird. Kein Rezensent hat jemals etwas Derartiges erlebt, aber es macht deutlich das Envy Musik produzieren, die, auch wenn sie die Vorstellungskraft übersteigen mag, in erster Linie wie eine totale seelische Erschütterung klingt.
Dabei erinnern viele Momente auf Recitation an das süße Erwachen. Die Schnittstelle
zwischen Schlafen und Wachen. Zwischen Traum und Realität. So beginnt Guidance als
verschwommenes Klangbild, dass einer ruhigen, weiblichen Stimme untergeordnet ist.
Die beruhigende Atmosphäre setzt sich in Last Hours of Eternity weiter fort, auch wenn der Titel bereits andeutet, dass der Song in seinem Kern einen wahren Sturm beherbergt.Dennoch gefriert zuvor das Hier-und-Jetzt. „Sink into the sea of love“ sind die ersten Worte die Sänger Tetsuya Fukagawa in einen undefinierbaren Raum spricht. Und ein Funke scheint zu genügen, um diesen Raum zu sprengen. Und diese Koexistenz von weiten und kaum überschaubaren Klangidyllen und unbändiger Brachialität zieht sich wie ein roter Faden durch Recitation, ohne dass sie sich merklich wiederholen. Dennoch sind es die ruhigen und harmonischen Parts des Albums, die Recitation Seele verleihen. Erstaunlicherweise erlebt man Tetsuya Fukagawas Stimm-Einsätze bald wie ein weiteres Instrument, dass sich zurücknimmt, wenn es die Instrumente tun und im Auge des Sturms steht, wenn alles um ihn herum zusammenzubrechen droht. Und am Ende begreift man Recitation ganz so, als wäre es ein Instrumental-Album.
Insgesamt scheinen Envy auf ihrem neuen Album ihren schweren post-rock Sound transparenter gemacht zu haben. Sowohl Rain Clouds running in a holy Night, als auch Pieces of the Moon I weaved oder Dreams Coming to an End klingen zugänglicher als alles was man von Envy kennt, ohne dass man allerdings von Anbiederung an kommerzielle Erwartungen sprechen könnte.
Betrachtet man zuletzt noch die Lyrics von Recitation wächst der Gehalt dieser Songs nochmal an. Immer wieder in Rückgriff auf Beschreibungen der Natur kreisen die Texte kontinuierlich um ein unheilvolles Selbst, dass zwischen Schaffenswahn und Kollaps hin und hergerissen ist. Cineastische Schizophrenie ist das. Und am Ende steigern sie ihre Lieder ins unermessliche.
Für viele ist allein die Tatsache, dass Envy auf dem Mogwai Label Rock Action untergekommen sind Kaufempfehlung genug. In Sachen lauter Intensität und Schönklang machen sich beide Bands nicht viel vor. Und ein kleiner Hinweis noch hintendran: Gesungen wird übrigens auf japanisch.