Das Eurosonic Noorderslag Festival hat seinen 25. Geburtstag mit zahlreichen Musikern, (Fach-)Besuchern und Pressevertretern gefeiert. Wie schon im Vorfeld beschrieben, war das Festival dieses Mal innerhalb von Minuten ausverkauft. Auch die Konferenz für die Fachbesucher war ausgebucht. So verwandelte sich Groningen, die kleine Stadt im Norden der Niederlande, zum 25. Mal in das Zentrum der europäischen Musikszene. Gleichzeitig wurde auch ein Besucherrekord von 3000 Fachbesuchern verzeichnet. Hinzu kamen 18.000 weitere Besucher.
Als Jubiläumsgeschenk für die Anwohner gab es in diesem Jahr zusätzlich eine große frei zugänglich Open Air Bühne auf dem Marktplatz. Hier spielten bekannte niederländische Künstler wie Racoon, Alain Clark oder Kraak & Smaak. Das Wetter war zwar nicht gerade Open Air tauglich, aber die Veranstaltungen fanden großen Zuspruch.
Die Besucher mit Tickets mussten sich allerdings zwischen circa 30 verschiedenen Bühnen und zahlreichen Künstlern entscheiden. Hier die richtigen Entscheidungen zu treffen ist wohl jedes Jahr wieder die größte Herausforderung. Hiermit ist nicht nur die Entscheidung nach dem „richtigen“ Künstler gemeint, sondern auch das kluge taktieren um bei den angesagtesten europäischen Musikern nicht draußen bleiben zu müssen. An dieser Stelle sei gesagt, dass wir nicht immer richtig taktiert haben und so bei Junip und White Lies draußen bleiben mussten. Shit happens…
Es wäre vermessen zu sagen, dass hier nun die Highlights des Festivals präsentiert werden, da es so viele talentierte, international weniger bekannte Künstler gab. Daher ist es das „Mainstage Eurosonic“, welche wir an dieser Stelle mit euch teilen wollen.
Es gab wunderschöne und charmante Auftritte, wie der von Anni B Sweet, die so schüchtern auf der Bühne stand und sogar mit einem Megaphon in der Hand aussieht wie eine Grazie. Auch Cocoon bezauberten mit einem Mix aus alten und neuen Songs. Da sie erst leicht verspätet anfangen konnten, machte es ihnen das Publikum allerdings nicht besonders einfach. Anders bei Vinnie Who und Ben L’Oncle Soul. Hier sprang der Funke über. Beide Bands zeigten, dass sie Spaß auf der Bühne haben. Vinnie Who überzeugten mit ihrer Disco Musik gleich dreimal in Groningen. Sie zeigten sich publikumsnah und sympathisch. Das Publikum dankte es ihnen und so waren viele bekannte Gesichter von Auftritt #2 auch bei Auftritt #3. Ben L’Oncle Soul war eines der bestbesuchten Konzerte des Festivals. Die Kombo um Onkel Ben macht aus Popnummern funkige Soullieder. So gaben sie zum Beispiel „Seven Nation Army“ und „Barbie Girl“ in eigenen Versionen wieder. Schön waren auch die liebevoll einstudierten Choreografien. Mehr Soul geht nicht. Etwas enttäuschend hingegen waren die Auftritte von Balthazar und Delorean. Gerade bei Balthazar scheint es so, als ob man mit ganz vielen Instrumenten und vielen Stimmen und viel Action von der eigentlichen Musik ablenken möchte. Experimentelle Musik schien überhaupt der Haupttrend des Eurosonics zu sein: es wurden Stile gemischt, Instrumente ausprobiert, Experimente gewagt. Da war eine Band wie The Picturebooks geradezu entspannend, da sie „einfach nur“ die Bühne rockten und das mit Leib und Seele. Ebenfalls gut besucht war das Konzert von Anna Calvi. Hier tummelten sich auffallend viele Fachbesucher, Pressevertreter und Fotografen. Die junge Britin die vom BBC auf der Sound of 2011 Liste gesetzt wurde, ist eine faszinierende Künstlerin mit einem undefinierbaren Stil. Anna Calvi glänzt mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz, die es dem Zuschauer verbietet abzuschweifen.
Am Schönsten ist es allerdings, wenn man sich beim Eurosonic verläuft, eine Planänderung verpasst hat, oder sonst irgendwie auf einem Konzert landet, was man nicht eingeplant hatte. So passiert es zum Beispiel, dass man auf der Suche nach Norman Palm bei OqueStrada landete. OqueStrada ist eine portugisiesche Band die eine Mischung auf modernem Pop und traditionellem Folk macht und eine äußerst unterhaltsame Darbietung zum Besten gab.
Ein wirkliches Highlight des Eurosonics, bzw. der Groninger Musikszene ist Plato. Plato ist einer der wenigen Plattenläden, die es verstanden haben mit dem Vormarsch digitaler Musik einen neuen Weg zu finden. Zeitgleich zum Eurosonic findet dort nachmittags das Platosonic statt, d.h. viele der Bands spielen dort tagsüber Konzerte, die für jedermann frei zugänglich sind. So spielten hier unter anderen Crystal Fighters, White Lies, Vinnie Who und Bye Bye Bicycle.
Charakteristisch für Festivals geprägt von Fachbesuchern ist, dass das Publikum oft in einer beobachtenden Rolle steckt. Das heißt im Klartext, dass man in der ersten Reihe mehr Luft hat, als in der Letzten und dass immer höflich, aber selten wirklich fanatisch (wie Fans es tun) mitgemacht wird. Oft konnte man spüren, dass für die Bands viel auf dem Spiel steht, denn niemand kann wissen wer sich dort im Publikum befindet. Ein Patzer, fehlende Verbindung zum Publikum und es könnte eine vertane Chance sein, die nie wieder kommt. Die meisten Acts haben den Auftritt dennoch, oder gerade deswegen, gut gemeistert.
Das Fazit des Eurosonics ist, dass man sich häufiger mal verlaufen sollte. Das ist jedenfalls der Plan für das nächste Jahr. Einfach mal planlos sein…