Ein Album „Lungs“ zu nennen, das klingt nach Inbrunst, Volumen und Pathos. Florence And The Machine, amtlichen Namens die britische Sängerin Florence Mary Leontine Welch plus Band, schicken sich an, diese anfängliche Vermutung vollends auszufüllen. Wer wissen will, wie lupenrein-kompromissloser Pop weiblicher Stimmart im heutigen Musik-Wirrwarr zu klingen hat, liest weiter.
Dabei ist dieses Mädchen – im weiteren Verlauf vereinfachend Florence genannt – gerade einmal 23 Jahre alt, singt aber wie die gefragteste Paartherapeutin weltweit. Liebe – oder auch nicht (meistens nicht); das ist das inhaltliche Epizentrum von „Lungs“. Durchsetzt von bitterem Sarkasmus breitet Florence ihr Leben vor uns aus: „I’m going out, I’m going to drink myself to death / And in the crowd I see you with someone else /I brace myself ‚cause I know it’s going to hurt /But I like to think at least things can’t get any worse“. Das ist vielleicht nicht die hohe Kunst der Poesie, doch allemal direkt aus dem Leben gegriffen, glaubwürdig und bittersüß.
Die musikalische Seite von „Lungs“ nimmt sich dagegen weit weniger alltäglich aus. Am Einsatz verschiedenster Instrumente und Schichten wurde nicht gespart – ganz im Gegenteil: Hier wird dick aufgetragen! Zusammen mit Produzent Paul Epworth, der unter anderem Bloc Party, Friendly Fires und man höre und staune (kaum) Kate Nash produziert hat, ist Florence und ihren Mitstreitern ein großartiger Soundkosmos gelungen. Die Drums poltern gewaltig, schummerige Gitarren sirren und ein ganzes Orchestern setzt dem Bombast die Krone auf, über dem natürlich noch Florence‘ voluminöse und recht einzigartige Stimme thront. Manchmal, ja manchmal, ist es etwas zu viel des Guten, wenn sich die Songs in ihren lautstark ausgefüllten Crescendos regelrecht winden, aber das kann aufgrund der reinen Qualität der Melodien gut verschmerzen.
Der „Drumming Song“ klingt exotisch, orchestral und irgendwie ganz weit weg, „Kiss With A Fist“ hat sich bereits mit dem ersten Atemzug seiner zwei Minuten das wiederkehrende Airplay in der Indie-Disco gesichert. Abwechslungsreichtum kann man dem Album also nicht absprechen, nur textlich wird „Lungs“ relativ homogen zusammen gehalten. Ähnlich kontinuierlich perlen Melodien erste Güteklasse aus den Boxen, und obwohl die meisten Songs zusammen mit Paul Epworth oder Blur-Bassist Alex James geschrieben wurden, passen sie so perfekt zu der Sängerinnen Stimme, dass man meinen könnte, nur Florence selbst habe diese Fieberträume im alkoholgeschwängerten Halbschlaf ersinnen können. Diese Reinheit und Frische machen „Lungs“ zu einem der besten Alben des bisherigen Jahres. Der durchschlagende Erfolg, der die Band in Großbritannien bereits auf die großen Festivalbühnen und ins Fernsehen hob, gibt dem Ganzen recht: Ein neuer Stern am angelsächsischen Musikhimmel ist dem schwarzen Nichts entsprungen und wartet in all seiner glitzernden Fülle auf uns.
„Lungs“ erschien am 10. Juli via Island/Universal.
Den Song „Kiss With A Fist“ könnt ihr umsonst in der siebten Folge des Mainstage Umsonstladen herunterladen.