Frank Spilker ist Sänger und Texter der Vorzeige-Hamburger-Schule-Band „Die Sterne“. Und in allem Warten auf deren neues Album kann man sich jetzt erstmal über eine Solo-Platte von Frank freuen: „Mit All Den Leuten“ zeigt wieder einmal, dass Frank einer der größten Alltagsphilsophen unserer Zeit ist und die Dinge glasklar sieht. Umso schöner, dass das Ganze dann auch musikalisch gut klingt, schließlich ist Frank ja kein Poet… Oder doch?
Es steht jedenfalls fest, dass Frank auf diesem Album nicht alles allein gerissen hat. Begleitet wird er von Mathias Tex Strzoda am Schlagzeug und Max Knoth am Bass. So hat Frank also den Freiraum, sich dort auszutoben, wo er es gut kann: An Gitarre und Mikrophon. Und all diese Texte sind eben auch sein Werk. Und da findet man dann auch genau das wieder, was man von ihm erwartet hat. Aber gehen wir das Album doch mal Track für Track durch.
Der Eröffnungstitel „Ich Steh Heut Auch Mal Hinter Der Bar“ läutet das Album angemessen ein. Mit einem fröhlichen, rhythmischen Gitarrenriff beginnt das Lied, auf welchem Frank dann seine Erfahrungen aus dem Nachtleben mitteilt.
„Man hört lauter Sachen, die vielleicht gar nicht stimmen.
Und denkt so, man kennt jetzt die Szene von innen.“
Ein Gefühl, dass wohl jeden samstags beschleicht, wenn einem irgendein Betrunkener wieder die blanke Wahrheit versucht darzulegen. Nach dem ersten Refrain setzt dann sogar noch Backgroundgesang ein und man kommt aus dem Fußwippen einfach nicht mehr heraus.
Titel 1 geht ununterbrochen in Titel 2 über. Man kennt das ja, dieser witzige Effekt, am Ende eines Liedes einen Teil des Folgenden schon anzuhängen. In diesem Fall ein Schlagzeugsolo, super gemacht, aber äußerst unpraktikabel für Mixtapes! Das Lied trägt den Titel „Es sieht gut aus“ und man merkt der Frank Spilker Gruppe hier wirklich die Freude am Spielen an. Und Frank sagt selbst…
„Das Leben ist ein Buch und du kannst ja wohl lesen.
Du musst nur hinten nachsehen, wie es weitergeht!“
wäre das Kafkaeskeske, was er jemals von sich gegeben hätte.
Das dritte Lied hört auf den Namen „Ex-Lover’s Paintings“. Und das erleben wir nun in den Dekaden, die Frank Spilker bereits Musik macht, zum ersten Mal: Er singt auf Englisch! Und es fällt einem zuerst gar nicht mal wirklich auf.
„Maybe it’s the nature of art itself, or whatever it is, that hurts.
It’s probably just the wrong kind of respect,but she’s keeping her ex-lover’s works“
Das Lied bettet sich perfekt in den Rest des Albums ein, es passt einfach dazu. Und da ist dieses monotone Bass-Gezupfe, dass sich durch das ganze Stück zieht. Wamm wamm wamm. Also wieder einmal: Fußwippgarantie.
Der folgende Titel, „Ich weiß genau was du denkst ist nicht richtig“ hätte man problemlos auf der letzten Sterne-Platte „Räuber&Gedärm“ unterbringen können. Wenn Frank tönt
„Ich weiß genau, was du jetzt denkst, ist nicht richtig.
Es ist auch nicht wirklich wichtig!“
fühlt man sich doch sehr an „Es gibt nichts Spannenderes“ erinnert. Was dem Lied ja aber mit Sicherheit keine Minuspunkte gibt, ganz im Gegenteil. Da ist wieder dieser Riff… Toll! Klingt teilweise sogar schon elektronisch an.
Das nächste Lied ist wohl das Schwächste der Platte. „Das war ihr Leben“. Sowohl musikalisch irgendwie flau, auch der Text dazu haut einen nicht vom Hocker.
Next one, please:
„Ein einsamer Mann“. Na also! Das hier ist Folk, das hier ist Blues, das hier ist Rock. Das hier ist irgendwie so eine Mischung aus all dem. Und dann singt Frank dazu einen Text, der einem das Herz bricht…
„Warum geht genau immer dann was schief, wenn es gerade gut läuft, Mama?
Und wie kann es sein, dass sich grad bei mir alles Unglück häuft, Mama?“
Und trotz dieser Lyrics, die eine Sehnsucht nach der Unabhängigkeit der Kindheit, ein Streben nach Hilfe darstellen, wirkt dieses Lied alles Andere als traurig. Sehr paradox, dass man sich beim Grinsen erwischt, wenn Frank singt „Ich bin einsam, Mama“. Aber hoffen wir einfach mal, dass es ihm selbst dabei auch gar nicht so schlecht geht. Es wirkt zumindest so, da das repetitive „Mama“ lediglich zum folkigen Aspekt beiträgt.
Das nächste Stück, „Ich geh gebückt“, konnte man schon länger auf Franks Myspace hören und es wurde im Februar bereits als 7″-Single auf Vinyl veröffentlicht.
„Wie läufts denn bei dir so, hast du vielleicht Glück?
Du gehst wie du gehst – Ich geh gebückt!“
Das Lied ist textlich das Gesellschaftskritischste des Albums, da werden dann auch gerne mal Leute mit großen Gärten angeklagt, da sie von der wirklichen Welt nichts mitbekommen in ihrem Glamourleben. Nur um danach dann zu rekapitulieren: Zu denen würde man eigentlich auch gerne gehören.
Das nächste Lied, „Der Mond Und Ich“ existiert theoretisch schon seit 1987. So lange wartet es schon auf eine Veröffentlichung und jetzt ist es erst soweit. Schönes Stück Musik, laut Frank nach einigen Tassen Rum entstanden. Und man fühlt sich direkt etwas mit ihm betrunken, wenn man die schiefe Bassline hört und Frank dann mit dem Mond kommunizieren.
„Erst schuf Gott den Mann, dann schuf er die Frauen.
Als er sah, was kommen würde, ist er abgehauen.
Aber wir haben ja noch uns, nicht wahr, Mond?“
Der nächste Titel trägt den Namen „Me Only“ und ist das zweite englische Stück auf der Platte. Sehr gutes Lied, nimmt fast amerikanische Verhältnisse an. Darf ich Morrissey sagen? Oh, und da ist sie wieder, diese Bassline. Wipp wipp.
„Give me your car, I want to take a ride.
Into the morning light, into the night.
And out of it again.“
Das nächste Lied darf man wohl als ironisch gemeint auffassen. Es heißt „Kommt alle her“, aber die Aufzählungen an Sachen, die zu ihm kommen sollen, möchte man nun wirklich nicht bei sich haben. Oder hat jemand spontan Lust auf besoffene Spießer, gekränkte Gestalten und schlüpfrige Bemerkungen? Musikalisch gemütlich unterlegt, aufgewertet durch Banjo statt Gitarre. Und niemand geringeres als Jakobus Siebels (JaKönigJa) hat dort die Saiten gezupft.
„Ich feier dich“ ist das nächste Lied und eines der Highlights dieses Albums. Laut Frank ein Selbstgespräch, er setzt auf „Party Therapie“, es muss ja nicht immer gleich die Kapitulation sein.
„Weißt du was, ich mag dich nicht.
Du bist mir viel zu sehr ich.
Doch was bleibt mir übrig:
Ich feier dich!“
Man kann seinem eigenen Kopf so schwer entfliehen. Message Ende. Die Musik dazu? Gut. Gitarre. Bass. Schlagzeug. Kennt man ja.
Das letzte Lied der Platte trägt den Titel „Mit All Den Leuten“. Wenn man das so liest, erwartet man sich ein fröhliches Lied, das Zusammensein abfeiernd. Aber nein, nicht so ganz. Hier geht es um Kampf, hier geht es um Krieg. Und schon wieder einer dieser Songs, der sich perfekt auf der „Räuber&Gedärm“ gemacht hätte, erinnert sogar direkt an den Titeltrack ebendieses Albums. Nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch gleichen sich die Songs ziemlich. Rhytmischer Bass, jagender Gitarrenriff.
„Was immer ihr regiert, ist nicht die Nacht.
Was immer hier passiert, ist nicht gesagt.
Wen immer ihr repräsentiert, von all den Leuten!“
Das Lied kann stolze 8 Minuten an Länge aufweisen und endet in aufbrausendem Instrumentgewitter.
Ziehen wir nun also mal Schlussstrich: Ist jemanden die gedankliche Meisterleistung aufgefallen? Der Sänger beginnt bei der Unsicherheit, der Einsamkeit, Zweifel und endet in der feierlichen Umarmung seiner selbst und in den Armen der Masse. Der innere Rückzug wird zum Aufbruch nach außen, zu einer Lebensumarmung bei kritischem Bewusstsein.
Da ist man grad noch so beschäftigt mit Reflektieren und ganz überrascht, dass noch ein Lied folgt. Nicht umsonst auf dem Album als „Bonus“ gekennzeichnet ist das Lied „Antipopkurs“. Weder thematisch noch musikalisch passt das ins Gesamtbild, macht aber wahnsinnig Spaß.
„Wenn du schon Geschichten erzählst, sei bitte vorsichtig,
dass man dem Vortrag nicht anmerkt, wie wichtig dir der Inhalt ist.
Hör bitte auf deine Gedanken klar zu strukturieren, das will nun wirklich niemand hören.
Und scheiß auf den Reim!“
Dazu muss man erwähnen, dass das Wort „scheiß“ auf 10 Sekunden Länge gezogen wird! Richtig schön noch elektronisch aufgemotzt, Background-Repeat. Klasse Idee und sowieso macht der ganze Song ziemlich Spaß. Ein gelungendes, abrundendes Ende, um den Hörer nicht vollkommen grübelnd wieder in die böse Welt dort draußen zu entlassen.
Alles in allem: Ja ja ja! Endlich was neues von Frank! Und es klingt so gut! Nur will es mir nicht so ganz einleuchten, warum man für diese Lieder ein Soloalbum brauchte. Es erinnert in vielen Teilen an Die Sterne. Das ist ja auch sehr gut, diese Band ist der Wahnsinn, aber bis auf die beiden englischen Titel findet man hier nichts revolutionär Neues. Trotzdem: Thumbs up, Frank. Eine fantastische Platte.
VÖ: „Mit All Den Leuten“ erscheint am 22.03.2008 auf Staatsakt.