Wer den Künstlernamen Gonzales in den Mund nimmt, der spricht ihn mit Ehrfurcht aus. Denn Gonzales ist viel mehr als nur das Solo-Projekt einer wandelnden Musikmaschine, sondern vor allem Dokument einer Zeit, in der alles möglich scheint. Nach „Soft Power“ in 2008 folgt jetzt sein neues Album „Ivory Tower“ und überrascht auf ein Weiteres.
Doch zunächst paar Worte zur unumgänglichen Biographie dieses Mannes. Angefangen hat er in der elektronischen Szene und zahlreiche Remixe für Bands wie Daft Punk oder Placebo auf die Beine gestellt. Später war er dann eine Weile Schlagzeuger für Iggy Pop und arbeitete als Produzent für das erste Feist-Album. Ein offensichtliches Multitalent, das nicht lange seine Finger still halten kann. So kam es auch, dass er schnell eigene Musik auf Platte pressen wollte – Und siehe da, „Ivory Tower“ ist in diesem Jahr bereits die Nr. 7 in seiner Diskographie.
Was zunächst wundert, ist ein Blick in die Credits. Niemand geringeres als Alex Ridha aka Boys Noize hat hier produziert. Wer Alex von seinem eigenen Projekt her kennt, erwartet nun krassesten Electro. Aber dem ist nicht der Fall. Selbst, wenn es bei Gonzales nicht überraschen würde. Er hat sich schließlich selbst nie in die Schranken verwiesen und von ruhigen Jazz-Songs bis hin zu Hip Hop und Dance schon alles ausprobiert. Aber auf diesem Album widmet er sich eher der düsteren Seite des Pop zu, streut Einflüsse aus den 70ern ein und lässt für manche Momente auch den Bass eines Boys Noize an die Oberfläche klopfen. Dieses Album ist so vielfältig wie der Künstler selbst. Und spätestens bei dem Vocal-orientierten „The Grudge“ sollte „Ivory Tower“ niemanden mehr kalt lassen. Eine mitreißende Klaviermelodie und dazu Gonzales mit Sprechgesang und betont satirischen, wenn nicht sogar gehässigen Texten. Wer bisher dachte, Klassik und Rap passen nicht zusammen, sollte sich hier von dem Gegenteil überzeugen lassen.
Biblisch betrachtet ist der Ivory Turm übrigens das zweite Tor, das in den Schlaf führt. Während das Gate of Horn dem Schlafenden ruhige Träume beschert, führt der Ivory Turm in einen Schlaf voller unwirklicher und teuflischer Träume. Wer sich von Gonzales auf diesem Album hineinführen lässt, erlebt eine schlaflose und berauschende Reise. Er zeigt, wo es lang geht. Folgt ihm! Denn egal, welchen Weg er geht, er macht es richtig.
VÖ: „Ivory Tower“ erscheint am 20.08.2010 auf Gentle Threat.