Langsam neigt sich eine monströse Lesetour dem Ende entgegen: Seit Anfang diesen Jahres ist der Hamburger Barde Heinz Strunk mehr oder weniger ohne Unterbrechung unterwegs, um aus seinem aktuellen Roman „Fleckenteufel“ zu lesen. Jener erschien im Januar im Rowohlt-Verlag und ist nach „Fleisch ist mein Gemüse“ ein weiterer Erfolg des Künstlers.
Mit Buch und Querflöte bewaffnet betritt Strunk die Bühne, um dem Publikum sein bekanntes „Grüß, grüß“ entgegen zu schmettern und seine neue Performance aus der „grotesk aufgeblähten Produktpipeline“ anzukündigen. Auch ließ er es sich nicht nehmen, eine paar Worte zur Marketing-Strategie des „einstmals renommierten Rowohlt-Verlags“ zu verlieren. Dieser positionierte „Fleckenteufel“ marktstrategisch bekanntlich als Replik auf „Feuchtgebiete“ und lehnte selbst die Aufmachung an Charlottes Roches Bestseller an. Dies vor allem zum Ärger Heinz Strunks, der darüber offensichtlich weniger erfreut war.
Die bereits erwähnte Querflöte habe Strunk quasi eher aus steuerrechtlichen Gründen mitgebracht. Mit zwei Flöten-Passagen im Verlaufe des Abends, wolle er deutlich machen, dass die Lesung eine Kunst- und keine Werbeveranstaltung des Verlages sein soll. Man wolle von der Gage nicht 19 Prozent Mehrwertsteuer abführen, wie es bei Verkaufsveranstaltungen üblich ist. Das „Heinzer“ allerdings wirklich das Instrument beherrscht war dem ein oder anderen vielleicht schon bekannt. (Siehe: hier)
Nach diesen schmunzelnden „Informationen in eigener Sache“ folgten zwei Stunden aus der Lebenswelt des 16-jährigen Protagonisten Thorsten Bruhn: 1977. Christliche Kirchenfreizeit. 14 Tage abgeschnitten von der Zivilisation. Pubertät, Hormonüberschwall, Dauergeilheit. Als erstes kann ich nach dieser Lesung nur sagen, dass ich selten so lange am Stück exzessiv lachen musste. Die Geschichte, die uns da aufgetischt wurde war einfach purer Wahnsinn.
Auch wenn Wurstblätter wie die Tageszeitung „WELT“ unreflektiert skandieren: „Heinz Strunk ist uns zu dreckig“ und damit sicher nicht die einzigen Meinungsmacher sind, die mit dieser Art des Humors nicht umgehen können, war ich im Publikum bei weitem nicht der einzige, der sich vor Lachen nicht halten konnte. Und es war ein tolles Gefühl sich mit anderen Menschen zu kringeln. Im Gegensatz zum heraufbeschworenen Kollektiven eines (Rock)-Konzerts und der dabei zelebrierten Verbrüderung, die immer auch kritisch betrachtet werden sollte, hat dieses gemeinsame Lachen doch etwas Angenehmeres.
Im ersten Teil der Lesung zitierte Strunk fast ohne Unterbrechung den ersten Tag der Kirchenfreizeit, um das „Setting“ zu verdeutlichen. Nachdem er sich während der Pause in „sein Kabuff“ verzog, um laut eigenen Angaben, den Alkohol- und Drogenpegel aufrecht zu halten, las er im folgenden zweiten Teil eher ausschnitthaft aus den verschiedenen Tagen der Freizeit. Vermischt wurden diese kürzeren Fetzen immer wieder mit Volks- und Weihnachtsliedern („Reise, Reise!“) und Flötenspiel. Der Bericht über das Völkerballspiel, ebenso wie das letzte gemeinsame Essen waren wohl die mit am lustigsten, respektive beeindruckendsten Passagen. Protagonist Thorsten realisiert kurz vor der Abfahrt schließlich, dass diese vierzehn Tage, trotz aller Schikanen und kruden bis verhassten Gestalten, zu seiner schönsten Jugendzeit gehören werden. Vielmehr noch werden sie später in der Erinnerung zur Repräsentanz vergangenen Zeit werden: zur Repräsentanz aller Irrungen, Wirrungen und Erlebnisse seiner Jugend.
So endete der Abend auch, natürlich in verkürzter Form, mit dem Ende des Buches. Die Lesung gab so ein sehr schönes, rundes Bild ab – was der ein oder anderen Lesung ja bekanntlich immer wieder einmal fehlt. Man kann sich nur auf das nächste Werk von Heinz Strunk freuen und jenen, die (wie ich) das Buch noch immer nicht gelesen haben, die gute Alternative einer Lesung ans Herz legen.