The Show must go on – unter diesem Motto könnte man das diesjährige, ausverkaufte Highfield Festival zusammenfassen, das letztmalig am Stausee Hohenfelden bei Erfurt zu Gast war. In drei Tagen feierte das Publikum zahlreiche hochkarätige Bands – und vor allem sich selbst. Von Erfurt bis Alaska und Australien, das Line-Up war bunt gemischt und bot für (fast) jeden Geschmack das Richtige.
Dabei merkte man zu jeder Zeit, dass das Highfield Festival sich zu einer festen Institution in der (ost-)deutschen Musiklandschaft entwickelt hat. Die Organisation war durchgehend löblich, auch verdursten musste dieses Jahr auf dem Campingplatz niemand, denn an den erstmals aufgebauten Getränkemärkten konnte man sich kostengünstig mit Bier, Mineralwasser und anderem eindecken. 25 000 Besucher erscheinen auf den ersten Blick relativ viel und auch die Camping- und Parkplätze waren deutlich größer als in den vergangenen Jahren, doch Ausmaße à la Hurricane oder Rock am Ring erreicht das Festival noch lange nicht. Man hat den Eindruck, als wäre das Highfield irgendwo im Mittelmaß angekommen – zu groß für ein gemütliches, feines Open-Air, aber doch auch nicht groß genug für beispielsweise zwei große Bühnen. Doch gerade dies macht auch den Charme aus: wenig Überschneidungen bei den Auftritten der Bands, kein Gerenne, meist viel Platz vor der Bühne und gute Sicht auf die Künstler. Und um genau diesen essenziellen Bestandteile eines Festivals soll es nun im folgenden gehen.
Freitag, 21. August
Als zweite Band des Festivals boten Port O’Brien dem noch kaum vorhandenen Publikum kauzigen Indie-Folk der besseren Sorte dar. Die Band aus dem fernen Alaska um Sänger Van Pierszalowski schien dabei die Festivalatmosphäre voll zu genießen und hinterließ einen mehr als sympathischen Eindruck. Dass die Band kaum hierzulande auftritt, gab dem Ganzen eine mehr als exklusive Note.
Was danach folgte, kann man getrost als einen der frühen Höhepunkte des Festivals bezeichnen. Get Well Soon um ihr musikalisches Epizentrum Konstantin Gropper machten aus ihren 40 Minuten Spielzeit so viel wie es wohl kaum jemand erwartet hatte. Klingt das Debütalbum „Rest Now Weary Head, You Will Get Well Soon“ eher gesetzt und zurückhaltend entwickelt sich daraus live eine echte Noise-Rock-Oper einer wahnsinnig gut eingespielten Band. Dazu gab es noch Hits wie das mitsingtaugliche „If That Hat Is Missing I’ve Gone Hunting“. Was will man mehr? Und ja, das vermeintlich melancholische Winteralbum kommt auch an einem warmen Nachmittag am See wunderbar zur Geltung.
Und Schnitt! Mit The Wombats folgte eine komplette musikalische Umorientierung auf der Bühne. Drei Liverpooler, die mit nur einem Album bereits seit zwei Jahren touren und alle tanzwütigen Festivalgänger begeistern. Energetisch und druckvoll für ein Trio spielen sie auf, man muss eher die Stellen suchen an denen man nicht mitklatschen könnte. Obwohl sie einige neue Songs zum Besten gaben, so langsam wird es dann doch Zeit für ein neues Album.
Wer dachte, dass der partytechnische Zenit des frühen Abends mit den Wombats erreicht worden sei, wird im Zelt bei Shantel & Bucovina Club Orkestar eines Besseren belehrt. „Disko Partizani“ steht auf dem Programm und diesem Ruf folgen einige, das Soundwave-Zelt ist bis zum Bersten gefüllt und die Stimmung bombastisch. So gut wie alle Füße bewegen sich, keiner steht still, kein Wunder bei diesem mitreißenden Potpourri aus Balkan-Beats, Elektro, Soul und diversen anderen Zutaten.
Etwas Entspannung ist anschließend bei Clueso angesagt. Der Lokalmatador aus dem kaum 15 Kilometer entfernten Erfurt bietet mit seiner Begleitband eine routinierte Performance, gleichzeitig legt sich die Nacht auf den Stausee. Eine perfekte Einstimmung auf das, was folgen soll. Nämlich die Auftritte zwei der bekanntesten britischen Bands der Stunde: Es erwartet uns das Doppel aus Maximo Park und den Arctic Monkeys.
Kurz nach 22 Uhr ist es dann soweit, der Mann mit dem charakteristischen Hut und seine Kollegen betreten unter frenetischem Beifall die Bühne. Nach einigen Songs ist klar, es gibt viel vom neuen Album „Quicken The Heart“ zu hören, doch auch alte Favoriten wie „Graffiti“ oder „Limassol“ kommen nicht zu kurz. Anfangs trübt der zu höhenlastige Sound das Vergnügen, doch mit der Performance wird auch der Sound immer besser. Besonders Sänger Paul Smith tobt wie ein Berserker über die Bühne, immer mit dem typischen breiten Grinsen auf dem Gesicht. Maximo Park liefern sympathische Singalongs feinster Machart, das dürfte gegen Ende jeder Zuschauer verstanden haben.
Sind die Arctic Monkeys wirklich headlinertauglich? Diese Frage dürfte sich im Vorhinein so mancher gestellt haben. Spätens als die mittlerweile frisurtechnisch von Äffchen zu Affen gereiften Jungs um Mitternacht loslegen ist klar: die Antwort lautet ja! Es gibt zwar keine große Show, keinen Bombast und auch keine Ansagen, aber man hängt trotzdem wie gebannt an Alex Turners Lippen. Die Show fällt zeitgleich mit dem deutschen Release des neuen Albums „Humbug“, folglich kennt niemand die neuen Songs, die reichlich vorgetragen werden. Was man heraushören kann ist der Einfluss von Produzent Josh Homme. Manche Riffs erinnern an den ominösen Desert Rock, für den der große Mann mit den roten Haaren seit Jahren steht. Bei alten Krachern wie „Still Take You Home“ oder „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ gibt es kein Halten mehr, das juvenile Ungestüm der Hits überträgt sich in aller Herzen. Als dann auch noch mitten im Publikum ein bengalisches Feuer entzündet wird, um das im Kreis getanzt wird, hat man ihn: den magischen Festivalmoment! Ein wirklich erfrischender Auftritt und dazu noch deutschlandweit exklusiv, zumindest was den Sommer angeht! Mit der ätherischen Hymne „505“ lassen die Jungs aus Sheffield den ersten Festivaltag langsam ausklingen.
Samstag, 22. August
Nach einer mehr oder weniger durchwachten Nacht legen Spinnerette am darauffolgenden Nachmittag ordentlich los. Die Band um Sängerin Brody Dalle (Ex-Distillers) zeigt uns posenreichen Punkrock. So ganz will der Funke allerdings nicht überspringen, auch wenn sich Dalle, die mit Queens Of The Stone Age-Sänger Josh Homme verheiratet ist, allergrößte Mühe gibt, die formvollendete Rampensau zu mimen.
Panteón Rococó sind eine echte Festivalband. Kaum einen Gig lässt das Kollektiv aus Mexico City diesen Sommer aus, was auch wenig verwundert, denn die Band ist ein echter Stimmungsgarant. Bei feurigem Mestizo-Rock wurde so manchem früh Aufgestandenen warm ums Herz.
Echte Stilbrüche in der Abfolge des Line-Ups sind beim Highfield Programm. So durften nach der mexikanischen Partycrew die Hamburger Herren von Tomte die Hauptbühne entern. Das Set bestand größtenteils aus Songs des aktuellen Albums „Heureka“ und alten Klassikern wie „Korn & Sprite“. Den meisten Applaus erntete Thees Uhlmann allerdings mit seiner Aufforderung an das Publikum, möglichst viele NPD-Wahlplakate in Thüringen, das in wenigen Tagen Landtagswahlen erwartet, zu demontieren.
Wenn eine Band den Begriff „leichtfüßig“ vergangenes Jahr neu definiert hat, dann waren das diese vier Studenten aus New York. Sie nennen sich Vampire Weekend, ihre Musik nennen sie „Oxford Comma Riddim“. Afro-Beats, relaxter Indie und hochinfektiöse Melodien, auf diesem Fundament kann man aufbauen. Genau so sympathisch wie die Musik war der Auftritt der Band um Sänger Ezra Koenig. Mit einer reichlichen Spielzeit von einer Stunde ausgestatt wurde das gesamte Album so wie einige neue Songs vorgetragen und man hatte wirklich das Gefühl, dass nach 55 Minuten alles gespielt wurde, was das Bandrepertoire je zu bieten hatte. Entspanntes Tanzen war ob des spärlichen Publikumszuspruchs auch in den vorderen Reihen möglich. Ein echter Höhepunkt des Festivals! Was noch verraten werden darf: Die neuen Songs wie das rastlose „Cousins“ knüpfen nahtlos an die Vorgänger an und gehen sofort in Ohr und Beine. Alles wie gehabt also!
Den Abend beschließt für uns das Doppel aus den Maccabees und den Baddies im Zelt. Zwei britische Newcomer-Bands also, die sich hauptsächlich im gitarrenlastigen Metier bewegen. Die Musik der Maccabees kommt in der direkten Atmosphäre der Zeltbühne sehr gut beim Publikum an, die Laut-Leise-Wechsel sorgen für andächtiges Staunen. Es ist schon beachtlich, dass viele der angesagten britschen Hipster-Bands es doch immer wieder schaffen, einen relativ eigenen, unverwechselbaren Sound zu kreieren. Ähnliches gilt für die Baddies, die ohne bisher auch nur ein Album veröffentlicht zu haben, den Headliner-Slot am späten Abend abgestaubt haben. Etwas härter und verzerrter als artverwandte Kollegen spielen die vier Briten auf, adrett gekleidet in Hemd und Bundfaltenhose. Sänger Michael Webster erntet dabei mit seinen spastischen Verrenkungen und irrwitzigen Blicken so einige ungläubige Blicke. Eine intensive Performance, auch wenn manche Stücke noch nicht voll ausgereift klingen.
Sonntag, 23. August
Am letzten Festivaltag am Stausee wagen wir uns erst zu AFI auf das Festivalgelände. Ein Fehler, wie sich schnell herausstellt. Der Sound kränkelt enorm und auch sonst wirft der Auftritt der vier Amerikaner nicht viel Gutes ab. Das Emo-Outfit ihrer früheren Tagen hat die Band aber offensichtlich im Schrank gelassen. Damit ist auch ihre Unverwechselbarkeit dahin und die Musik wirkt bei Tageslicht betrachtet noch gewöhnlicher.
Dann doch lieber ins Zelt zu The Temper Trap. Der Soundcheck gestaltet sich langwierig, drei Gitarren wollen gut abgemischt werden. Als es dann doch endlich losgeht, erwartet uns eine angenehme Überraschung. Die fünf Australier spielen eine unverkrampfte Show voller eigener, unverkopfter Gitarrenmusik. Der Sänger uns unbekannten Namens windet sich dabei leidenschaftlich im Takt und schafft es, einige Besucher im leeren Zelt zum Mittanzen zu bewegen. Vielleicht erwartet uns da wirklich Großes aus Melbourne, Ende November kommen The Temper Trap wieder auf Tour nach Deutschland.
Derweil legt draußen eine der einflussreichsten Nu Metal-Bands überhaupt los, die Deftones. Und diese teilen gleich ordentlich aus, Sänger Chino Moreno kreischt und jault wie eh und je und wirft sich voller Inbrunst fast ins Publikum. Gitarrist Stephen Carpenter packt zu jedem Song eine andersfarbige Klampfe des gleichen Typs aus. Der Sound ist megafett, man merkt das Fehlen des nach einem Autounfall im Koma liegenden Bassisten Chi Cheng kaum, denn Ersatzmann Sergio Vega hat Freude am Spielen und kommt aus dem Lächeln nicht mehr heraus. Ein wirklich professioneller, überzeugender Auftritt nach dem man sich erst langsam wieder ins Gedächtnis rufen muss, dass die Deftones musikalisch in einer ganz eigenen Sphäre schweben, die mit Nu Metal nun wirklich gar nichts mehr zu tun hat.
Im Anschluss versetzen die Hardcore-Recken von Rise Against das Publikum nochmal in Verzückung. Von hinten sieht es fast so aus, als wäre der gesamte vordere Wellenbrecher ein einziger, riesiger Pogo-Mob. Der allgemeinen Stimmung nach zu urteilen ist dies die Band, wegen der viele Besucher ausschließlich gekommen sind. Selbst auf dem Weg in Richtung Parkplatz wird wild getanzt und mitgesungen. Zusammen mit den Toten Hosen hat man hier wohl zum Abschluss eine echte Konsensband eingekauft.
Fazit
Das Highfield steht für sich und immer irgendwo zwischen den Stühlen. Das Line-Up war abwechslungsreich, aber sehr gitarren- und punklastig. Mittlerweile muss man Festivals, auf denen weder Die Ärzte, Die Toten Hosen oder Teile davon auftreten, fast schon suchen. Doch erwähnte, exklusive Acts wie Port O’Brien, Vampire Weekend oder auch die Arctic Monkeys machten diesen Wermutstropfen mit ihren erinnerungswürdigen Auftritten wieder wett. Dass manche Festivalbesucher mit der surrealen Festivalatmosphäre offensichtlich nicht klarkommen und sich ohne Sinn und Verstand und teilweise bis zur Besinnungslosigkeit volllaufen lassen ist man ja leider schon gewohnt, auch dieses Jahr fiel dieser Umstand negativ auf. Ob es sich dafür lohnt fast 100 € auszugeben, sei dahingestellt.
Es ist Zeit sich vom Stausee Hohenfelden zu verabschieden, die ansässigen Landwirte wollen ihre Felder in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stellen. Das Highfield wird seinen Namen behalten und wird innerhalb der neuen Bundesländer umziehen. Damit verlieren Thüringen und gerade die Region Erfurt einen musikalischen Anziehungspunkt, was ob der spärlich gesäten Events in der Gegend zu bedauern ist. Im Gespräch ist unter anderem ein Areal mit mehreren Seen bei Leipzig, das für die Olympia-Bewerbung der Stadt angelegt wurde. Wo auch immer die Reise hingeht, das nächste Highfield wird eines der Herausforderungen. Es wartet viel organisatorische Arbeit auf die Veranstalter und man braucht kein Prophet zu sein, um sagen zu können, dass der Transfer eines Festivals dieser Größenordnung auf ein komplett neues Gelände einige Probleme und Unwägbarkeiten mit sich bringen wird. Man darf also gespannt sein!
Sehr schöner Bericht!
Teile deine Ansichten weitgehend.
Mal schauen, wie das Highfield im nächsten Jahr aussieht.
Gruß Herr Jeh
jaja,sehr schön gemacht joe:)