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I Am In Love & Elster Club | 14. 04. 12 | radio 98eins, Greifswald

Irgendwie fügt es sich wunderbar, dass die britische Formation I Am In Love, deren Texte so manch anzügliche Passage aufweisen, im Studentenclub Kiste den vorerst letzten Auftritt ihrer Welt-Tournee bestreiten. Auf Einladung des greifswalder Lokalsenders radio 98eins ist außerdem das Leipziger-Trio Elster Club in die pommersche Hansestadt gereist. Neben tanzbaren Rhythmen bekommt der Besucher vor allem angelsächsisches Pathos geboten.

Veranstalter Lutz Eggebrecht flitzt aufgestachelt durch den frisch renovierten Club, in dessen Foyer sich die gastgebende Radiostation mit einem Stand aufgebaut hat, an dem sich der Besucher zum einen über die Sendevielfalt informieren und zum anderen kleine Präsente vom Radiergummi bis hin zum Zündhölzchen einstecken kann. Eggebrecht ist Chef der Musikredaktion des Radios und maßgeblich daran beteiligt, dass die beiden Bands den Weg in den Norden Mecklenburg-Vorpommerns gefunden haben. Im späteren Verlauf des Abends wird der hauptberuflich in der Gesundheitsbranche arbeitende Greifswalder noch als DJ fungieren und darüber hinaus zu Protokoll geben, der Abend sei ganz nach seinem Geschmack verlaufen. Und nicht nur nach seinem. All jene, die sich an diesem Abend im Club Kiste wiederfinden, der zwischen den schroff in die Höhe ragenden Fassaden der Vorstadt fast ein wenig eingezwängt wirkt, werden mit einem Lächeln auf den Lippen den Heimweg antreten.

Während die Plattenbau-Idylle des greifswalder Randbezirks Schönwalde zumindest visuell für die drei Sachsen von Elster Club nichts Neues ist wird spätestens in dem Moment klar, als Thomas Stötzner das Kind auf offener Bühne einfach beim Namen nennt. Etwas Spektakuläres sei dennoch passiert. „Wir haben das Gekreische der Möwen gehört. Morgen gehts an die Ostsee!“ Vorher jedoch gilt es jedoch das vorwiegend studentische Publikum in Bewegung zu bringen, was, wenig überraschend, vorzüglich gelingt. Nicht umsonst sind die drei jungen Männer mittlerweile in nahezu jeder Indie-Butze der Republik in Dauer-Rotation präsent. Das Rezept ist dabei gleichermaßen simpel, wie erfolgsversprechend. Auf das saftige Fundament aus Samples, Synthesizern und allerhand weiterer elektronischer Spielereien, legen Stötzner und Bassit Christian Barden ihre Hook-Lines, die unmittelbar in die Beine fahren. Dazu Stötzners herrlich affektiert klingender Akzent und fertig ist die Hit-Single. Zumindest, wenn es nach der euphorisch vor der Bühne tanzenden Menge geht. Denn von Beginn ihres knapp einstündigen Konzerts haben Elster Club ihr Publikum fest im Griff. Songs wie „Marie Anne“ oder „The Grand Stalker“ entfalten ihre Wirkung vollends, sodass eine Zugabe nach verschwitzten 50 Minuten Spielzeit nahezu obligatorisch fällig wird. Diese gibt es dann in Form von „I come along“. Dass das Auditorium sicher besser hätte gefüllt sein können, stört in diesem Moment keinen. Weder Band noch Publikum, die gemeinsam das tun, wofür sie just in Greifswald sind: Sie feiern, als ob die nächste Pflicht nicht in Sicht wäre.

Der nächste Programmpunkt steht indes noch für diesen Abend auf der Agenda: I Am In Love, ursprünglich aus Leceister, mittlerweile in London ansässig scharren bereits mit den Hufen. Schnellstmöglich wird der Umbau bewerkstelligt. Es finden sich nunmehr drei zusätzliche Trommel auf der Bühne, drei Synthesizer, zwei Keyboards und ein Schlagzeug. Die Ausrichtung des in der englischen Heimat bereits finanziell erfolgreich musizierenden Quartetts wird bereits durch den bloßen Augenschein deutlich. Spätestens allerdings als die vier Musiker dann die Bühne betreten, fügt sich das Bild zu einem großen Ganzen. So erscheinen Sänger Seb mit Kaputzen-Jacke, Gitarrist Martin und Schlagzeuger Ed in knallengen Röhren-Jeans und Keyboarderin Nicci im gestreiften Top ganz im Stile des Klischees. Dass die Briten weit mehr auf dem Kasten haben, als gut auszusehen, wird direkt mit dem Auftakt ihres epischen Sets deutlich. Fast 10 Minuten ist „London“ lang und schlüsselt wunderbar die Maximen auf, an denen I Am In Love ihre Musik orientieren. Ein dicht wabernder Teppich aus Synthesizern, eine mit reichlich Delay gespielte Gitarre und ein von der Variation her minimalistisches Schlagzeug. Als leitende Instanz Sebastians Stimme, die er gerne im Falsett erklingen lässt. Und das bei einer nicht unbedingt zierlichen Statur. Waviger Indie-Pop zwischen Editors und FM Belfast ist wohl die am treffendste Beschreibung für das musikalische Schaffen der Engländer. Im Gestus erinnern die vier Musiker ebenfalls an die Szene-Ikonen. Gitarrist Martin könnte sich etwa aufgrund seiner geschmeidigen Bewegungen bei Foals eingliedern, ohne dabei merklich aufzufallen. Ähnlich wie Elster Club bemühen sich auch I Am In Love redlich um ihr Publikum, was mitunter dadurch deutlich wird, dass Sänger Seb samt seiner Trommel von der Bühne hinab steigt, um diese inmitten der begeistert applaudierenden Gäste zu schlagen. Spätestens jetzt ist der ganz große Zirkus in der pommerschen Kleinstadt angekommen. Wozu der Lichttechniker im Übrigen immens beiträgt, denn die Künstler sind auf der Bühne ausschließlich als von Trockeneis umgebene Silhoutten zu erkennen. Fast ein wenig demonisch stehen sie im Lichtkegel der in Richtung Publikum ausgerichtete Scheinwerfer, die sich psychedelisch im Nebel brechen. Eine Illuminierung, an der wohl auch Pink Floyd ihre Freude gehabt hätten, wenn diese jemals in Greifswald aufgetreten wären. Beeindruckend kutzweilig fliegen die 70 Minuten dahin, bis die Band die Bühne verlässt und vom nun frenetisch jubelnden Publikum zurück geholt wird. Beschwingt kündigt Sebastian an, als Zugabe drei Stunden lang Tiere imitieren zu wollen. Aus drei Stunden werden immerhin knapp 3 Minuten und anschließend der Song „Call me an animal“.

Nach dem Abbau lassen sich I Am In Love beim Einladen in den Tour-Bus den Namen des Clubs übersetzen. Mit einem gehörigem Schuss Amüsement: „Willst Du mit mir in die Kiste gehen?“ flachsen Seb und Martin schließlich mit einem breiten Grinsen. Nicht nur die Greifswalder scheinen Gefallen an den Briten gefunden zu haben, umgekehrt ist dies offenbar auch der Fall. Als die Engländer längst in ihrem Quartier in der Greifswalder Innenstadt angekommen sind, wird in Schönwalde noch lange getanzt. In der Tat: Ein Abend nach dem Geschmack vieler. Und bereits zu diesem Zeitpunkt erwies sich als vorgezeichnet, welche Musik am Montag im Programm von radio 98eins laufen würde.

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