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Im Gespräch mit My Chemical Romance

chem.Anfang Mai waren My Chemical Romance gezwungen ein Konzert nach dem anderen auf ihrer USA-Tour abzusagen, da ein Großteil der Band unter einer Lebensmittelvergiftung litt. Glücklicherweise war dies bei ihrer Europatournee im April nicht der Fall und so konnten wir die beiden Gitarristen Ray Toro und Frank Iero, sowie Bassist Mikey Way vor ihrem ausverkauften Konzert in Köln treffen.

Wie geht es euch?

Frank: Mir geht es gut!
Es geht dir also besser?
Frank:
Es geht mir viel besser. Ich weiß nicht, was es war. Zuerst dachte ich, es sei eine Lebensmittelvergiftung. Ich denke, ich war wirklich krank, ich hatte eine Art 48Stunden Virus oder so was ähnliches. Ich musste mich übergeben und es war schrecklich, es ging mir wirklich, wirklich schlecht. Aber jetzt geht es mir viel besser. Auch wenn ich heute Morgen aufgewacht bin und mich gefühlt habe, als ob ich wieder krank werde. Naja, ich weiß nicht… es fühlt sich anders an.
Ray: Jeder fühlt sich krank. Und wisst ihr warum? Weil es im Bus so verdammt kalt ist.
Frank: Daran liegt es!
Mikey: Ich glaube, eine Zigeunerin hat dich verflucht.
Frank: Oh!
Mikey: Du wirst immer krank.
Frank: Das stimmt. Deshalb hab ich auch gerade diesen Schal an. [auf seinen Hals zeigend] Überall hier tut es weh. Aber das ist mir scheißegal!

 

 

 

 

Wie würdet Ihr die Entwicklung eurer Band beschreiben?

Frank: Woah, du meine Güte… Ich denke, es ist wie das Erwachsenwerden eines Menschen. Wir haben als völlig verschiedene Menschen, junge Leute, die gerade erst der Band beigetreten sind, angefangen. Ich kannte die anderen nicht wirklich gut…
Ray: Ich kannte Mikey und Gerard und unseren alten Drummer, aber Frank habe ich erst kurz bevor er zur Band gestoßen ist, kennen gelernt. Ich denke, es ist so wie er gesagt hat: eine natürliche Entwicklung vom Beginn bis hin zu dem Punkt, an dem wir jetzt stehen. Man lernt sehr viel und sieht sehr viel.
Frank: So ist es. Sechs Menschenleben. In so einer kurzen Zeit, vor allem wenn jemand neu dazu kommt, man lernt auf dem Weg Dinge über sich selbst und beginnt je älter man wird sich mehr und mehr an das zu erinnern, was man als Kind gehört hat. Es geht immer weniger um die neuen Dingen, die man entdeckt, denn das Zeug, das uns wirklich wichtig ist, das wir im Herzen tragen, das Zeug, das uns inspiriert, ist das, was uns unsere Eltern früher schon vorgespielt haben: Klassisches, Classic Rock und Blues. Ich denke, je älter man wird, desto mehr begreift man, dass man an dem festhalten sollte, was man früher schon kannte.
Mikey: Ich denke, wenn auf unserem letzten Album nicht das Erscheinungsjahr stehen würde, wären die Vocals die einzige Möglichkeit, woran man erkennen könnte, aus welcher Zeit es stammt.

 

 

 

Euer drittes Album sollte zuerst The Rise and Fall of My Chemical Romance heißen?-

 

 

 

 

 

Frank: Oh nein, das war nicht ernst gemeint.
Wirklich?
Frank:
Das haben wir einfach gesagt, weil wir einen Namen für das Album brauchten. Aber es war…naja, es war ein Witz.
Mikey: Sonst hätten wir uns mit Anwälten rumschlagen müssen.
Frank: Es ist schon komisch, weil es doch irgendwie war wie bei der Ziggy Stardust Platte und bei unserem Album…
Ray: Ja, das stimmt. Das war sogar bevor wir-
Frank: Bevor wir uns überhaupt dazu entschieden haben, ein Alter Ego anzunehmen. Bevor wir überhaupt an The Black Parade gedacht haben oder daran, eine ganz andere Band zu werden. Wir haben es einfach als The Rise and Fall bezeichnet und eigentlich war es ein Insider. Weil ich jedem erzählt habe: „Weißt du, egal ob es das beste Album wird, das je jemand gehört hat… jeder wird es sowieso hassen!“ Also war es erst der Aufstieg und dann eben der Fall. Der Insider war lediglich, dass jeder das Album hassen wird.
Also habt ihr den Titel nicht wirklich geändert.
Frank:
Genau. Vieles, was wir uns ausdenken, fängt als Insider an.
Mikey: Yup!
Frank: Wir haben einen ziemlich komischen Humor, wir sind einfach ziemlich nerdy, wenn es um Comics und alte Filme, Filme im Allgemeinen und so geht. Wir albern einfach rum und dann wird daraus eine Idee und wir denken uns: “Hey, das ist irgendwie lustig, wir sollten das wirklich versuchen!”. Und manchmal machen wir Sachen, die wir für lustig halten, aber die für andere überhaupt nicht lustig sind.

 

 

 

 

War es für euch von Anfang an klar, dass The Black Parade ein Konzeptalbum sein wird oder hat sich das erst während eures Schreibprozesses ergeben?

 

 

 

Ray: Ich glaube, es hat sich irgendwie entwickelt.
Frank: Aber wir wussten von Anfang an, dass es von etwas Bestimmtem handeln wird.
Ray: Ja, genau.
Frank: Also, es…
Irgendwie?
Frank:
Ja, irgendwie. Ich glaube, das ist die beste Antwort darauf. Die ganze Antwort auf diese Frage ist quasi “irgendwie”. Es sollte wirklich etwas total anderes sein, es sollte etwas wie ein Morality Play werden. Ich denke, es ist ein Konzeptalbum, eine Rockoper… wie immer man es nennen will. Es ist eine Geschichte, die zur Musik erzählt wird. Wir wussten, dass wir das machen wollten, aber wir hatten keine Ahnung, wie die Leute das dann nennen würden.

 

 

 

 

Wie hat sich die Geschichte des Patients von den ersten Ideen bis hin zur letztendlichen Fassung entwickelt?

 

Frank: Den Patient gab es bis zur Hälfte der Albumaufnahmen noch gar nicht.
Ray: Ja, es hat eine Weile gedauert, bis er sich von einem kleinen Charakter bis hin zu einer Person, mit der man sich identifizieren kann, entwickelt hat. Ich denke, die Überlegungen, in welcher Reihenfolge, die Songs angeordnet werden sollten, haben das endgültige Ergebnis der Story sehr beeinflusst.
Frank: Ja. Die Hauptcharaktere springen dich regelrecht an, wenn du das Album hörst. Rob Cavallo hat vorgeschlagen, dass wir die einzelnen Songs in der Reihenfolge aufnehmen sollen, wie sie auch auf dem Album sind, so dass wir wirklich eine Handlung aufbauen können. Und das war wirklich eine tolle Idee. Als wir uns zusammengesetzt haben, um zu entscheiden, wie die Story verlaufen sollte, kamen die Hauptcharaktere ins Spiel. Als das Album dann fertig gestellt war, ist uns ein weiterer Charakter aufgefallen, der zwar nie wirklich erwähnt wird, aber auch einer der Hauptcharaktere ist: die Freundin oder der Freund des Patients. Derjenige wird nur nie wirklich erwähnt. Aber es gibt eine Menge Songs aus der Sicht dieser Person oder Songs, in der der Patient mit demjenigen redet. Ich denke, genau deshalb ist es so leicht sich mit der Platte zu identifizieren. Es geht um eine Person, die zwei Gesichter hat und ich denke, das kennt jeder. Und der Patient… das sind wir alle. Er war immer da, aber er ist uns erst durch das Anordnen der Songs so richtig aufgefallen.

 

 

 

 

War es Zufall, dass ihr für das neue Album mit Rob Cavallo nicht nur den gleichen Produzent wie Green Day für American Idiot hattet, sondern mit Sam Bayer auch den gleichen Regisseur für eure ersten beiden Videos?

 

ray.

 

Frank: Ja, irgendwie schon.
Ray: Das war nicht wirklich nur deswegen…
Frank: Sie meinten zu uns: „Ihr solltet euch diese Typen mal anschauen!“ und wir haben es dann getan. Wir kannten Rob bereits. Und so ist das eben im Musikbusiness, man weiß einfach wer oben mitmischt. Ich kannte Rob seit ich dreizehn war, als ich das erste Mal Jawbreakers „Dear You“ gehört habe. Und seitdem fand ich ihn unglaublich toll. Und Sam… verdammt, er hat Smells like Teen Spirit gedreht, dagegen kann man nichts sagen. Manche seiner Videos sind einfach unglaublich. Und wir wussten, dass wir die Band in einem anderen Licht zeigen wollten.
Wenn ihr Rob treffen würdet, wüsstet ihr, warum wir ihn ausgesucht haben. Er ist einfach ein verdammtes Genie. Wir haben den Jungs von Green Day erzählt, was wir vorhatten und sie meinten sofort, dass wir uns an Rob wenden sollten, weil er perfekt für das sei, was wir haben wollten. Wir wussten schon bevor wir mit ihm geredet hatten, dass er in einem Interview gemeint hatte, er würde gerne mit uns arbeiten. Und als wir das hörten, dachten wir, dass wir ihn vielleicht billiger bekommen könnten [lacht]. Als wir dann mit ihm geredet haben, er uns im Studio besuchte und die Songs hörte, hatte er sofort total viele Ideen. Wir waren so begeistert, weil er wirklich perfekt für das Album war.
Ray: Ich denke, mit Sam war es genauso. Wir haben uns mit ein paar Regisseuren getroffen und ließen sie ins Studio kommen, um ihnen etwas vom Album vorzuspielen. Gerard hat ihnen ein paar Skizzen gezeigt und wir haben ihnen das Konzept erklärt. Es war Sams Reaktion auf all das, die uns zeigte, dass er der Richtige war. Er hat sich unsere Musik angehört und du konntest sehen, wie sein Kopf raucht, wie ihn die Musik inspirierte und er Ideen hatte, was er tun wollte. Die Leute, mit denen du zuvor gearbeitet hast sind wichtig dafür, mit wem wir in Zukunft arbeiten. Du siehst dir an, was sie vorher gemacht haben und denkst: „Oh, sie haben verdammt gutes Zeug gemacht“, aber das entscheidet nie alleine. Es geht darum, wie sie dann mit dir zusammenhängen und so hat es sich einfach ergeben, dass diese beiden Jungs die besten für den Job waren.

 

 

 

 

Welche Pläne habt ihr für die Zukunft? Es sind wahnsinnig glaubwürdige Gerüchte im Umlauf, dass ihr beispielsweise bis 2010 mit der Black Parade touren wollt-

 

 

 

Frank: Oh je…
Mikey: Mit 2010 meinten sie eigentlich 2050!
Ray: Was war das andere Gerücht? Erzählt uns das andere Gerücht!
Dass ihr euch auflösen wollt.
Ray:
Genau das wollen wir tun. Wir wollen beides machen!
[Sänger Gerard Way bringt die Setlist]
Ray: Ernsthaft, nichts davon stimmt.
Frank: Wir wissen noch nicht, was wir tun wollen. Ich weiß ja noch nicht mal, was ich morgen machen werde.
Ray: Wir werden bis zum Ende des Jahres, vielleicht bis zum Anfang nächsten Jahres mit diesem Album touren und dann… keine Ahnung.
Frank: Wir brauchen eine Auszeit.
Ray: Ja. Ich denke, wenn wir uns dazu entscheiden, eine Pause zu machen, werden wir neue Sachen schreiben. Wenn wir uns dazu entscheiden, neue Sachen zu schreiben, werden wir bestimmt eine Pause machen.
Frank: Ja, wahrscheinlich… ich würde gerne in Sachen Musik etwas anderes machen oder einfach etwas nur zum Spaß, wenn wir eine Pause machen. Und dann erst sollten wir uns mit dem neuen Album beschäftigen…
Mikey: Ich weiß, wo das Gerücht herkommt.
Frank: Es stammt wahrscheinlich von dir, weil du Scheiße über uns redest.
Mikey: Ach was… auf dem Cover von Metal Hammer stand so was wie: „Ist das das Ende von My Chemical Romance?“ und darunter, dass wir es nicht schaffen würden, dieses Album zu übertreffen.
Ray: Wer hat das denn gesagt?
Frank: Ich hab das jedenfalls nicht gesagt. Hätte ich das gesagt, würden sie es nicht drucken… Wahrscheinlich würden sie es tun, aber sie würden behaupten, dass Gerard es gesagt hat. Ich hab The Sun ein Interview gegeben und sie haben einfach so getan, als ob Gerard alles gesagt hätte, was ich gesagt habe. Sie haben nicht einmal erwähnt, dass ich überhaupt da war. Sie haben irgendwas geschrieben wie: „unbekannte Person betritt den Raum“.
Er ist nunmal der Sänger und so der einzig Wichtige…
Frank:
Ja, ich weiß… Er kam doch rein und hat die Setlist gebracht, nicht wahr?
Ray: Jap.
Frank: Ach, Mist. Jetzt hat er auch alles in diesem Interview gesagt.

 

 

 

 

Ihr spielt nur noch selten Songs von eurer ersten Platte I brought you my bullets, you brought me your love. Wie kommt es dazu?

 

Frank: Wisst ihr warum? Weil manche sie hören wollen und wenn wir sie dann spielen, sind alle ruhig…
Mikey: Ungefähr 15 Leute im ganzen Publikum kennen das Album. Und es sind immer die 15 in der ersten Reihe und den anderen ist es einfach egal.
Frank: Ja, es ist traurig… Manchmal haben wir uns beim Setlist zusammenstellen überlegt, This Is The Best Day Ever zu spielen. Es ist ein düsterer Song und ich liebe es, ihn live zu spielen. Ich war mir sicher, dass es genial werden würde, dass das Publikum richtig abgehen würde. Und dann haben wir es gespielt und man konnte die Grillen zirpen hören, weil es so verdammt leise war. Das frustriert uns unheimlich.
Ray: Wenn überhaupt, werden wir diese Songs bei kleineren oder geheimen Konzerten spielen. In größeren Hallen kennen einfach nicht genug Leute aus dem Publikum das Album. Die meisten drehen sich um und gucken in die Luft.

 

 

 

 

Was denkt ihr von Fans, die sich Tattoos eurer Band wie Lyrics oder gar Comicfiguren von euch stechen lassen. Gibt es gute und schlechte?

 

Frank: Nun ja, zuerst mal sagen wir nicht, dass man das unbedingt machen muss. Es zeigt nicht, was für ein großer Fan du bist. Man muss das nicht tun, um der größte Fan zu sein. Ich denke, es ist wirklich sehr schmeichelhaft. Du hast das schließlich dein ganzes Leben lang. Da musst du echt hoffen, dass wir weiterhin gutes Zeug machen werden, denn wenn du die Band später hasst, musst du einen Drachen darüber stechen lassen.
Mikey: Alter, wenn du wirklich der größte Fan sein willst, musst du es dir im Gesicht stechen lassen!
Frank: Ich habe ein paar echt coole gesehen, aber ich denke, dass es auch wirklich dumme gibt. Manchmal zeigen dir Fans ihre Tattoos und du denkst: „Scheiße!“ aber du sagst natürlich “Whoa, das ist großartig!“. Manche sind echt sehr schmeichelhaft und sehr, sehr hübsch. Das eine Mädchen hat sich alle unsere Gesichter, die Gerard in diesem Comicstil gezeichnet hat, stechen lassen. Und das ist echte Hingabe. Du hast Gesichter von diesen Typen auf deinem Arm, dabei kennst du uns doch gar nicht so gut. Das ist echte Hingabe, das ist verrückt. Ich weiß nicht wirklich, was ich dazu sagen soll. Es ist aber wirklich schmeichelhaft. Aber man muss das nicht machen.

 

 

 

 

Eine eurer ersten Aufnahmen Like Phantoms Forever wurde kürzlich für über 600Dollar bei Ebay verkauft. Was haltet ihr von solchen Dingen?

 

Ray: WAS?!
[Die drei reden wild durcheinander und sind total überrascht]
Ray: Oh man, das ist echt verrückt! Die haben wir bei unseren ersten Shows verteilt…
Frank: Liebend gerne hätte ich das Geld in meiner Tasche. Wenn ihr es jemals hört- habt ihr es gehört?
Nee
Frank:
Es ist wirklich nicht gut!
Mikey: Ich glaube, ich treffe die Saiten gerade so.
Ray: Ich weiß nicht mal, welche Lieder da genau drauf sind.
Frank: Das sind die Attic-Demos. Das war sogar bevor Mikey überhaupt in der Band war. Hast du da nicht Bass gespielt?
Ray: Ja, das kommt alles aus dem Computer.
Mikey: Die CD wurde 1832 von unseren Urgroßvätern aufgenommen!

 

 

 

 

Bei unserem letzten Interview haben wir Tim Kasher von Cursive und The Good Life gefragt, ob er eine Frage für euch hat. Er würde gerne wissen, ob ihr etwas von Oscar Wilde gelesen habt, weil er denkt, es könnte euch gefallen.

 

Mikey: Dieses eine mit dem Bild…
Dorian Gray
Mikey:
Genau, das habe ich gelesen.
Ray: Das mochte ich auch.
Frank: Er ist echt witzig und geistreich. Das mögen wir echt. Ich bin kein riesiger Fan von ihm. Um ehrlich zu sein, mag ich das ganz billige Zeug. Ich liebe Stephen King. Das packt mich wirklich… Ich sitze nicht in meiner Koje und lese Nietzsche. Ich habe zwar Bücher von ihm, aber ich lese sowas nicht aus Spaß. Oscar Wilde ist toll… aber er ist nicht mein Lieblingsautor.
Mikey: Ich glaube, Morrissey hat alle seine Songtitel aus Oscar Wildes Büchern.
Ray: Wenn ihr ihn mal wieder seht, müsst ihr ihn fragen, ob er Tennessee Williams gelesen hat. Das würde ihm bestimmt gefallen!

Danke für eure Zeit!

 

 

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