Startseite » Im Gespräch mit Tim Kasher von Cursive

Im Gespräch mit Tim Kasher von Cursive

tim.

Tim Kashers Lieblingsfarbe ist grün. Und am liebsten isst er Pasta.

Da das nun geklärt wäre, können wir ja nun die wichtigeren Dinge besprechen.

Wir haben gelesen, dass man Cursives Musik nicht als Emo beschreiben sollte, da es dafür zu melodisch sei. Was hältst du davon?

Nun, ich wusste nicht, dass etwas, das zu melodisch ist, nicht Emo sein kann. Ich denke nicht, dass das der Grund dafür wäre. Das sind nicht die Kriterien, nach denen ich entscheiden würde, ob unsere Musik Emo ist oder nicht. Ich denke, dass Emo eine Bewegung sein soll oder sogar eine ganze Generation. Eine Generation, die jünger ist als ich, die mit Emo aufgewachsen ist und die davon überzeugt war, dass das etwas ist, was sie unterstützen wollten. In meinem Alter erscheint einem Emo einfach nur als ein negatives Genre. Dieses Etikett, das uns auferlegt wurde, wurde nie ausgewählt, um uns und unsere Musik näher zu beschreiben – es war einfach nur eine faule Art, unsere Musik zu umschreiben.
Ich weiß nicht, ob es darum geht, ob es melodisch ist oder nicht. Ich denke nicht, dass es noch einen Grund gibt, überhaupt über Emo zu reden – zumindest nicht in einem Gespräch über uns. Emo ist einfach nur etwas, das Major Labels heutzutage benutzen, um eine neue Sorte von Punkrock oder etwas Ähnlichem zu produzieren.

Eure Alben sind meist entweder Konzeptalben oder lassen zumindest einen starken Zusammenhang zwischen den einzelnen Songs erkennen. Ist das beabsichtigt oder passiert es einfach während der Aufnahmen zu den verschiedenen Alben?

Es war irgendwie beides. Früher hätte ich einfach ein Album geschrieben und dann am Ende die Songs herum geschoben und bemerkt, was es eigentlich war, über was ich da wirklich geschrieben habe. Dann hätte ich das Konzept darauf bezogen fertig gestellt. Manchmal mache ich das immer noch so, aber über die Jahre hinweg habe ich angefangen etwas mit einer bestimmten Bedeutung zu schreiben und so lange an der Platte zu arbeiten, bis ich diese Idee umsetzen konnte.

Wie und wo schreibt Ihr eure Texte? Schreibt jeder für sich seine eigenen Ideen auf oder schreibt ihr immer gemeinsam? Habt ihr Notizbücher bei euch, um alles sofort aufschreiben zu können?

Ich denke es ist irgendwie beides. Es gibt nur ein paar verschiedene Varianten. Manchmal schreibe ich zuerst die Melodie, ohne dabei den Text zu beachten und schreibe diesen dann erst später. Wenn ich aber erst den Text schreibe, habe ich immer überall Notizen herumliegen, auf denen steht, über was ich schreiben will.

In Rise Up! Rise Up heißt es: “Rise up! Rise up! Live a full life / cause when it’s over, it’s done”. Denkst Du, dass das für dich als Person gilt?

Oh ja, ich denke schon. Ich denke, dass sollte für die Öffentlichkeit und die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gelten. Die Textzeile ist eine Reaktion auf eine Tendenz, dass viele sehr religiöse Menschen manchmal einfach all ihr Vertrauen in die Hände ihres Gottes legen und sich selbst nicht bemühen, in der Annahme, dass sich Gott um sie kümmern wird.

Wie hat sich Cursive verändert sei Gretta Cohn ausgestiegen ist?

Es waren einfach verschiedene Arten von Veränderungen von Domestica bis zu The Ugly Organ. Die Dinge haben sich einfach verändert, seit wir angefangen haben mit Cellos zu spielen. Von The Ugly Organ zu Happy Hollow ergaben sich Veränderungen, als wir uns von Streichern abgewendet haben, hin zu anderen Instrumenten, wie Hörnern und Ähnlichem. Ich denke, alles was sich verändert hat, ist auf musikalischer Ebene abgelaufen. Ich habe nie die Art geändert, wie ich schreibe, außer eben das Weglassen von einigen Celloparts, die ich früher geschrieben habe.

Wie würdest Du Cursives Entwicklung, ausgehend vom Beginn bis heute, beschreiben?

Ich denke, dass wir versuchen, einfach weiterzumachen, uns weiter zu entwickeln… wir versuchen, mit unseren eigenen Gedanken und unserem eigenen Reifeprozess und mit dem, was wir selbst an Musik, Filmen, Büchern schätzen Schritt zu halten. Manchmal ist es schwierig… Cursive war vor zehn Jahren ganz anders. Cursive war vor fünf Jahren ganz anders. Manchmal ist es sehr schwierig, die gleiche Bezeichnung zu behalten. Wir versuchen einfach uns zu entfalten und hoffen, dass andere Menschen sich mit uns entfalten. Das kann ermüdend sein.
Angenommen, da wäre ein Filmemacher, den du wirklich magst und mit der Zeit dreht diese Person verschiedene Filme. Aber wenn du dich weiter- und verschiedene, neue Interessen entwickelst, dann magst du diese verschiedenen Filme trotzdem noch.
Als Songwriter hoffst du, dass auch du verschiedene Interessen in deinem Leben hast, die sich dann in die Musik übertragen. Musikalisch gesehen, schätze ich natürlich jeden, der Cursive hört. Am meisten bin ich an denen interessiert, die die Entwicklung verstanden haben, die wir mit jedem Album gemacht haben, weil ich denke, dass sie alle Sinn ergeben. Wenn jedoch jemand Rock oder Hardrock mag und aufgrund dessen auch Domestica, das eben auch immer noch der Punkt in seinem Leben ist, an dem er sich befindet, dann ist das auch okay so. Aber ich sehe es deshalb keinesfalls als meine Pflicht an, verschiedene Versionen von Domestica auszukoppeln, weil ich jetzt andere Sachen veröffentlichen möchte.

Bevor ihr mit den Aufnahmen zu Happy Hollow begonnen habt, wolltet ihr eine einfache Popplatte machen. Denkst du, dass ihr das jemals schaffen werdet, ohne dass euch etwas Aussagekräftigeres in die Quere kommt?

Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber ich denke, dass diese Gefahr bei einem Songwriter immer besteht. Wenn wir mit der Produktion eines neuen Albums beginnen, habe ich immer eine ziemlich klare Vorstellung, wie es klingen soll. Aber diese Ideen und Vorstellungen verlaufen sich meist im Laufe eines Jahres. Was wir dann am Ende wirklich aufnehmen, ist wohl eine Version des eigentlich Geplanten, aber nicht wirklich die eigentliche Vorstellung, mit der wir begonnen haben. Vielleicht ist es genau deshalb so schön immer weiter zu machen und immer am Schreiben zu sein, weil man immer versucht, diesem Ideal näher zu kommen.

Was denkst du über Fans, die deine Texte bei einem Konzert laut mitsingen? Manche Songwriter scheinen es nicht zu mögen, weil sie ihre Texte als zu persönlich betrachten.

Ich kann keine Beispiele nennen, aber ich kann mir vorstellen, dass es wahrscheinlich Musik gibt, bei der es unpassend ist, mitzusingen. Ich denke allerdings eher an ein Opernhaus mit Aufführungen, die viel stärker von der Performance abhängen. Aber dort, wo ich spiele und worum es bei uns geht, auch wenn wir unsere Musik gerne als Kunst betrachten, ist es im weitläufigen Sinne immer noch Rock’n’Roll. Also, ich verstehe nicht, wieso man sich deshalb angegriffen fühlen sollte. Bei jeder Show, die ich spiele, ist es so, dass das Publikum entweder dadurch versucht ein Teil davon zu sein und noch bedeutender, versucht einem Komplimente zu machen, einem zu zeigen „Ich kann den Text so gut“, „Ich mag den Song so sehr“. Ich bin Sänger leid, die das zu einer riesigen Sache machen. Es muss Situationen geben, bei denen es einen viel kleinen intimeren Moment geben soll, wie beispielsweise im Rahmen eines Auftritts eines Folksingers. Da könnte es den Moment kaputt machen, wenn von 700 Menschen 200 mitsingen würden… aber ich habe noch nie etwas derartiges erlebt.

Welche Pläne habt Ihr für Cursive nach dieser Tour?

Wir werden für einen Monat im Vorprogramm von Mastodon und Against Me! in den USA spielen. Danach werden wir wahrscheinlich hier und da spielen, wie es sich ergibt. Das soll aber die letzte Tour für dieses Album sein. Dann werden wir wieder anfangen an neuem Material zu schreiben.

Hast Du auch für The Good Life Neues geplant?

Oh ja, wir nehmen gerade ein Album auf. Ich denke, es wird wohl im Dezember veröffentlicht werden.
Es sind die gleichen Mitglieder wie schon bei Album Of The Year [Anm. d. Verf.: Stefanie Drootin, Ryan Fox und Roger Lewis] und es wird wohl ziemlich spärlich ausfallen, weil wir uns auf die vier Mitglieder konzentrieren wollen, statt Streicher oder ähnliches einzubinden. Es wird sehr Akustik-orientiert sein, also wieder ganz anders als Cursive.
Und natürlich hoffe ich, dass es Euch gefallen wird!

Da sind wir uns fast sicher, Herr Kasher!

Wir freuen uns über deinen Kommentar: