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James Vincent McMorrow | 24.11.2011 | Brotfabrik, Frankfurt

Der lange goldene Herbst wehte auch einige goldene Stimmen in hiesige Konzerthallen. Uns kam die besondere Ehre zuteil, in den vergangenen Wochen die erste kleine Deutschland-Tour von James Vincent McMorrow präsentieren zu dürfen. In diesem Rahmen konnte das irische Ausnahmetalent auch in der Frankfurter Brotfabrik von den Livequalitäten seiner einzigartigen Stimme überzeugen.

Auch wenn er eigentlich noch viel zu mild für kuschelige, mit Singer/Songwriter-Folk verzierte Abende war, bot dieser Bilderbuchnovember die perfekte Kulisse für die atmospherischen Songs des irgendwo zwischen immer-noch-Geheimtipp und wohlverdientem Hype anzusiedelnden Debutalbums „Early in the Morning“ von James Vincent McMorrow, das sich wiederum als perfekter Soundtrack für sonnendurchflutete Nachmittage im Raschellaub beweisen konnte.

Bevor der von vielen sehnlich erwartete Liedermacher an diesem Donnerstagabend die Bühne des Kulturzentrums Brotfabrik im Frankfurter Teil Hausen mit seiner Präsenz erfüllte, wusste die Frankoamerikanerin Maïa Vidal mit ihren schnippischen Pop-Chansons garniert mit starker und zugleich zarter Stimme zu überzeugen. Mit Gänseblümchenkranz im Haar, allerhand Instrumenten von Akkordeon über Violine bis hin zu Glockenspiel und anderem bunten Plastikgerät setzte sie zusammen mit ihrem Gespielen Simon einige Stücke ihres kürzlich erschienenen Albums „God is my Bike“ um, von denen vor allem „The Waltz of the Tick-Tock of Time“ in Ohren und Beine überging.

Genau dort knüpft James Vincent McMorrow mit seiner stampfenden Uptempo-Nummer „The Sparrow and the Wolf“ als stimmungstreibender Opener an, um anschließend mit „And If My Heart Should Somehow Stop“ die ersten Seufzer im Publikum zu provozieren. Er braucht nur den Mund aufzumachen, aus dem zugegeben auch ein beeindruckend Spektrum an unglaublichen Lauten ertönt. Die Anwesenden lauschen gebannt den in die nicht selten an Justin Vernon erinnernde Falsett- oder sanft-warme Soulgesänge gekleidete Geschichten von brechenden Herzen, Wildnis und Einöde.

Jenseits seines Gesangs zunächst konsequent wortkarg und konzentriert, die Augen geschlossen, auf den Boden oder starr über das Publikum hinweg in die unbestimmte Ferne schauend, hält der 28-Jährige während den ersten Liedern seine Gitarre fest umklammert. Er scheint sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen und ganz in der in den meisten Stücken besungenen bittersüßen Einsamkeit aufzugehen, geteilt mit einem ganzen Saal voll ergriffener Menschen.

Das Eis bricht spätestens in winzige Würfel und schmilzt dahin, als seine Band die Bühne verlässt, dieser junge bärtige Mann am Piano Platz nimmt und verlautet, dass er an dieser Stelle eine Coverversion darbiete, wozu normalerweise zwei Stücke zur Auswahl stehen. Doch noch bevor er die Qual der Wahl andeuten kann, hat ihn das Publikum schon dazu überredet, einfach beide zu spielen. Wird gemacht. Das zu Wohltätigkeitszwecken aufgenommene „Higher Love“ von Steve Winwood, das schon eine Weile durch verschiedene Online-Musikplatformen geisterte, gewinnt durch die McMorrow’sche Ansprache und anschließende Interpretation an völlig neuer Qualität und scheint wie für sein einzigartiges Organ geschrieben.

Obwohl James Vincent McMorrow seiner entschwundenen Bande hinterher gerufen hatte, dass sie sich erst zum übernächsten Stück wieder zu ihm gesellen bräuchten, stürmt diese natürlich trotzdem unwissend die Bühne. Halb amüsiert, halb gespielt resigniert seufzt ihr Häuptling: „Because nobody’s listening to me…“, das bei der späteren Bandvorstellung noch auf die Spitze getrieben werden soll. Auch eher amüsiert als irritiert durch die ungewohnte Anwesenheit seiner munter ihre Instrumente stimmenden Kollegen, entfacht der Ire von der einen auf die andere Sekunde mit seiner Intonierung von „Hope There’s Someone“ von Antony And The Johnsons erneut Gänsehaut im ganzen Raum. Das Piano spielt er einhändig, die andere hat mit einer Standtrommel zu tun und hätte er mehr als zwei, könnte man fest davon ausgehen, dass diese entsprechend noch mehr Instrumente beherrschen würden.

Doch besonders das Zusammenspiel mit seinem fünfköpfigen Folkensembles gibt den Songs des in kompletter Eigenregie in einem einsamen Strandhaus komponierten Debuts ein wohliges Volumen und reichert sie mit runden Dolby Surround-Chorgesängen an, die von einer unübersehbaren Spielfreude verstärkt werden. Das verleiht nicht nur den quantitativ dominierenden ruhigeren Stücken eine besondere Intensität, sondern unterstreicht auch tatkräftig die dramatische Eruption in „From the Woods!“, in der außerdem die Energie James Vincents früher Hardcore-Sozialisation erkennbar wird.

Nach gut anderthalb Stunden purer Magie eines ungeschliffenen Rohdiamantens vermag es Herr McMorrow selbst einer totgespielten und fast vergessenen Schnulze wie Chris Isaaks „Wicked Game“ als Zugabe seinen ganz eigenen unverkennbaren Geist einzuhauchen und das Publikum in Gefühlszuständen zwischen schlichtweg baff und selig in sich hinein lächelnd in die Nacht zu entlassen.

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