„Benommen von den Impressionen“ – So, oder so ähnlich singen es die Stimmen einer Hamburger Band, die es damit schafft, auszudrücken, was uns nach einem so grandiosen Festival durch den Kopf geht. Vom 14. bis zum 17. Juli fand in Ferropolis, der „Stadt aus Eisen“ das Melt! Festival statt, das in der diesjährigen Ausgabe einen neuen Besucherrekord und damit auch erstmals das Ausbleiben eines finanziellen Verlusts verbuchen konnte: Über 13.000 überwiegend freundliche Menschen feierten an diesem Wochenende das „Gipfeltreffen des guten Geschmacks“ zusammen mit großartigen Indie- und Elektrokünstlern.
Es mag, vor allem bei einem Event, das sich auf der Rangliste der schönsten Festivalerfahrungen zweifelsfrei an die Spitze gesetzt hat, pädagogisch nicht sehr wertvoll sein, mit einer Kritik zu beginnen, doch muss das ob der chronologischen Berichterstattung hier sein: Leider wurden die Besucher erstmal mit unbeschreiblich langen Warteschlangen vor der Bändchenausgabe konfrontiert, war für viele, so auch für uns, bedeutete, die ersten Acts zu verpassen. So gelang es uns nur noch, das Abschiedsklatschen für The Kooks zu sehen, während der Auftritt von Daniel Benjamin komplett verpasst wurde.
Glücklicherweise gelang es den Jungs von We Are Scientists, die mit diesem Auftritt ihren ersten auf einem deutschen Festival erlebten, die dadurch leicht getrübte Laune schnell ins Positive umzustimmen. Tanzende Menschen auf der Bühne beglücken ein tanzendes Publikum – So soll es sein! Es folgte der Exklusivauftritt der Band, der es gefällt, auf der Bühne nach fast jedem Lied sowohl die Position als auch das Instrument zu wechseln: … And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Auch ihnen gelang es, das Publikum trotz eher nervenden und überheblichen Ansagen zu überzeugen. Dem kamen auch Art Brut nach: Ein gut gelaunter Eddie Argos, der zwar Schwächen in der Individualität seiner Sprüche zeigte, der aber trotzdem mithilfe all des typischen Charmes fast jedes Gesicht vor der Bühne zum Lachen bringt. Während im Anschluss die Franzosen von Phoenix die Menschen vor der Hauptbühne erfreuten, versetzte das Duo der Mediengruppe Telekommander das Zelt der Nebenbühne in einen absoluten Ausnahmezustand, zu welchem tausende junge Menschen die Beine in die Luft schmissen und den Boden förmlich zerstampften, was im Nachhinein noch mehr verständlich ist, da die Überschneidung mehrere Genres exakt dem Prinzip des Festivals entspricht.
Nach etwa einer halben Stunde erinnerte jedoch der Zeitplan an den folgenden Auftritt von Die Sterne, der nun also im „Melt! Klub“ stattfinden sollte. Klub? Festival? Indoor? Outdoor? Alle Zweifel verschwanden jedoch mit dem Betreten eben dieses Klubs, der sich in einem Steingebäude befand, welches sich am Rand des Geländes befand. Und wieder einmal schien es an Perfektion zu grenzen, was sich die Veranstalter da ausgedacht hatten: Ein Klub auf einem Open Air-Event: Ja, genau so! Hier gelang es den Sternen, sowohl mit alten Hits als auch mit vielen Songs des aktuellen Albums eine beachtlich große Menschenmenge zum Tanzen zu bringen.
Bevor es nach einem fast beendetem ersten Festivaltag in Richtung des Shuttlebusses ging, noch ein kurzer Gang auf die Toiletten, die der nächste berechtigte Grund für ein überdimensional großes Lob an die Veranstalter sind: Fernab von der gewohnten Dixiekultur befanden sich eben diese Toiletten auch in dem Gebäude am Rande des Festivalgeländes und waren dementsprechend festivaluntypisch eingerichtet: Spiegel, fließendes Wasser und Keramikbrillen. Das treibt einem doch trotz enormer Müdigkeit noch ein fröhliches Lächeln auf das Gesicht.
Nach einer kurzen Nacht (die Sonne hatte ihren Spaß daran, schon zu früher Stunde das Zelt in etwas Saunaähnliches zu verwandeln) begann der Samstag in dem Stil des Festivals: Ein ausgewogenes, preislich sehr akzeptables und einfach echt leckeres Frühstück im „Festivalrestaurant“ gefolgt von einem Besuch des direkt am Gelände liegenden Sees, der in seinem tiefblauen Schimmer sehr einladend aussah.
Die musikalische Eröffnung des Tages boten Klee, denen es schon gelang, eine gute Menschenmasse vor die Bühne zu ziehen, worauf dann das erste richtige Highlight des Festivals folgen durfte: die Editors. Ausgerechnet einer Band, die zwar aus England, nicht aber aus den üblichen Rock’n’Roll-Zentren des Landes kommt (so stammt z.B. Sänger Tom Smith aus dem kleinen Stroud), gelang es, eine wunderbar energetische Stimmung über das Publikum zu werfen. Wenige Worte, dafür unbeschreibliche Bewegungen zu Tönen, die denen des Tonträgers stark ähnelten, was dem ganzen aber ganz und gar nicht schadete!
Während als Folge dessen Blumfeld die Hauptbühne bespielten, überzeugte eine Band, die sich ganz untypisch mit einem Schlagzeuger als Frontmann und so auch Sänger gab, namentlich Das Pop, auf der Nebenbühne. Danach kam dann die erste ernsthafte Konfrontation mit dem Problemfaktor „Entscheidung“: Tomte oder PeterLicht? Im Nachhinein war es das einzig richtige, sich dafür zu entscheiden, nur die letzten Songs von Tomte zu verfolgen, die diese vor einem sehr tanzfähigen Publikum präsentierten, und dafür den kompletten Auftritt PeterLichts und damit das nächste Highlight zu verfolgen. Vor einem Publikum, das nahezu alles mitsang, dafür aber wider Erwarten vor keiner Leinwand und nur mit Akustikgitarre und einem Keyboarder gab es eine tolles Set zu hören, das schnell zeigte, wie sehr dieser Herr hinter seinen eigenen Liedern steckt.
Mit kurzer Verspätung betrat Mike Skinner alias The Streets samt Band die Hauptbühne und zum ersten Mal schien es, als sei nahezu das gesamte Publikum des Festivals, das sich zuvor ob der vielen Bühnen und der unterschiedlichen Genres stark verteilt hatte, vor der Hauptbühne versammelt. Da uns der Zeitplan jedoch mitteilte, dass nur 30 Minuten nach Beginn des Auftritt in dem bereits erwähnten, gemütlichen Melt! Klub die Band Kante beginnen sollte, begaben wir uns schnell in eben diese Richtung, was sich als die richtige Entscheidung erwies! Mit vielen neuen Songs, einer B-Seite, dem unentbehrlichen „Zombi“ und „Warmer Abend“ als perfekte Zugabe bildeten die sympathischen Hamburger den für uns perfekten Festivalabschluss.
Ja. Benommen von den Impressionen. Und immer noch erstaunt über die Mühe, die sich die Veranstalter bei der Organisation dieses Festivals zweifelsfrei gegeben haben. Es bleibt abzuwarten, ob das übertroffen werden kann. Ich bezweifle!
Galerie:
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schöne fotos, meins sohn.