Samstag, 01.07.2006. Der Kalender sagt also, heute sei es soweit. Zum 24. Mal findet das inzwischen größte „Umsonst und Draußen“-Festival Deutschlands in der Bonner Rheinaue statt: Das Rheinkultur-Festival. Ein Mann, dessen Sympathie für mich ein Grund darstellt, über die sich überhäufenden Sponsorenwerbungen, die er jeweils zwischen den Bands von sich gibt, hinwegzusehen, betritt die blaue Bühne. Mit einem Lächeln im Gesicht verkündet er die diesjährige, bei 150.000 Menschen liegende Besuchererwartung, die von den meisten schon Anwesenden eher sanft belächelt wird. Noch glaubt wohl niemand, dass dieser Wert am späteren Abend fernab von jeglicher Utopie sein wird.
Kein Vergleich zu der Äußerung hinsichtlich der Temperaturerwartung von 35°C, die wohl für alle bereits eingetroffenen Besucher als „schon übertroffen“ gilt. Neben vielen Menschen und hoher Luftfeuchtigkeit war der erste Samstag diesen Monats aber vor allem von wunderbaren Gitarrenklängen geprägt, auf die ich gerne genauer eingehe…
Mit dem Blick auf ein Publikum, das im starken Sonnenschein sicherlich gut gelaunt nach oben blickte, betraten die Damen und Herren der Bonner Band Astrophil & Stella pünktlich um etwa 13:20 Uhr die Bühne und es ist, trotz der sich noch gering haltenden Anzahl der Besucher, nicht zu bezweifeln, dass sich dort etwas abspielte, das im Folksmund gerne als „Heimvorteil“ bezeichnet wird. Doch ganz verdient gab es zu dieser für einen Samstag frühen Zeit schon so einige Menschen, die offensichtlich Spaß daran hatten, zu der Musik dieser Band zu tanzen, die sich am besten irgendwo zwischen Indie und Country einordnen lässt. Gute Musik von gut gelaunten Künstlern für ein gut gelauntes Publikum: Sehr gelungen!
Um 14:10 Uhr geschah dann etwas, womit ich, und so ging es den Blicken anderer zufolge nicht nur mir, bei Weitem nicht gerechnet hätte: Das französische Trio, namentlich Rhesus, betrat hinter Sonnenbrillen versteckt und dabei eine unglaubliche Lässigkeit ausstrahlend die Bühne. Und diesen Namen solltet ihr euch merken! Rechnet man doch um diese Uhrzeit eher mit „kleineren“ Acts, so hatten diese drei Musiker keine Mühe damit, mir schnell zu zeigen, dass sie eben das nicht sind. Im Gegenteil. Da kamen ganz unerwartet meist schnelle Beats und großartige Gitarrensounds, fast immer geprägt von sehr intensivem, tiefgehendem und melancholischem Gesang. Gepaart mit der Augenweide, dieser puren Ladung an Sexiness, die diese Band war, hat es viel Freude gemacht, ihnen zuzusehen. „… But I’m stuck here, waiting for something to happen!“ verriet der für Gesang und Gitarre zuständige Aurelien und legte die Messlatte für die folgenden Bands sehr, sehr hoch.
Obwohl es beim Anblick der Menschenmassen, die sich um etwa 15.20 Uhr vor der blauen Bühne versammelt hatten, schien, als könne die folgende Band an die Erwartungen von Rhesus anknüpfen, erwies sich dieser Gedanke leider als falsch. Ob es wieder einmal der Heimvorteil war, oder ob es auch die hohen Erwartungen der von fern angereisten Besucher im Hinblick auf die Bonner Band Voltaire waren, die dafür sorgten, dass sich bereits viele Tausende vor der Bühne versammelt hatten, sei dahingestellt. Müde und lustlos klingende Ansagen des Sängers verhinderten ein Aufkommen guter Stimmung, obwohl die sehr ehrlichen Texte durchaus ein verständnisvolles Lächeln auf manche Gesichter drückte.
Es folgte der Auftritt der schwedischen Jungs von Sugarplum Fairy, der sich als nächste positive Überraschung erwies! Der sonst übliche Vergleich mit einer teilweise verwandten anderen schwedischen Band, durch welchen die Qualität dieser Band hervorgehoben werden soll, sei hier einmal völlig vergessen: Neben den Tausenden von jungen Mädchen, die vor allem die vorderen Reihen füllten, war es vor allem die Selbstsicherheit und Lässigkeit, mit der diese Band ihre Lieder performte, die beeindrucken konnte! Darüber hinaus gab es ein gut gemischtes Set, das neben den Hits des ersten Albums auch schon viele neue Stücke beinhaltete. All diese Lieder wurden von der noch sehr jungen Band zweifelsfrei fehlerfrei performt, was beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass vor fast jedem Lied ein Wechsel der Instrumente stattfand. Großes Lob dafür!
Das erste, das auffiel, während die Jungs der Band The Feeling die Bühne betraten, war „the traditional british fashion“, wie es der Sänger und Gitarrist später lächelnd beschrieb. Doch ganz unabhängig von dem durchdachten Auftreten der Band gelang es auch dieser, das Publikum für sich zu gewinnen. Deutlich wurde dabei der Bekannheitsgrad der ersten Single „Sewn“, bei deren Performance ich kaum einen Besucher erwischte, der nicht mitsingen konnte.
Um 19.35 Uhr schien es, als sei es für so einige unter den Besuchern ein sehr lang ersehnter Moment, in welchem die Jungs aus Ingolstadt, die zusammen den Namen SLUT tragen, die Bühne betraten, was in Anbetracht der eher gering ausfallenden Liveauftritte der Band in diesem Jahr vielleicht verständlich ist. Einerseits mit Freude, andererseits mit Ärger über den Stress mit denjenigen, die sich der Veröffentlichung der Platte zur „Dreigroschenoper“ in den Weg stellen, gab es also als erstes die Performance eben dieser Stücke. Leider nur fünf, da mehr eben nicht genehmigt wurden. Zur Freude der meisten gab es während des Auftritts dennoch auch „altes“ Liedgut. Der Höhepunkt entstand, wie zu erwarten war, während des vor allem durch Stefan Raab bekannten Hits „Why pourquoi?“.
Während zweifelsfrei schon einige Menschen auf den diesjährigen Headliner warteten, schlich sich gegen 21:05 Uhr die Hamburger Band Blumfeld auf die Bühne, um ein gut gemischtes Set zu bieten, das neben Stücken der aktuellen Scheibe auch die immer wieder lobenswerten, älteren Sachen mit sich brachte. Besondere Freude zeigten viele darüber, dass u.a. mit „Ich – Wie es wirklich war“ sowie „Verstärker“ auch Lieder der „L’Etat Et Moi“-Platte gespielt wurden. Als störend empfunden wurden lediglich die eher „platt“ wirkenden Ansagen bzw. Zwischensprüche Jochen Distelmeyers, die nicht immer sehr authentisch wirkten.
Mit etwa 15-minütiger Verspätung war es dann endlich auch für die geduldigen Menschen aus den ersten Reihen soweit: Death Cab For Cutie begannen ihren Auftritt mit einem ruhigen Stück des Erfolgsalbums „Transatlanticism“, namentlich „Passenger Seat“. Es folgte ein Set, das neben den Hits des aktuellen Albums („Soul Meets Body“, „Crooked Teeth“, …) keine Mühe hatte, auch ältere Lieder mit voller Energie und Intensität vorzuweisen. So gab es ein „We Looked Like Giants“, dessen Qualität noch durch ein Schlagzeugsolo des Sängers Ben Gibbard untermalt wurde sowie „Sound Of Settling“ als Abschlusslied. Zur Enttäuschung vieler gab es keine Zugabe, als welche sich zweifelsfrei viele das ruhige „Transatlanticism“ gewünscht hatten.
Pünktlich um 24 Uhr endete also ein nicht nur warmer, sondern ein tatsächlich von großen Menschenmassen besuchter Rheinkultur-Tag, dessen Besuch wieder einmal großen Spaß gemacht hat! Danke!
Galerie:
[mygal=rheinkultur06]
ein ganz wunderbarer text zu einem sicherlich auch wunderbarem konzertabend.