Ein zurückhaltender Mann, ganz in Schwarz gekleidet, kurze schwarze Haare. Wer ihn noch nicht kennt, wird nur schwer vermuten, dass sich hinter dieser sympathischen, ja fast unscheinbaren Gestalt ein Ex-Dorfpunk und (neuerdings) gescheiterter Kunststudent verbirgt.
Um das Scheitern, oder genauer gesagt, um das sich-überflüssig-fühlen geht es in „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“ – Rocko Schamonis dritter Roman, aus dem er heute einige Passagen vorlesen will. Statt findet das ganze in der Kassler Komödie eine Art (kleines) Theater, d.h. vorne eine richtige Bühne mitsamt seltsame anmutender Kulisse sowie schönen und vor allem engen Sitzreihen.
Ein klein wenig seltsam wirkt das schon, denn auch wenn es eine Lesung ist, so sah das letztes Mal (im Schlachthof) doch ganz anders aus, näher irgendwie. Im Verlauf der Lesung wird sich allerdings herausstellen, dass dies ein zu vernachlässigender Faktor ist.
Nach kurzer Orientierung, verlegenem Räuspern und erster Kontaktaufnahme zu den Kasselitern (wie er das Publikum liebevoll nennt) erklärt Rocko diesen Abend erst einmal zur „Trinkerlesung“, gleichsam zur „Handylesung“ und zur „Nichtraucherlesung“, wobei letzteres allerdings nur für die Zuhörenden gilt. Er beginnt am Anfang des Buches, was es recht einfach macht ihm zu folgen, auch wenn er im Verlauf der Lesung andere Kapitel (an)liest, Schamonis neuster Romanheld ist „natürlich frei erfunden“, womit der Autor gerne und öfters kokettiert, in dem er in die Ich-Form wechselt, jede zweite Figur mit „den gibts wirklich“ kommentiert oder sich Ortsinformationen „ergoogelt hat“.
Im großen und ganzen geht es darum, wie sich der Antiheld in der Stadt zurecht zu finden versucht, und da diverse Momente der Überflüssigkeit durchläuft, so dass nächtliches, illegales Plakatieren (O-Ton: eine der niedersten Arbeiten überhaupt) zum Höhepunkt des Tages wird. Es geht aber auch darum, wie es ist, in einer Gesellschaft zu leben, in der man immer muss, und wie es ist, am müssen zu verzweifeln.
Nach einer kleinen Pause widmet er sich dann fast ausschließlich einer Passage des Romans, in der sich der Protagonist in die Heimat begibt und ob der kleinbürgerlichen Idylle an den Rand seiner Existenzzweifel gedrückt wird. Das erinnert dann doch sehr an das Dorfpunks-feeling.
Eigentlich ist das alles ja schon eher ernst, dennoch lassen Schamonis Schreibstil und vor allem seine Art, das ganze vorzutragen, dann doch kaum eine Minute ohne Lachen vergehen. Da reicht schon ein kleiner Verleser oder eine spontane Umänderung des Textes („äh also das steht da jetzt nicht, aber das fand ich jetzt ganz gut so“) und die gelöste Stimmung tut ihr übriges.
Manchmal wundert man sich ein wenig, wie viel von den Geschichten dann wirklich erfunden ist, oder aber inwieweit Schamoni sich selbst offenbaren kann.
Das Problem mit der Nähe hatte sich gegen Ende dann auch vollkommen aufgelöst, und die Fragen nach einer möglichen Kneipe für ein letztes Bier, das man doch gemeinsam einnehmen könnte wurde an die Bar verlegt. Außerdem mal wieder bewiesen: Wer dreist genug ist laut genug schreit, bekommt auch ein Bier ab, vom Rocko.
ein paar Bilderchen gibts hiör!