Am letzten Abend ihrer kleinen Deutschland-Tour lockte nicht nur der für eine amerikanische Band ungewohnt deutsch klingende Name ein paar Hände voll Menschen zum Konzert ins mittelhessische Wetzlar. Die Qualitäten des charmanten Antifolk-Duos Schwervon! haben sich unlängst bis in die Provinz herumgesprochen.

Bis sich nach und nach ein paar dutzend Musikliebhaber im Wetzlarer Franzis eingefunden haben, um eine Woche vor Weihnachten den Klängen des liebenswert schrägen New Yorker Ehepaars mit dem lustigen Bandnamen zu lauschen, schaukelt dessen weibliche Hälfte Nan Turner ungeduldig auf ihrem Stuhl hinterm Merchandise-Stand. Ihre Vorfreude auf das letzte Konzert der I Dream Of Teeth-Deutschland-Tour vor der Heimreise spiegeln gleichwohl wie das lichte Angebot an Taschen, T-Shirts und Tonträgern die Spuren der vergangen Tage wider.

Mit einem „Guten Abend“ betreten „Major Matt Mason“ Roth und Nan Turner ihre Plätze hinter Mikrofonständer bzw. Schlagzeug und kündigen vor dem ersten Stück „Song for Weddings & Funerals“ an „to start with the mellow one and then to kick in the high gear“.

Auf den kleinen runden Bartischen rings der Bühne stehen Kerzen, zwischen den Liedern erzählen Matt und Nan von den deutschen Weihnachtsmärkten, die – und vor allem der Glühwein – ein fester Bestandteil ihrer Tour gewesen zu sein scheinen. Natürlich hat ihnen der Wetzlarer Weihnachtsmarkt am Besten gefallen, das mag man ihnen einfach mal glauben.

Nachdem die zwei sich und die Zuhörerschaft mit den Stücken „Blue Light“ und „Fuzzy Math“ vom kürzlich in Deutschland veröffentlichten Album I Dream of Teeth in höhere Gänge gespielt haben, kann Nan Matt kaum bremsen, stolz diesen unheimlich schlechten Witz zu erzählen, den er in Passau gehört hat: „What is white and hides behind trees?“ Erwartungsvoll grinst er ins Auditorium – bis aus einer dunklen Ecke die Antwort „Iggy Pop!“ ertönt, die Band wie Publikum in schallendes Gelächter versetzt, zum running gag des Abends wird und die eigentliche Antwort („Shy milk“) in den Schatten stellt…

Das Eis ist gebrochen. Schwervon! spielen, dreschen, klimpern, krachen, schreien und quietschen sich die meiste Zeit in bester White Stripes und riot grrrl-Manier durch ein insgesamt 20 Stücke umfassendes Set, das neben ihrer schräg scheppernden Songs vor allem auch von ihrer Beziehung zueinander lebt. Von belustigten Blicken, rollenden Augen und stichelnden Bemerkungen. Nach einer guten halben Stunde fragt Nan verärgert, ob Matt sie überhaupt vorgestellt hat. Hat er, was sie aber erst nach mehreren Beteuerungen glauben möchte. „Okay, I spaced out… we always fight over such things”. Vielleicht kommt da ja der Bandname her? Diese Momente machen das Antifolk-Pärchen noch sympathischer als sie so schon scheinen.

Mit einer Mischung aus trashigem Rock’n’Roll und folkigen Spielerein, alten und neueren Stücken, die von den anwesenden so oder so ohnehin kaum jemand kennt, machen sich Matt und Nan einen kleinen Saal voll neuer Freunde, die gar nicht mehr aufhören möchten, zu wippen und freudig grinsend den beiden lustigen Gestalten auf der Bühne zuzusehen und zu hören. Der Wortwitz mancher Zeilen braucht manchmal etwas länger, wird aber meist von mindestens einer Person gewürdigt.

Vor den Zugaben wird sich erst mal ausgiebig bei dem Fahrer (und Iggy Pop…) bedankt und später eins der ältesten Stücke, „Dinner”, über einen gemeinsamen Kochabend mit der legendären Zeile „Sex on the table is not very stable“ zum Besten gegeben. Nach erneuten Zugaberufen erscheint das Glückshormone verbreitende Duo erneut auf der Bühne. “You guys are hungry for the rock cigarette!”. Die letzte Zugabe „Winners lose“ wird dessen Komponisten André Herman Düne gewidmet, der selbst vor ein paar Wochen noch auf der kleinen Bühne des Franzis ein bisschen gute Musik nach Mittelhessen brachte.

Mit der letzten vorhandenen lila bedruckten Stofftasche, der zerknitterten Setlist von Matt und einem wohligen Gefühl in der Brust taumeln wir benommen raus in die Kälte und sind schwer von Schwervon! begeistert. [freda]

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