Lagerfeuer, rituelle Stammestänze, ekstatische Selbstaufgabe. Der Einstieg in „Artificial Tears“, das neue Album der Picturebooks, ist intensiv. „I Put A Spell On You“, diese düstere Prophezeihung legt sich über des Hörers Ohr und lässt ihn wissen, dass er den folgenden zehn Songs ob des Fluches kaum entkommen könne. Zurückhaltung ist gewiss nicht Sache dieser Band, ob ihre geheime Magie tatsächlich wirkt, lest ihr im Artikel.
Zieht man einen Querschnitt aus dem Feedback der Pressestimmen zum Debutalbum „List Of People To Kill“, so fallen zwei Worte besonders häufig: „Rock“ sowie „Deutschland“. Das zweite Attribut ist nicht zu bestreiten, um ersterem gerecht zu werden geben sich die drei Jungs aus dem Gütersloh auch bei Album Nummer zwei die größte Mühe. Gleich der zweite Track „Twisted Truth / Mislead Youth“ ist ein räudiger Hund von einem Song: schlitternde, psychotisch-vernebelte Gitarren wechseln sich mit Hintergrundgeschrei ab, das nicht gerade nach westfälischer Kleinstadtidylle klingt. Die folgende Single „I’m Drawing Hearts On Your Jeans“ nimmt eine komplett andere Marschrichtung vor: groovender Bluesrock, wie eine akzentuierte, langsamere Version von Death From Above 1979. Nach diesem Einstieg scheint eine wesentliche Konstante des Albums gefunden: Track für Track unterscheidet sich einen Tick voneinander, was man bei einer jungen Band wie den Picturebooks per se erstmal als Kompliment auslegen darf.
Klar, ganz neu und weltbewegend ist das nicht, die Referenzen hin zu verschiedensten Rockgrößen sind kaum zu verkennen. Doch wer ein derart wohlschmeckendes Süppchen aus Jack White, Trent Reznor, Josh Homme und einem gehörigen Schuss eigenem Musikerblut zusammenbrauen kann, verdient Respekt. In der Mitte des Albums stehen auf einmal krakeelende Orgeln, Elektrospielereien und extremer Lo-Fi wie in „Sensitive Feelings All Electric“ auf dem Programm. Hier geht das Rezept allerdings in die Hose, zu überfrachtet und unpassend wirkt der wahnwitzige Cocktail. Dies ist insgesamt die größte Schwäche von „Artificial Tears“. Man kann das ganze vielleicht noch nicht mal überambitioniert nennen, doch ein wenig mehr Arbeit am Songwriting und weniger am bedingungslosen Ausreizen der Instrumente (und Stimmen), hätte dem Album als Gesamtwerk gut getan.
Trotzdem, „Artficial Tears“ bleibt ein beachtenswertes und empfehlenswertes Zweitwerk. Wenn wie in „Finders / Keepers“ flageolettähnliche Gitarrenzupfereien à la Foals mit hymnischen Hintergrundchören kollidieren, ist das mutig. Der Titeltrack ist eine staubtrockene aber sehr runde Sache. Die Picturebooks sind auf einem guten Weg und anscheinend sogar schon in Übersee angekommen. Nur eines an „Artificial Tears“, Rock-n‘-Roll-Attitüde hin und her, ist wirklich misslungen: Das blutrote Klischee-Bad-Boy-Cover.
„Artificial Tears“ erscheint am 02. April 2010 via Nois-O-Lution.
Live-Termine:
3.4 – Dortmund
17.4 – Berlin
21.4 – Köln
22.4 – Osnabrück
23.4 – Hamburg
28.4 – Berlin
29.4 – Oberhausen