Die Weihnachtsmärkte halten allerorts Einzug in das Stadtbild: Glühwein und Schmalzgebäck schmecken wieder besser denn je? Der Winter klopft unwiederruflich an die Tür und verlangt nach seinem Recht? Gut möglich. Umso vorteilhafter, dass Tokyo Police Club unterwegs sind und die Herzen an ausgewählten Gastspielorten in der Bundesrepublik erwärmen. In Hamburg funktionierte das ganz wunderbar und die vier Kanadier verzückten das Publikum im Uebel & Gefährlich mit ihrem sonnigen Gemüt.
Dabei verwundert die positive Grundstimmung des Quartetts aus Ontario in Anbetracht der Aufnahmen zu ihrem jüngst erschienen Tonträgers „Champ“ wenig, fanden diese doch an der kalifornischen Westküste, genauer gesagt in Los Angelos, statt. Zu dem wurde der Formation zum wiederholten Male die Ehre zu Teil, in der Late Show bei David Letterman auf zu treten. Eine Aufmerksamkeit, die nicht allzu vielen Bands beschienen ist- die vier Kandadier sind seit her zweifelsohne auf der Überholspur, scheinen dabei jedoch nie die Bodenhaftung zu verlieren und gönnen sich dem entsprechend einen unbehelligten Spaziergang durch den kurz nach Einlassbeginn noch sperrlich gefüllten Club im vierten Stock des ehemaligen Luftschutzbunkers.
Als um pünktlich um 21 Uhr die britschen The Answering Machine den Abend eröffnen, haben schätzungsweise 250 Gäste den Weg ins Uebel & Gefährlich gefunden- immerhin. Das Quintett von der Insel präsentiert einen druckvollen Auftritt, der ein wenig an eine überdrehte Version der Shout Out Louds erinnert, wozu sicherlich vor allem die zurückhaltende Bassistin Gemma Evans mit ihrem dezenten Hintergrundgesang beiträgt. Sänger Martin wirkt weit weniger schüchtern und ergeht sich in abrupten tänzerischen Einlagen am Bühnenrand. Rhythmik und Melodie vermögen zu animieren, während der durchaus gute Klang, bemessen an dem was Vorbands ansonsten an technischer Unterstützung erhalten, sein Übriges zu einem gelungenen Auftakt in einen durchweg positiven Abend beiträgt. Von dieser Band aus Manchester wird demnächst sicherlich auch verstärkt in Deutschland zu hören sein.
Dann übernehmen Tokyo Police Club, die quasi via Indonesien den Weg nach Hamburg gefunden haben. Trotz der nicht von der Hand zu weisenden Strapatzen, schon allein aufgrund der Reise, wirkt das Quartett spritzig. „Favourite Colour“ als Ohröffner, ein vertrautes „Nature of the Experiment“ vom Debüt „A lesson in crime“ bereiten den Weg für einen Abend, an dem das gewohnt nass-kalte Wetter in Vergessenheit gerät. „Hey, wie gehts? Wir werden dafür sorgen, dass ihr alle eine gute Zeit haben werdet“, lässt Sänger Dave Monks keinen Zweifel an dem Vorhaben seiner Formation, das bis dahin noch etwas reservierte Publikum für sich zu begeistern, was sukzessive auch tatsächlich gelingt. Und offen gestanden führt daran auch kein Weg vorbei- wer diese Band, wer diese sympathischen Jungs nicht mag ist einfach gefühlskalt!
Gitarrist Josh, der sich mit Hilfe seiner üppigen Bartpracht in der kommenden Weihnachtszeit als Santa Clause-Darsteller anscheinend ein Zubrot verdienen möchte, grinst nahezu unaufhörlich in Richtung Greg, seines Zeichens Schlagzeuger, und wirbelt zu dem, wenn nicht gerade Arbeiten an seinem imposanten Effekt-Board, das gar mit einem kleinen Lese-Lämpchen ausgestattet ist, zu absolvieren sind, wie ein Derwisch über die Bühne. Keyboarder und Rhythmus-Gitarrist Graham scheint sich derweil, mit seinen Instrumenten zu duellieren und offenbahrt, trotz dieser nicht zu vernächlässigen Anstrengung, seine hervorragenden Fähigkeiten als Tänzer. Eine derartig geschmeidige Beinarbeit sucht zweifelsohne ihres Gleichen. Sänger und Bassist Dave kämpft untersdessen weniger mit seinem Instrument, als vielmehr mit seinen wild ins Gesicht hängenden Strähnen, die er des Öfteren impulsiv aus seinem Blickfeld pustet.
Die Songauswahl erweist sich als zu erwartender Querschnitt aus allen drei bisher veröffentlichen Tonträgern, wobei natürlich das Hauptaugenmerk auf dem aktuellen „Champ“ liegt. Aber auch „In a cave“, das in einer populären Serie über amerikanische Hausfrauen Verwendung fand und „Tesselate“, gleichermaßen von „Elephant Shell“, finden sich auf der Setlist wieder. Ohnehin bilden alle Songs ein wunderbares Kompositum, wobei es überwiegend den neuen Liedern der Band vorbehalten bleibt, ein wenig Tempo heraus zu nehmen. So etwa „Hands Reversed“ und „Favourite Food“, bei denen Monks zur Gitarre greift. Tokyo Police Club verfügen mittlerweile über ein Repertoire, das es ihnen ermöglicht, einen durchweg dichten Auftritt zu liefern und jegliche Schwachstelle mit Hilfe ihres Portfolios bereits vorab zu schließen. Dieses verdeutlicht sich nochmals gen Ende des Konzerts: „Breakneck Speed“, „Wait Up“ und „Your English is good“ werden als finaler Rundumschlag auf das Publikum los gelassen. Monks streckt sich ein letztes Mal nach seinem Mikrophon, reibt sich mit seinem Rücken an Keyboarder Graham, um seinen Zuhörer anschließend ein gefasstes, aber herzliches „bis zum nächsten Mal“ entgegen zu halten. Dass dies nicht das Ende sein kann, ist unnütz zu erwähnen.
Die Zugaben-Rufe bleiben zwar aus, aber ein ehrlicher und langanhaltender Applaus lässt die vier Kanadier auf die Bühne zurück kehren. Das Publikum hat noch Lust, Tokyo Police Club offensichtlich auch. Zwei weitere Songs folgen. „Heute ist Mittwoch, oder?“, fragt Monks verschmitzt. „Ok, wer von euch muss morgen arbeiten? Wir müssen auch um 8 Uhr aufstehen, würden aber trotzdem noch einen Song spielen, wenn es euch nichts ausmacht.“ Natürlich nicht! Das hektische „Cheer it on“ vom Debüt beschließt letztendlich endgültig, wobei jedoch Josh und Graham die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, ihr artistisches Talent unter Beweis zu stellen und sich ihre Tambourine quer über die Bühne zuwerfen und auffangen, wofür sie gar respektvollen Szenenapplaus erhalten.
Wir schreiten wieder hinaus in die Nacht. Nass ist es glücklicherweise nicht, aber bitterkalt, was uns allerdings wenig stört. Die frische Erinnerung erwärmt. Es bleibt die Gewissheit, dem Winter erfolgreich getrotzt zu haben. Wir würden es wieder tun.
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Tokyo Police Club weiterhin unterwegs:
21. Nov. 10 Köln- Luxor
22. Nov. 10 Berlin- Lido
23. Nov. 10 München- 59:1
26. Nov. 10 Frankfurt- Das Bett