Es ist wieder einer dieser Abende, an denen junge Menschend frierend und trotzdem in freudiger Erwartung auf Einlass hoffend vor den Toren des Café Koeppen schlangestehen. Tom Lüneburger gastiert erstmalig in der kleinen Hansestadt im Norden Vorpommerns. Ein Abend, Auge in Auge mit dem Publikum, das dem gestandenen Musiker gelegentlich Sprachlosigkeit abnötigt.
Und das leider nicht im positiven Sinne, denn das sonst so andächtige und dankbare Auditorium des Koeppen präsentiert sich an diesem Montagabend von seiner schlechtesten, fast schon flegelhaften Seite. Womit besonders der sympathische Lee MacDougall zu kämpfen hat, dessen Support-Set nahezu permanent von hysterischem Gekicher begleitet wird. Der blonde Brite gibt sich dennoch redselig und präsentiert die ein oder andere bissige Pointe:“Ich weiß noch, wie ich als kleiner Junge auf die Karte an meiner Wand geschaut habe und zu meiner Mutter meinte, irgendwann werde ich in Greifswald spielen. Hier bin ich!“, grinst der Musiker süffisant. Was wie eine maßlose Übertreibung klingt, erweist für gewöhnlich als Tatsache. Das Café Koeppen ist mittlerweile auch überregional für sein einzigartiges Klientel bekannt. Bobby Long zeigte sich begeistert, Gregor Meyle spielte eine über 20-minütige Zugabe und Guido Goh geriet ob des nicht versiegenden Applauses in Verlegenheit, denn sein Repertoire war schlicht erschöpft. MacDougall hingegen bläst die steife Brise des Publikums unvermittelt ins Gesicht. Trotzdem: Der Auftritt kann ohne weiteres als gelungen bezeichnet werden, da sich der Künstler nicht davon abbringen lässt, seine Songs so inbrünstig wie irgend möglich vorzutragen. Seine Stimme reizt der Sänger genauso aus, wie die Saiten seiner Gitarre. Sanfte Pickings treffen auf energische Akkorde. Der Gesang schwebt sanft, um im nächsten Moment in kratzige Höhen zu explodieren, wobei MacDougall nicht selten errötet. Schließlich stöpselt der Engländer seine Gitarre ab und tritt vor das Mikrophon, um sich gänzlich von der ohnehin nicht üppigen Technik zu lösen. An ihm liegt es zweifelsohne nicht.
Ein psychedelisches Sample kündigt den Auftritt Tom Lüneburgers an. Der ehemalige Sänger der überaus erfolgreichen Band Myballoon, hat sein Aussehen mit dem Beginn seiner Solo-Karriere quasi runderneuert. Eine schwere Hornbrille prangt im Gesicht des Berliners, die Haare sind adrett gescheitelt und das karrierte Hemd steckt in der tiefblauen Jeans. An den Füßen modische Lederslipper. Etwas legerer kommt sein Pianist und langjähriger Freund Christoph „Stoffel“ Clemens daher, mit dem Lüneburger bereits bei Myballon musizierte. Und ein gutes Miteinander der beiden scheint auch Grundvoraussetzung für ein harmonisches Konzert im Café Koeppen, dessen spartanische Bühne sich als so klein erweist, dass Lüneburger des öfteren den Rücken seines Pianisten touchiert. Der Spielfreude des Duos tut das allerdings nicht den geringsten Abbruch. Lüneburger stampft auf die Bühnenelemente, lässt immer wieder ein gestoßenes „alright“ entfleuchen und scheint nicht nah genug an das bereits dicht am Rande des Podests sitzende Publikum heran kommen zu können. Clemens kneift die Augen zusammen, wippt mit dem Kopf hin und her und singt ganz wunderbare Backings, die besonders bei „We are one“ , einem Stück des neuen Albums „Lights“, zum Tragen kommen. Die erste Single-Auskopplung jenes Albums, die gemeinsam mit der Silbermond-Frontfrau Stefanie Kloß entstand und in die Charts vorstieß. Der Berliner Singer/Songwriter hat Platz genommen und zupft gefühlvoll, während sein Pianist mit wabernden Synths untermalt. Hinzu kommt Lüneburgers bluesige Stimme: Ein bisschen kratzig, aber nicht zu sehr:„Don’t lose heart“. Selbst zehn Musiker könnten gemeinsam keinen dichteren Sound kreiieren, als die beiden just in diesem Moment.
Im Übrigen hat sich das Publikum leider immer noch nicht beruhigt und plärrt lauthals dazwischen. Passenderweise dann, wenn es nicht soll, obwohl es durchaus genügend Gelegenheit zur Interaktion gibt. So etwa während „Stop the world“, dessen Refrain tatsächlich zu einem sanften Choral anwächst. Zaghaft wird mitgeklatscht und auch die hysterisch kichernde Mädchen-Riege beteiligt sich für einen kurzen Moment konstruktiv, um kurz darauf die Kommunikation der Musiker abrupt zu blockieren:“Halt’s Maul und spiel!“ Lüneburger, der gerne Geschichten erzählt, hatte dieses Veto eingeräumt, aber muss man davon wirklich Gebrauch machen? Nehmen die beiden doch das aufs Korn, was den Kleinstädter berührt. „Wann fährt der letzte Nachtbus?“, fragt Pianist Clemens trocken. Schließlich müsse man wissen, wie lange man noch spielen könne. „Da erkenne ich den Spandauer“, stichelt Tom in Richtung Stoffels Herkunft. Die Reibereien der zwei Künstler sind das humoristische Salz in der Suppe.
Reichlich Applaus vermögen die Konzertbesucher immerhin zu spenden, sodass das Duo für drei weitere Songs auf das kleine Podium zurück kehrt. Zwei Stunden sind seit dem ersten Song vergangen und die haben deutlich Spuren hinterlassen. Tom Lüneburger wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht:„Yesterday’s gone“. Einige Gäste haben bereits ihre Jacken zusammen gerafft und den Saal verlassen- anscheinend symptomatisch für den heutigen Abend. Steht zu hoffen, dass wir das Auditorium des Café Koeppen beim nächsten Konzert wieder in gewohnt respektvoller Qualität erleben dürfen. Liebes Koeppen-Publikum, das könnt Ihr besser!
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Der nächste Gast des Café Koeppen Konzert Teams ist Kristofer Aström. Das Konzert findet am 30. März allerdings aufgrund der geringen Kapazität des Cafés andernorts in Greifswald statt.