Die Kafkas aus Fulda sind eine der Bands, die wirklich etwas zu sagen haben und dieses auch tun. Gefallen lassen sich die Hessen nicht viel, ihre letzte Platte „Privilegienthron“ beweist dieses nur zu gut. Aus diesem Anlass war ein Interview sehr naheliegend und so sprach ich mit Sänger Markus Gabi Kafka über einige interessante Themen in Deutschland und sonst auf der Welt.
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Da ihr noch nicht so bekannt seid, bei unseren Lesern, stellt euch doch mal ein wenig vor, Diskographie, Biographie, etc.</b>
G: Die KAFKAS gibt es mit wechselnder Besetzung seit 1995. Wir bezeichnen unsere Musik als "Punk ohne Nietenlederjacke" und "Hardcore ohne Muskeln". Veröffentlicht haben wir bereits 3 Alben, eine EP, eine Split-CD mit den KILLRAYS und jetzt unser 4. Album "Privilegienthron".<b>
Wie bewertet ihr eure neue Platte "Privilegienthron", erzähl doch mal einiges über die Entstehung und wie kamt ihr zu dem Namen und was steckt dahinter?</b>
G: Es ist im Vorfeld der Veröffentlichung einiges schief gelaufen, wir mussten manche Sachen zweimal aufnehmen, es sind wichtige Bänder verschwunden, mit dem ersten Master waren wir nicht zufrieden, weshalb wir sie neu mastern und noch mal eine neue Auflage herstellen ließen, die Platten waren Ewigkeiten im Presswerk verschollen, um nur ein paar Dinge aufzuzählen, so dass es diesmal relativ lange gedauert hatte bis das "Privilegienthron"-Album dann doch noch fertig wurde. Es ist meiner Meinung nach von den Songs her abwechslungsreicher als das vorherige "Sklavenautomat"-Album. Die Texte sind noch direkter geworden, das war mir sehr wichtig. Insgesamt ist das neue Album wahrscheinlich etwas eingängiger als das Vorgänger-Album. Wir haben auch zum erstenmal mit ein paar Samples und Effekten rumgespielt, obwohl diese nicht im Vordergrund stehen. Außerdem konnten wir zum erstenmal einen CD-Rom-Teil auf die CD packen.
Der Titel "Privilegienthron" bezieht sich darauf, dass viele Dinge, die für uns ganz normal und selbstverständlich sind, für die Mehrheit der Lebewesen dieses Planeten leider nicht gelten, z.B. das Grundrecht auf Bildung, das Recht auf ein möglichst schmerzfreies, selbstbestimmtes Leben, politische Freiheit… Das Schicksal vieler wird mit der Geburt besiegelt – also, wenn du am falschen Ort zur falschen Zeit, falschen Spezie, Geschlecht oder Rasse geboren wirst, kann dein Leben unter Umständen sehr qualvoll verlaufen.<b>
Eure Website hat den schönen Namen "Sklavenautomat", was wollt ihr damit ausdrücken?</b>
G: Sklavenautomat steht für unseren Umgang mit allem was keine Lobby hat – ein Sklave dient auch einer ihr übergeordneten Person und hat dabei nur materiellen Wert, z.B. ein Schwein, dass von der Fleischindustrie "gezüchtet" und ohne Rechte in kürzester Zeit auf "Schlachtreife" gemästet wird, um dann für den menschlichen Konsum geschlachtet zu werden. Dabei gibt es kein Individuum oder so etwas wie Persönlichkeit, es gibt nur "Nutzen"; Tiere sind die Sklaven des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Fleischindustrie ist eine der perversesten Formen unseres Kapitalismus; sie degradiert Lebewesen zu gefühllosen und rechtlosen Produkten. Aber auch viele Menschen in wirtschaftlich ärmeren Ländern werden ausgebeutet und haben nahezu keine Alternativen oder Perspektiven dieser Situation zu entkommen, wovon letztlich andere wiederum profitieren, schau dir z.B. unsere Kaffee- und Bananenpreise an, hätten die Arbeiter auf den Plantage bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, dann hätten wir hier auch andere Preise zu zahlen.<b>
Ihr geltet als Band, die sehr wichtige und ernstzunehmende Texte schreibt. Was ist euch wichtig?</b>
G: Ich wünsche mir eine gesellschaftliche soziale Weiterentwicklung. Doch zur Zeit laufen leider sehr viele Entwicklungen ab, die gerade soziale Errungenschaften wieder abbauen, seien es geplante Studiengebühren, Abbau von Sozialleistungen, Reduzierung der medizinischen und sozialen Versicherungen…
Es entsteht eine immer größer werdende Kluft zwischen arm und reich; es entstehen immer mehr Regionen in denen es fast keine Perspektiven gibt. Klar wir haben jetzt durch die EU einerseits reduzierte Grenzen für den Handel – aber für viele Menschen ist Europa mittlerweile eine Art unerreichbare Festung geworden. Und hinein darf nur wer es sich leisten kann.
Wir wünschen uns, dass jedes Lebewesen egal, welchen Geschlechts, Rasse, Spezie, Herkunft oder was auch immer ein Recht auf ein unversehrtes, schmerzfreies Leben hat. Doch leider entscheidet zur Zeit hauptsächlich die Wirtschaft und Rentabilität wie viel Umweltschutz oder Humanität wir brauchen…<b>
Ihr seid glaube ich Vegetarier, wie weit würdet ihr dafür gehen? Und wie weit fließt das in eure Texte ein?</b>
G: Um unzählige wehrlose Leben zu retten kann man wahrscheinlich nicht weit genug gehen und vielleicht gehe ich noch nicht weit genug. Ich würde mir wünschen, das dieses sinnlose Schlachten aufhört und auch Tiere als Individuen geachtet werden. Das Thema Tierrechte ist mit meinen Texten sehr verflochten, da in die Texte das einfließt, was mich beschäftigt. Somit ist das Thema Tierrechte schon ein wesentlicher Bestandteil unserer Musik. Ich sehe unsere Musik als Möglichkeit an, denen die in unserer Gesellschaft keine Stimme haben, eine Plattform zu geben. Das hört sich jetzt vielleicht nach spaßlosem PClertum an, egal, es geht auch nicht um das Verurteilen anderer oder Verbote, sondern um neue gerechtere Wege.<b>
Gibt es da irgendwelche Geschichten, die ihr dazu von Tourneen erzählen könnt? Wie kam das bei anderen Bands an? </b>
G: Also, die Resonanz ist sehr unterschiedlich, natürlich gibt es gerade bei den Leuten mit denen wir musikalisch zu tun haben viele, die ähnliche Ansichten haben wie wir, dann gibt es einige, die sich dafür interessieren und denen man so eventuell Denkanstösse geben kann, aber natürlich gibt es auch Personen, die meinen sie müssten besonders stolz darauf sein, dass ihnen das Leid anderer am Arsch vorbeigeht und meinen sie müssten einen dann irgendwie provozieren; da gab es schon Vorfälle, die sich an Dummheit kaum mehr überbieten ließen. Aber eigentlich ist das Gesamtresümee eher positiv. Klar, besonders veganes Essen kann dann halt auch mal als Spaghetti mit Ketchup oder Essensmarken für die Grillbude mit Wahl zwischen Curry- oder Bratwurst ausfallen, aber was soll`s, so wird es wenigstens nicht langweilig. Es gibt halt noch viel zu tun.<b>
Was nervt euch an der deutschen linken Szene und an der Punkszene am meisten an, oder was gefällt euch daran besonders?</b>
G: Ähm, der Grund warum ich in dieser sogenannten Punkszene gelandet bin, ist der, dass es da schon einige sehr, sehr nette Menschen gibt, die versuchen etwas positiv zu verändern und sehr aktiv sind. Es gibt einfach eine Menge Leute, die sich aus Idealismus wirklich den Arsch aufreißen und sich für andere einsetzen. Punk bietet einfach eine Menge Freiräume, ich meine es gibt fast in jedem Dorf Deutschlands einen Club, Juz, oder was auch immer in dem man spielen kann oder politische Arbeit machen kann. Das haben andere Szenen glaube ich nicht in der Form. Hm, am meisten nervt an der linken Szene? Das Aufbauen von Feindbildern innerhalb der eigenen Reihen würde ich sagen; also, es kursieren teilweise sehr antiquierte, unreflektierte Dogmen, die waren schon in den Achtziger Jahren altmodisch.
Die Punkszene ist ja vollkommen aufgesplittet, da gibt es die Rock`n`Roller, die Super-Punker, Polit-Punks, Autonome, Melodiecorer, usw., da hat ja jeder sein eigenes Ghetto, deshalb könnte ich jetzt nichts allgemeingültiges sagen, da jede Gruppierung für sich eigene Rituale pflegt; die "Punkszene" gibt es glaube ich nicht. Aber generell würde ich sagen, dass zu viele nur eine Rolle spielen und zu wenig sie selber sind.<b>
Was macht ihr am 22.9. diesen Jahres und was den Tag später?</b>
G: Ähm, das ist ein Sonntag und wenn ich richtig informiert bin Wahltag. Ja, dann werde ich wohl irgendwann mein Mindest-Demokratie-Anteil-Kreuzchen machen und dann am nächsten Tag Angst vor den ersten Handlungen unseres neuen Bundeskanzlers Edmund Oi-Oi-Stoiber haben.
Oh, je, hoffe ich bin da jetzt terminlich richtig informiert, ansonsten ist das ja "Thema verfehlt"…<b>
Ist euch Politik wichtig im Leben? Was geht euch total am Arsch vorbei?</b>
G: Ja, Politik ist sehr wichtig, aber doch für alle, da sie starken Einfluss auf unser Leben nimmt. Sie entscheidet mit darüber wie das Leben eines jeden verläuft, was erlaubt ist und was nicht. Sie stellt die Weichen für die Zukunft, dessen kann man sie nicht entziehen. Aber ich finde, dass ich mich noch nicht genug für Politik interessiere. Das liegt aber auch teilweise an diesem oftmals sehr langweiligen und schwerfälligen Flair; politische Arbeit kann Spaß machen und mitreißen, aber dass ist leider in der linken Szene eher alles ein bisschen asketisch anmutend. Doch wie wichtig Politik ist merkt man wahrscheinlich erst dann, wenn es einem wirtschaftlich oder juristisch so richtig schlecht geht.
Was uns total am Arsch vorbeigeht? Oh, eine Menge: Daily Soaps; Top Of The Pops; Heidi Klum; Jahrestreffen der Jungen Liberalen; Ballermann 6; Discos mit Kleiderordnung; Türsteher; die 1000 goldenen Verhaltensregeln des erfolgreichen Punkers; Traumhochzeit; Jürgen von der Lippe; Sportwagen; Szene-Hypes – Trends; Tennis; Boxen; 90-95 % der Menschheit…<b>
Ihr habt schon mit vielen Bands getourt, mit welcher würdet ihr gerne mal touren und aus welchem Grund?</b>
G: Mit PROPAGANDHI wollte ich schon immer mal spielen, da durften wir ja bei der letzten Deutschland -Tour mitfahren und das war schon ein Traum. So etwas ähnliches fällt mir nicht mehr ein. Klar, es gibt eine Menge nette Bands, aber es müsste dann halt auch irgendwie passen, also, menschlich, musikalisch und inhaltlich, hm, schwer. DEAD KENNEDYS mit Jello Biafra wären sehr nett. Tja, aber was bleibt noch? Unser Schlagzeug-Gott Marcus Humberta würde jetzt sagen NEW MODEL ARMY!<b>
Wer hat euch besonders beeinflusst?</b>
G: Der größte Einfluss waren sicherlich meine Eltern. Die Arbeitsweise einer Band von PROPAGANDHI und auch BUT ALIVE. Musikalisch die 80iger Jahre Pop-Musik. Weitere Einflüsse waren das Landleben in einem noch kleineren Kaff als das Ober-Langweilig-Kaff Fulda. Aber auch meine Mitbewohnerrinnen Fräulein Heike und Schweinefräulein Paula Paulinski.<b>
Wie sehen eure Zukunftspläne aus?</b>
G: Zur Zeit machen wir kräftig neue Songs. Möchten auch demnächst mit den Aufnahmen für das nächste Album beginnen, wenn man alles alleine macht dauert es ja immer um einiges länger, bis alles fertig ist und auch beim Mailorder deiner Wahl zu bestellen ist; die letzten Aufnahmen sind ja jetzt auch schon gar nicht mehr so frisch für uns. Eine kleine Kanada-Tour steht schon seit ein paar Monaten auf unserer Liste, mal sehen, wann wir das realisieren können. Ansonsten lassen wir erst `mal alles auf uns zu kommen.<b>
Danke für das Interview!</b>