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¡Forward, Russia! – Life Processes

Auf dem Cover von „Life Processses“ gibt ein junger Herr in Jesuspose und mit entblößtem Oberkörper Einblick in das Innenleben seines Brustkorbs. Herz und Nerven liegen blank, um mal die naheliegende pathologische Metapher zu verwursten. Das tun sie definitiv auch wieder bei den elf Stücken des Zweitlings der experimentellen Indierocker ¡Forward, Russia! aus dem nordenglischen Leeds – wenn auch etwas anders als auf ihrem viel bejubelten Debut.

Erste merkliche Änderung zum Vorgänger- und Debutalbum „Give Me A Wall“ werden schon bei einem Blick auf die Tracklist der vorliegenden Scheibe ersichtlich. ¡Forward, Russia! haben gelernt, die Dinge – sprich ihre Lieder – beim Namen zu nennen und geben damit den Interpretationsspielraum ihrer textlastigen Kreationen zumindest eine grobe Richtung vor. Dazu sind auch ausnahmsweise die Songtexte im Booklet nachzulesen. Wer nun auf ein eingängiges Werk hofft, in dem einem die Bedeutung gleich mitserviert wird, hat sich leider geschnitten. Die Texte von Tom Woodhead sind so viel und nichts sagend wie eh und je.
Es geht um alle denkbaren Facetten des Lebens; die düsteren Seiten der Liebe, Hass, Stolz, Glaube, Nervosität, Verwirrung und vor allem Angst, wie in „Spring Is A Condition“:

We all live
In hostels that mirror our fear
Each face a portal to nothing
Or everything depending on resting on circumstance

oder gleich zu Anfang in „Welcome To The Moment (The Rest Of Your Life)“:

And this is a process
The process that we follow
Annihilates all of the doubt
With peace and with force and with fear
As night draws near

Dabei fungiert Woodheads Stimme, die sich nicht selten in hysterischer Screamo-Verzweiflung und Verausgabung übt, weiterhin nicht nur als gleichberechtigtes, sondern als tonangebendes Instrument; bestimmt Dynamik und Stimmung der einzelnen Stücke so stark, dass die weitere Instrumentierung sich oft nur anschmiegen oder im Hintergrund verblassen kann. Eine Ausnahme mit längerem Instrumental bildet das postrockig schleppende „Some Buildings“; dass sie auch mal verschnaufen können zeigen ¡Forward, Russia! im ruhigen „Gravity And Heat“ und „Fosbury In Discontent“. Nicht ganz unschuldig daran ist wahrscheinlich auch Produzent Matt Bayles (Pearl Jam, Blood Brothers, Minus The Bear).

Insgesamt lässt sich auf „Life Processes“ eine merkliche Weiterentwicklung hin zum epischen Songwriting festmachen, die sich im sphärischen Schluss-Opus „Spanish Triangles“ nur zu gut verdeutlicht. Weg vom Punkkrach, hin zum Song.

And in thought
And deed
And word
We explored
The noise
And space
That’s in between
Is ours to shape and mould
So won’t you turn your ships around
We are all armadas now

VÖ: 11. April 2008

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