Startseite » Karamel im Interview

Karamel im Interview

Karamel machen Popmusik und kommen aus Hamburg. Neben Schlagzeuger Philipp Kranz besteht die Band aus Johann Scheerer und Sebastian Nagel. Und genau mit den beiden trafen wir uns an einem herbstlichen Samstagmorgen Ende März. Anlass: Das neue Album „Maschinen“, das Mitte April kommt. Treffpunkt: Das wunderschöne Clouds Hill Studio in Hamburg Rothenburgsort, das Johann Scheerer zusammen mit Thies Mynther führt.

Wir befinden uns hier ja gerade in deinem Studio, Johann. Magst du uns hierüber ein wenig was erzählen, welche Bands haben hier schon so aufgenommen?

Johann: Ich find das immer so müßig, all die Bands aufzuzählen, die hier schon waren, denn letzten Endes ist es ja wichtig, was dabei rauskommt und nicht, wo die Musik aufgenommen wurde. Aber um ein paar Namen zu nennen: Phantom/Ghost haben ihr neues Album hier aufgenommen und Frank Spilker, 1000 Robota, Omar Rodriguez-Lopez, Stella, Superpunk, Muff Potter und und und. Ach, und auch Martin and James, die man jetzt noch nicht so kennt, die aber bestimmt bald wahnsinnig erfolgreich sein werden!

Ihr führt ja seit neustem auch ein Label unter dem Namen Clouds Hill. Wie kam es dazu, dass ihr das nun auch noch macht?

Johann: Vorweg muss man sagen, dass es kein Label im eigentlichen Sinne ist, das war nie unser Ziel, da jetzt ein wirkliches Plattenlabel draus zu machen. Aber es geht darum, dass dieses Studio hier einen gewissen Flair hat, was sich häufig dann auch in den Aufnahmen wiederfinden lässt. Und um dieses gewisse Flair auf einen Punkt zu bringen, haben wir uns überlegt, dass es doch cool wäre, 7inches rauszubringen. Sodass also jede Band, die hier ein Album aufnimmt noch ein spezielles Stück mehr aufnimmt, das dann exklusiv über dieses Label Clouds Hill Records erscheint, limitiert auf nur 300 Stück, unter diesem Sammler- und Kunstaspekt. Und dort bringen wir dann eben auch Musik raus, die es sonst schwierig haben würde, auf Gehör zu stoßen, da sie doch sehr anstrengend ist – Die wir aber eben super finden. Es ist ja heutzutage nicht mehr leicht, komplizierte Musik an den Mann zu bringen, denn sowas kauft kaum jemand. Wenn man Labels nämlich anschreibt und fragt, ob man denen was schicken kann, dann bekommt man als Band häufig zu hören, dass man das gar nicht zu schicken braucht – Egal, was es ist. Da kann man mit sonstwelchen Namen winken, aber die Labels sagen häufig, dass nicht das Geld da ist, das zu veröffentlichen. Und so sind wir eben auch auf die Idee gekommen, unser internes Label zu machen, über das wir zumindest die Sachen veröffentlichen können, die hier entstanden sind.

Eine der Bands, die auf Clouds Hill Records ist, ist das Projekt Taka-Takaz. Das ist ja noch ganz neu, magst du uns da noch mehr drüber erzählen? Du hast da ja die Texte für geschrieben.

Johann: Jetzt werden die Sachen erst veröffentlicht, aber das Projekt an sich ist eigentlich uralt, die Songs sind bestimmt schon 2 Jahre alt.

Sebastian: Und das ist eben so eine Sache, bei der wir uns gut austoben konnten.

Johann: Das war schon eine sehr fixe Idee, dass Jessica Drosten, die ja beim Bierbeben gesungen hat, eine Soloplatte machen wollte und so kam es, dass wir ein paar Ideen ausgetauscht haben. Jede Menge Ideen, sozusagen.

Sebastian: Es gab sehr viele Ideen und das ist alles während des Aufnahmeprozesses dann auch noch gewachsen und da ist dann etwas verschrobene Musik draus entstanden.

Johann: Es war ursprünglich eine eigenständige Platte mit 12 Songs, die wir dann etwa ein halbes Jahr lang noch bearbeitet und gemischt haben. Und dann kamen auch noch andere Gastmusiker dazu und irgendwann haben wir gemerkt, dass das echt nicht geht, sich die Platte an einem Stück anzuhören, das wäre einfach viel zu anstrengend. Das wäre zu viel Input. Und so hatten wir die super Idee, da zwei einzelne EPs draus zu machen und noch einige Remixe dabei zu steuern. Und ja, jetzt schockt es einfach, zumindest mich schockt’s!

Wisst ihr denn schon, ob da noch mehr Songs kommen, ob ein Album folgt?

Johann: Klar, das entwickelt sich ja. Im Grunde genommen ist das ja wie mit Karamel. Wir sind ja auch keine Band, die jetzt klassisch veröffentlicht. Oder sind wir eine Band?

Sebastian: Vielleicht haben wir Bandeigenschaften.

Johann: Vielleicht so, aber eigentlich sind wir ein Projekt. Und Taka-Takaz ist eben noch mehr Projekt als Karamel das ist. The Ape hingegen ist aber definitiv eine Band!

Um das mal anzusprechen: Jessica Drosten singt bei Taka-Takaz und ist vor kurzem beim Bierbeben ausgestiegen, hängt das irgendwie zusammen?

Johann: Die haben die rausgeworfen, nachdem die die Platte gehört haben, sicher! Naja, wenn jemand aus einer Band aussteigt und in einer anderen anfängt, dann hat das auf der einen Seite viel miteinander zu tun und auf der anderen aber auch wiederum gar nichts. Es handelt sich eben einfach um Bock in seiner weitesten Form. Das ist Bock.

Sebastian: Bitte?

Johann: Es handelt sich um Bock.

Sebastian: Ja ja.

Kommen wir mal zur Musik, euer Album wurde ja schließlich auch hier aufgenommen. Zunächst eine Frage zum Cover, wer hat das gestaltet?

Johann: Tim Weschkalnies heißt der. Das ist ein Künstler aus Hamburg und Berlin. Der hat eine ganze Menge gezeichnet. Zum Beispiel das, was da hinten an der Wand. Und das originale Plattencover hängt hinten im Schlafzimmer…

[Interview wird unterbrochen, die Bilder wollen betrachtet werden…]

Johann: …. Jaa. Da hab ich ihn halt gefragt, ob er Lust hätte, ein Cover für mich zu machen. Und das ist natürlich für einen Künstler eine schwierige Aufgabe, Ich wollte das schon gern so haben, dass das bei der LP, wenn man die aufklappt, als ganzes Bild funktioniert. Ebenso muss es aber natürlich auch als CD-Cover funktionieren. Und so hab ich ihm die Platte geschickt und gesagt, dass er das malen soll, was er hört. Und da hat er das gemalt. Und das passt meines Erachtens nach wie die Faust aufs Auge. Oder?

Sebastian: Ja.

Ja, find ich auch.

Johann: Ja!

Auf dem Album singt Gisbert zu Knyphausen auch auf einigen Songs mit. Wie kamt ihr zueinander?

Johann: Ganz einfach – Eine genauso romantische wie unromantische Geschichte. Er hat mich angeschrieben, auf einem…. also, im Internet…

Myspace?

Johann: Jaa. Und da hat er halt geschrieben, dass er meine Sachen gut findet und dann hab ich mir seine Musik angehört und beschlossen, dass ich das auch gut finde und dann haben wir uns mal getroffen auf einem Konzert. Und dann war das so: Ich hab ihn gefragt: ‚Ey, heißt du wirklich Gisbert zu Knyphausen?‘ – Und dann sagte er: ‚Ja.‘ Und so kam das dann.

Und dann sind da ja gleich zwei wunderbare Stücke draus geworden.

Johann: Am Anfang wussten wir noch gar nicht so genau, wie das laufen soll. Wir hatten zwar ein paar grobe Ansätze, aber Sebastian hat sich das dann noch ganz gut überlegt, wer wo singen kann.

Und auf einigen Stücken habt ihr ja auch mit einer Dame zusammen gesungen.

Johann: Yeah, Krakow Loves Adana!

Von der hatte ich vorher noch nie was gehört. Wer ist denn das?

Johann: Tja, das ist die Frage, wie sie wohl gern betitelt werden würde.

Sebastian: man könnte wohl „Sängerin“ sagen.

Johann: Meinst du, das ist richtig? Okay. Krakow Loves Adana ist eine Sängerin aus Freiburg, die wirklich gute Lieder macht. Und die hab ich dann entdeckt, da ich auch Musik produziere, ich wollte da frischen Wind –

Sebastian: [kichert: „entdeckt“]

Johann: Ja, wisst ihr, auch Sebastian habe ICH entdeckt! Naja. Diesmal habe ich die Dame jedenfalls bei Myspace angeschrieben und gefragt: ‚Ey, heißt du wirklich Krakow Loves Adana?‘ – Und dann sagte sie: ‚Ja.‘ und dann haben wir zusammen die Platte gemacht.

Wenn man das Album ‚Maschinen‘ und die Vorgänger vergleicht, dann sind die einzelnen Songs nun um einiges länger. Hat sich da was an der Herangehensweise geändert?

Sebastian: Es war ja so, dass wir bei der letzten Platte langsam angefangen haben, auch Schlagzeug zu spielen. Und bei ‚Maschinen‘ war es jetzt so, dass die neuen Songs direkt mit Schlagzeug entstanden sind, was beim Vorgänger noch nicht so war. Da war es noch eher so, dass man einen fertigen Song hatte, bei dem man dann noch überlegt hat, wo ein Schlagzeug dazu passen könnte. Und hier war das eben von vornherein Bestandteil. Da ist dann mehr Raum entstanden für Instrumente, die man vielleicht vorher nicht so eingeplant hatte.

Johann: Ja, das stimmt schon. Aber die Frage zur Herangehensweise – Irgendwie ist das schon immer ähnlich. Speziell die Texte sind ja doch immer aus der gleichen Motivation heraus.

Sebastian: Ja, natürlich.

Aber allein von der Stimmung her ist das ja schon anders diesmal. Die neuen Songs sind ja um einiges dunkler.

Johann: ‚Dunkler‘ finde ich auf jeden Fall die richtige Beschreibung, das hast du gut gesagt, aber das war so auf keinen Fall geplant. Sowas entsteht dann auch aus dem Kontext heraus. Aber die Musik ist inzwischen auch viel mehr mit den Texten verschachtelt, glaube ich. Und durch die Geschichte, dass wir jetzt auch mit einem Schlagzeuger arbeiten, der zwar eine beschränkte, aber sehr wichtige Rolle innehat, bekommt das Album so eine gewisse Schwere, die die Alben davor nur annäherungsweise haben konnten, da man da die Idee noch nicht bis zum Ende verfolgt hatte – Diese Lokomotive die ganze Zeit im Hintergrund laufen zu hören.

Eine Frage zu euren Livekonzerten. Ihr tretet ja häufig auch im Vorprogramm auf, zuletzt zum Beispiel vor 1000 Robota im Uebel&Gefährlich. Man denkt ja schon, dass das Publikum, das sich 1000 Robota anguckt eventuell ein anderes ist als das, was sich euch angucken würde. Merkt man da den Unterschied, vor so einem Publikum zu stehen, oder haben die das gut aufgenommen?

Johann: Ich find das immer total schwer, das zu beurteilen, wie das bei den Leuten ankommt. Denn letzten Endes ist ein Publikum immer ein Publikum. Das sind Menschen, die zu einem Konzert gehen und sich das angucken und dann wissen, ob sie es gut oder schlecht finden. Und speziell bei diesem 1000 Robota-Ding kann man das jetzt so schwer beurteilen, weil das Hamburger Publikum war, bei denen man immer besonders schwer ablesen kann, wie die das finden. Ansonsten kann wohl sagen, dass es immer eine komische Angelegenheit ist, wenn zwei verschiedene Bands miteinander spielen. Ich persönlich find das zumindest immer ungeil, mir zwei Bands an einem Abend anzusehen, ganz unabhängig davon, welche Bands das nun sind. Das schockt mich nie. Also ich geh sowieso recht selten zu Konzerten, weil ich Konzerte einfach nicht so gut finde. Es gibt da natürlich ein paar Ausnahmen, aber an sich finde ich sind Konzerte eher so eine mittelgute Idee. Deswegen finde ich: Je weniger Bands an einem Abend spielen, umso besser. Wenns nach mir ginge, müsste man keine Supportgigs spielen. Was wir wirklich versuchen zu meiden sind so Konzertabende, wo dann irgendwie 3 Bands spielen, oder sowas. Ganz egal, ob man nun als Erster oder als Letzter spielt, das ist einfach eine totale Zumutung für das Publikum.

Und wie ist das dann für euch bei Festivals? Letztes Jahr wart ihr ja auf dem Dockville zum Beispiel.

Sebastian: Da haben die Leute einen anderen Anspruch. Da geht man hin, um sich seine Lieblingsbands anzugucken und dann noch den Rest mitzunehmen, der einen eventuell nur ein bisschen interessiert.

Johann: Wo war das denn nochmal, als diese verkackte Band da vor uns gespielt hat?

Sebastian: Du kannst nur von Oberhausen sprechen…

Welche Band war das denn, bitte?

Johann: Ach, egal, das war einfach ein totales Desaster da. Da waren 3 Bands und wir wussten das nicht und haben als Zweites gespielt und haben da dann einfach nicht richtig gespielt. Wir sind auf die Bühne gegangen und haben vielleicht zwei Songs gespielt und dann nur noch ein bisschen Krach gemacht. Einfach, um das da kurz zu halten, damit die Leute nicht so abgenervt sind. Manchmal wär es besser, manchen Bands einfach das Geld auszuzahlen und die dann nicht spielen zu lassen, um die Zuschauer zu schonen.

Zu deinen Texten: Wenn man Titel wie ‚Sag mal, Johann…‘ hört, dann geht man ja schon davon aus, dass das sehr autobiografisch ist, was du singst. Ist dem so, oder wie schreibst du Texte?

Johann: Texte sind immer das, was der Zuhörer draus macht.

Punkt?

Johann: Punkt.

Das war es dann soweit mit den Fragen. Oder wollt ihr noch was loswerden?

Johann: Die Internetwelt kann mich echt mal am Arsch lecken. Internet ist ganz ganz schlimm.

Aber du schwimmst da ja schon gut mit. Songs vom neuen Album vor Veröffentlichung auf Myspace laden und sowas.

Johann: Hast du gerade gesagt, ‚ich schwimm da mit‘? Allerhöchstens werde ich da mitgeschwemmt! Aber natürlich ist das Internet eine Plattform für Musik, das lässt sich ja mittlerweile nicht mehr leugnen. Oder kennst du Leute, die das noch verleugnen?

Sebastian: Vielleicht Leute, die ausschließlich CDs kaufen.

Johann: Menschen, die so High-End-Kram in ihrem Zimmer stehen haben und denken, die CD sei die Neuerfindung von Vinyl. Solche Leute leugnen das vielleicht. Aber zu solchen Leuten gehören wir nicht. ich sage nur so viel: das Internet als Selbstdarstellungsplattform abseits von Musik zu nutzen, ist unklug. Ich weiß, Sebastian, du machst das…

Sebastian: Man wird ja mitgeschwemmt.

Ja, so ist das… Vielen Dank für das Interview!

Johann: Ja, dankeschön!


Nach dem Interview gaben Karamel ein kleines Akustik-Konzert für uns. Schaut hier.

Wir freuen uns über deinen Kommentar: