Startseite » David Schumann: The Tokyo Diaries

David Schumann: The Tokyo Diaries

Japan ist ein Land, das sicherlich viele von uns anspricht. Sogar der Durchschnittsdeutsche assoziiert mit Tokio häufig Quatsch aus der Kindheit, über Pokémon bis hin zu Sailor Moon wird der ganze Kram schließlich fleißig zu uns rübergeschwemmt. Aber dass Japan auch in ganz anderer, nicht nur kultureller, Hinsicht interessant sein kann, zeigt uns David Schumann, der zwei Jahre lang als Austauschstudent selbst „drüben“ war und mit „The Tokyo Diaries“ seinen autobiografischen Roman veröffentlicht.

Um dem Leser seine Erfahrungen besonders persönlich näher zu bringen, entschied David sich für einen Schreibstil im Tagebuchformat. Vom Aufbruch im März 2005 bis hin zu seinem letzten Tag in Japan 2007 hat er also regelmäßig alles niedergeschrieben, was ihm im „Land der aufgehenden Sonne“ widerfahren ist. Dabei lernt man den Menschen hinter den Zeilen sehr gut kennen, kann seine Gedanken nachvollziehen und ist gespannt, wie es in seinem Leben weitergehen mag. Erlebnisse zwischen Studium, Feierei, Alkohol, Musik und auch Liebe bis hin zu einer unerwarteten Karriere als Model stehen auf der Tagesordnung. Hinzu kommt, dass man eine ganze Menge über Japan direkt aus erster Hand erfährt. Dass es sich bei Deutschland und Japan um zwei vollkommen anders geprägte Kulturen handelt, wird immer wieder deutlich: Seien es nun ganz andere Ansprüche an der Uni, merkwürdiges Bier oder alltägliche Verstrickungen im stressigen Straßennetz einer Stadt wie Tokio.

Dass das Buch informativ und interessant geschrieben ist, wird jeder, der es gelesen hat, zugeben. Woran sich die Geister allerdings scheiden werden, ist der Sprachstil von David Schumann. Zwar gehört es natürlich dazu, den jugendlichen Flair rüberzubringen, aber manchmal ist der Slang schon zu viel des Guten. Gleichzeitig spielt Schumann aber mit den Feinheiten der Ironie, die das Lesen des Buchs nichts desto trotz anspruchsvoll machen. Hier ein Textauszug, der beides ganz gut verkörpert:

„Was hab ich mir bei diesem Scheißtrip überhaupt gedacht? Diese ganze selbstgerechte, pseudo-existenzialistische Scheiße, von wegen Tôkyô oder ich, es kann nur einen geben, kein Alkohol mehr, die ganze Härte des Lebens ungefiltert auf sich einprasseln lassen: Lächerlich! Ich werde nach 2 Wochen zerbrechen wie ne Scheiß-Mingvase, am Telefon meine Mutter belästigen und mich nachts allein in den Schlaf heulen. Ich bin ja so ein Idiot. Schreibt das bitte auf meinen Grabstein: „Er war ein verfickter Scheißidiot. Pissen bitte hier.“ Und dann so nen Pfeil runter.“

Für uns als Musikmagazin war es natürlich besonders interessant, welche Erfahrungen David in dem Bereich Musik macht. Nicht nur, dass er als Nebenjob Artistbetreuung bei einem Label machen kann und selbst bei einigen Bands einsteigt – Eine Art Soundtrack zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Immer wieder erwähnt David Songs, die er in dieser oder jener Situation gehört hat und stellt am Ende des Buchs sogar auf einigen Seiten noch das „Mixtape“ dazu zusammen. Es handelt sich also um einen Roman, den man nicht nur lesen, sondern zusätzlich sogar „hören“ kann.

Insgesamt ist „The Tokyo Diaries“ jedem ans Herz zu legen, der ein Faible für Japan und Popkultur hegt. Aber auch jedem, der daran interessiert ist, das Schicksal und die Wandlung eines faszinierenden Menschen zu verfolgen, sei an dieser Stelle auf jeden Fall eine Empfehlung ausgesprochen.


VÖ: „The Tokyo Diaries“ erschien am 11.03.2009 bei Rockbuch.

5 comments

  1. Matthias says:

    Hi, schöner Text! Ich habe das Buch auch gelesen und kann deinen Eindruck bestätigen. Hat man sich erstmal an den direkten Stil „frei nach Schnauze“ gewöhnt, dann ist „The Tokyo Diaries“ interessant, abwechslungsreich, witzig und und und. :-)

  2. Katja says:

    Toll, das ihr hier darüber schreibt! Hab die Tokyo Diaries gelesen und hab eigentlich Lust sowohl nach Tokyo zu reisen als auch mit David mal zu quatschen. Man kommt ihm schon ziemlich nah im (Tage-)buch und ich hab mich danach gefragt, wie es ihm wohl heute geht!

  3. Pingback: Travel and Blog

Wir freuen uns über deinen Kommentar: