Startseite » Erfahrene Newcomer

Erfahrene Newcomer

Auch wenn ?Grace Under Pressure? das Debüt von Underwater Circus ist, so haben wir es hier nicht mit Anfängern zu tun. Ganz im Gegenteil. Der ehemalige Milk auf Ex-Frontmann Markus Schultze (auch bekannt als Moderator bei MTV) hat es sich in seiner Wahlheimat Berlin mit neuen Musikern zur Aufgabe gemacht, endlich einmal eine Platte aufzunehmen, bei der von vorne bis hinten alles stimmt. Und das ist gelungen. Wie es dazu kam, wollten wir von Markus (Gesang, Gitarre), Alberto (Gitarre), Cindia (Bass) und Moritz (Schlagzeug) wissen, als wir uns im Vorfeld ihres Rock am Ring-Gigs gemeinsam an einen Tisch setzten.

<b> Eure Platte klingt sehr eigenständig und international. Meist versucht man ja, Vergleiche zu ziehen, das fiel mir bei euch schwer? </b>
<b> Markus: </b> Definitiv! Das war zwar nicht das erklärte Ziel, aber wir haben das schon irgendwie angestrebt. Wir konnten in vielen Soundfragen selbst entscheiden und sind sehr happy darüber, wie die Platte klingt. Es war aber nicht so, dass wir vorher genau wussten, so und so wird es sein! Wir haben einfach bei jedem Song versucht, das rauszuholen, was wir selbst darin gesehen und gehört haben. Das ist der Stand der Dinge!

<b> Klingt auch gar nicht deutsch? </b>
<b> Markus: </b> Du bist nicht der erste, der das sagt. Was ist denn bitte der deutsche Sound?

<b> Weiß ich nicht. </b>
<b> Markus: </b> Siehste, wir auch nicht! (lacht)

<b> Was sagt ihr zu dem Einwand, dass die Platte für einen Erstling fast schon zu gut ist? </b>
<b> Markus: </b> Das kann ich zum Teil nachvollziehen. Aber nur zum Teil, denn es gibt auch einige unerwartete Momente und unerwartete Songs auf der Platte. In ihrer Bandbreite ist die Platte doch sehr abwechslungsreich: Wenn man z.B. ?Demons In Underwear? und ?Waxing Moon? vergleicht ? das sind komplett andere Filme! Über die Strecke des Albums sind viele Überraschungen drauf! Soundmäßig kann ich diesen Einwand ein bisschen nachvollziehen. Das ist unsere erste gemeinsame Platte und wir sind auf einem guten Weg. Die nächste wird sicherlich ein bisschen anders klingen. In welche Richtung das geht, muss man sehen, aber es wird sicherlich kein Abklatsch dieses Albums sein.

<b> Ihr seid bei ?Pirate Records?, dem Label von Michael Mittermeier. Wie kam es dazu? </b>
<b> Alberto: </b> Wir sind den klassischen Weg gegangen, den auch andere Bands gegangen sind: Wir waren eine normale Proberaum-Band, die ein Demoband aufgenommen hat. Unser Manager hat bei den Labels durchgeklingelt, und daraufhin gab es dann verschiedene Angebote. Auch von Major-Firmen. Wir hatten dann die Wahl, ob wir uns für ein kleines Label entscheiden, wo alles etwas familiärer ist und wo jeder jeden kennt, oder ob wir uns für ein großes Label entscheiden. Das war eine reine Bauchentscheidung. Wir haben uns dann mit den Leuten von Pirate Records in Berlin getroffen, und die haben ein paar Sachen gesagt, wo wir echt ein gutes Gefühl hatten.
<b> Markus: </b> Es gab mehrere Angebote, und wir hatten kurzzeitig ernsthaft auch ein Major in Erwägung gezogen. Letztlich war aber dieses eine Treffen mit Pirate in Berlin entscheidend. Ich bin ein extrem geprägtes Kind was diese Major-Geschichte angeht. Ich hatte mit meiner letzten Band ?Milk Auf Ex? einen Major-Deal, und ohne der Plattenfirma jetzt die Schuld am Niedergang dieser Band geben zu wollen: Ich habe gesehen, was es bedeutet, wenn zig Bands bei derselben Firma unter Vertrag sind, wo zig Leute arbeiten, die sich ständig abwechseln mit einer unglaublichen Rotation. Da ist es ganz schwierig, bei denen voranzukommen und nicht hinten runter zu fallen. Wir haben noch keine Sekunde bereut, dass wir diese Entscheidung getroffen haben. Wir wissen, dass wir eine von wenigen Bands sind, und dass man uns betreut. Das ist besser als sagen zu können, dass man bei der oder der Plattenfirma unter Vertrag ist, die jeder kennt. Pirate kennt auch bald jeder!

<b> Dass du bei MTV als Moderator arbeitest, wird von euch kaum erwähnt. Das hätte doch auch viele Türen öffnen können? </b>
<b> Markus: </b> Das ist ein zweischneidiges Schwert. Das ist wie bei allen Dingen auch: es gibt Vor- und Nachteile. Das hat uns mehrere Türen geöffnet, hat aber eben auch schon ein paar andere zugemacht. Es ist ja nicht so, dass ich das komplett verheimliche, dass ich da arbeite. Das wäre ja Quatsch, ich verstecke mich ja nicht davor. Ich mache diesen Job auch gerne, und ich mache es auch immer noch, nur eben weniger. Aber das hat mit der Band nicht wirklich viel zu tun! Außer, dass ich häufiger mal nicht proben kann, weil ich irgendwo hin muss. Deshalb finde ich es unnötig, damit hausieren zu gehen. Das stößt auch vielen Leuten bitter auf!

<b> Warum? </b>
<b> Markus: </b> In letzter Zeit gibt es ja viele Serienstars, Schauspieler oder Moderatoren, die auf einmal Musik machen. Die sind dann schon mal berühmt und mit der Musik meist automatisch erfolgreich. Das ist ein unserem Genre ja eher schwierig. Bei mir ist der Weg auch ein ganz anderer: Musik mache ich schon ewig!

<b> Wenn du irgendwann zeitlich nicht mehr alles unter einen Hut bekommst und dich entscheiden müsstest zwischen MTV und der Band?? </b>
<b> Markus: </b> Ich lass die Zukunft auf mich zukommen. Im Moment bin ich mit der Band unterwegs. Das ist das, was ich mir immer gewünscht habe. Ich bin lange nicht mehr so glücklich gewesen! Natürlich bin ich nebenbei immer wieder bei MTV. Da bin ich jetzt aber auch schon das dritte Jahr, und irgendwann wird man da auch gesichtsalt und kommt da gar nicht mehr durch. Es wird immer einen Weg geben. Im Moment kommen wir alle miteinander klar.

<b> Mal an den Rest der Band: Euer Sänger hat gerade gesagt, er lasse das auf sich zukommen. Hört ihr das gern? </b>
<b> Alberto: </b> Ich weiß gar nicht, wie er das meint. (lacht) Es ist ja wohl nicht so, dass er im nächsten Jahr weg ist?
<b> Markus: </b> Das muss ich korrigieren: Es steht überhaupt nicht zur Debatte, irgendwann nicht mehr in dieser Band zu spielen. Die steht an erster Stelle! Ich lasse alles andere ? also neben der Band ? auf mich zukommen. Die Band steht da völlig außen vor!

<b> Wie funktioniert das mit der Doppelbelastung MTV und Band? </b>
<b> Markus: </b> Die Doppelbelastung sieht so aus, dass ich schon fast nicht mehr weiß, wann ich den letzten freien Tag hatte. Beides kostet viel Zeit. Solange ich aber morgens noch aus dem Bett komme und noch einigermaßen aus den Augen gucken und sprechen kann, wird das auch so weiter laufen.

<b> Cindia, du warst vorher in der Band von Farin Urlaub bis du genau vor einem Jahr hier bei Rock am Ring von Markus angesprochen wurdest. Wie war es mit Farin auf Tour? </b>
<b> Cindia: </b> Mit Farin auf Tour zu sein heißt in erster Linie, dass man Leute für alles hat und dass man einen lustigen Chef hat. Trotzdem ist es ein bezahlter Job. Das sind nicht deine eigenen Stücke und man muss nichts machen, weil für alles gesorgt ist. Das ist zwar alles lustig, aber man ist eben nicht selbst verantwortlich. Mit Underwater Circus ist man mehr selbst am Machen, man ist direkt beteiligt und selbst verantwortlich. Bei Farin muss man sich halt keine Sorgen machen, dass er irgendwann mal die Miete nicht zahlen kann?

<b> Musst du dir hier Sorgen machen? </b>
<b> Cindia: </b> Naja, ein bisschen? (lacht)

<b> Markus, nach Milk auf Ex und vor Underwater Circus hast du ab und zu auch allein gespielt, oder? </b>
<b> Markus: </b> Ja, ich habe immer mal so Akustik-Liederabende gemacht, wo ich meine persönlichen Lieblingslieder gespielt habe. Da habe ich dann auch immer ein paar eigene mit eingestreut.

<b> Warum hat es so lange gedauert, bis du neue Musiker gefunden hast? </b>
<b> Markus: </b> Es hat lange gedauert, bis ich überhaupt wieder Musik gemacht habe. Nach dem Zusammenbruch meiner letzten Band habe ich ein Jahr lang überhaupt keine Musik gemacht, weil ich sehr enttäuscht und geknickt war. In dieser Zeit hab ich an mir und der Welt gezweifelt. Ich habe dann erst mal wieder zart angefangen, weil ich keinen Bock hatte, mich wieder von anderen abhängig zu machen. Mit ein paar Kumpels aus Braunschweig ging es dann irgendwann wieder los und daraus ist dann letzten Endes diese Band erwachsen: Richtig ernsthaft wurde es, als Moritz und ich uns entschlossen hatten, dass wir diese Band unter diesem Namen weiterführen werden. Vor zweieinhalb Jahren haben wir uns dann entschieden, uns zum Trio zu erweitern. Mit Alberto war es so, dass uns immer wieder gegenseitig voneinander erzählt wurde, und da war es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns mal kennen gelernt haben. Letztes Jahr kam dann schließlich Cindia dazu, die ich hier bei Rock am Ring in der Band von Farin Urlaub gesehen habe und dann irgendwann angesprochen habe?

<b> Wenn man auf eure Hompage schaut, würde man nicht vermuten, dass ihr eine neue Band seid. Was da an Informationen drauf ist, reicht für Stunden. Das sieht alles sehr professionell aus. Zu professionell für einen Newcomer? </b>
<b> Alberto: </b> Die ist vom Design her zwar sehr aufwendig, aber inhaltlich ist sie eigentlich sehr schlicht. Es steht halt sehr viel drauf. Aber ich hätte es früher auch schön gefunden, von meiner Lieblingsband mal ein ausführliches Tourtagebuch zu sehen?
<b> Markus: </b> Ich finde diesen Punkt eigentlich ganz interessant: ?zu gut, zu schön? Was soll das?

<b> Wir sind in Deutschland, da wird doch immer nach etwas gesucht? </b>
<b> Markus: </b> Ja eben, das ist nämlich schon so ein deutsches Ding. Die Leute, die diese Seite gemacht haben, waren mit sehr viel Enthusiasmus, Liebe und Begeisterung bei der Sache und wir sind extrem stolz auf diese Sache und wir freuen uns da tierisch drüber. Und immer diese Kritik, wenn etwas sehr gut geworden ist: ?zu gut? ? das geht eigentlich nicht!

<b> Ihr habt gerade eure Clubtour hinter euch gebracht. Wie war?s? </b>
<b> Cindia: </b> Anstrengend!

<b> Das war jetzt die erste eigene Tour, vorher ward ihr immer als Support z.B. mit den Guano Apes unterwegs. Ihr hattet doch ein paar Bedenken, wie viele Leute jetzt zu euren eigenen Konzerten kommen würden? </b>
<b> Cindia: </b> Wenn man jetzt im Sommer um acht Uhr spielt, kommt man schon ins Grübeln, ob bei der Hitze viele Leute kommen werden. Das ist kein Vergleich zu den Konzerten mit den Guano Apes. Aber ich war dann doch sehr angenehm überrascht!
<b> Alberto: </b> Gestern haben wir z.B. in Aschaffenburg gespielt, da waren 150 Leute da. Wir haben uns tierisch gefreut, weil die alle wegen uns gekommen waren!
<b> Markus: </b> Eine Regel, die ich auch bei MTV schon gelernt habe, lautet ?es ist immer alles anders?. Wenn man irgendwelche Erwartungen an einen Abend hat, wird es garantiert genau anders. In Aschaffenburg das war der Hammer! Wir haben uns den Arsch abgefreut, weil wir gemerkt haben, dass da Leute sind, die wirklich Bock hatten zu feiern. Auch wenn es nur 150 waren. Als wir auf einem Uni-Fest in Albertos Heimat gespielt haben, waren z.B. bestimmt 1500 Leute da. Da haben wir vorher gedacht, da brennt die Luft. Alles was dann aber gebrannt hat, war die Anlage, die nämlich nach und nach abgeraucht ist. Den Leuten war das egal, weil die sowieso nur Bier saufen wollten, und wir waren nur das Beiwerk. Das sind sehr lehrreiche Erfahrungen. Die Apes-Tour war schon sehr lehrreich, aber die Clubtour ist noch viel lehrreicher! Gerade, weil wir es komplett allein durchziehen: man muss selbst fahren, merchen usw. ? das ist ein echter Fulltime-Job!

<b> Ihr spielt heute ja recht spät im New Talent Forum. Da werden sicherlich auch einige Leute sein, die nur saufen wollen? </b>
<b> Markus: </b> Saufen ist ja auch nicht das Problem, das macht man ja manchmal gern. (lacht) Wenn man feststellt, dass das Saufen jetzt das Wichtigere von beidem ist, das ist nicht so toll. Die Bühne steht ja jetzt an einer Stelle, wo ziemlich viel Durchlauf ist. Wir hoffen, dass dann einige Leute stehen bleiben, wenn wir spielen. Wenn wir nicht vor einem leeren Platz spielen, dann wär? schon alles gut?

Das Interview führten Oliver und Emrah

Wir freuen uns über deinen Kommentar: