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Hit Me If You Can

Vorhang auf für eine der unterbewertesten deutschen Bands dieser Zeit:
UNDERTOW! Das Trio verbindet schon in fast unerhört perfekter Weise Härte, Melodie und Leidenschaft. Ihr drittes Album ?34CE? ist eine wahre Glanzleistung und so stand für mich fest, dass ich der Band bei ihrem Gig im Kölner Underground unbedingt einen Besuch abstatten muss. Kurz vor Stagetime sprach ich mit dem Basser Tom Jentsch.

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<b> Die meisten Leser werden von Euch noch nicht so viel gehört haben. Erzähl doch bitte mal kurz was zu eurem bisherigen Werdegang. Wie lange gibt es euch schon? </b>
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Wir werden im Dezember unser zehnjähriges Jubiläum feiern, haben also 1993 mit der Band angefangen. Unser Drummer Oliver ist jetzt seit fünf Jahren dabei. Sein Vorgänger hatte sich einfach nicht weiterentwickelt und familiäre Probleme gehabt. Es war gar nicht unser Ding, irgendjemanden auszuwechseln. Mit der jetzigen Besetzung sind wir aber sehr glücklich. Und dass wir mal einen Plattenvertrag bekommen würden, war gar nicht so geplant. Wir haben die Musik immer nur aus Spaß gemacht.
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<b> Ihr kommt ja aus der Nähe von Schwäbisch Hall, habt dort aufgenommen und auch euer Label Silverdust ist dort beheimatet. Regionale Verbundenheit? </b>
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Wir hatten ja bei unserer ersten CD noch ein anderes Label, das in Backnang sitzt, was ja auch in unserer Nähe ist. Dann hat der Achim von Silverdust uns gehört und zusammen mit End Of Green unter Vertrag genommen.
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<b> Ich kenne von euch nur das aktuelle Album. Vergleich mal ?34ce? mit den beiden Vorgängern. </b>
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Die große Veränderung am neuen Album ist der Sound. Wir haben jetzt endlich das, was wir haben wollten. Bei unserer ersten Platte ?Harmon E? haben wir im Studio des damaligen Labelbesitzers aufgenommen. Das war erst mal eine gute Situation für uns, denn normalerweise wird ja gesagt ?Du hast zwei Wochen Zeit, danach muss die Kiste fertig sein?. Es war sehr relaxt, aber der Produzent hat seinen Arsch nicht hochbekommen. Er hat im Prinzip nur die Grundeinstellungen am Pult gemacht. Wir haben die CD dann mehr oder weniger selbst aufgenommen. Bei ?Unit E?, dem Album vor ?34CE?, war es so, dass die CD auch noch in dem Studio produziert wurde. Achim von Silverdust kam erst danach ins Spiel und hat die Lizenz übernommen. Das war für uns ein Glücksfall. Dann waren wir zum ersten Mal im Studio mit jemandem, den wir nicht so gut kannten. Das war Roger Grüninger, der auch bei ?Die Allergie? Gitarre spielt. Er hat uns dann gesagt, wie wir am besten vorgehen sollten. Ich bin sehr glücklich darüber, dass diesmal eine musikalische und soundtechnische Entwicklung vollzogen wurde. Unsere ersten beiden Alben waren doch eher austauschbar.
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<b> Die neuen Songs standen da aber schon, oder? </b>
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Klar. Ich bin immer total baff, wenn ich höre, dass manche Bands mit nur zwei, drei Riffs ins Studio gehen, dann erst das Album fertigschreiben und es auch noch gut wird. Da habe ich großen Respekt vor. Unsere Songs standen aber schon ? bis Roger ins Spiel kam. Er war ein aktiver Produzent, aber kein Diktator, der alles zurechtbiegt und glattbügelt. Er war sehr engagiert, hat immer wieder Vorschläge gemacht. Es war ein sehr konzentriertes Arbeiten. Teilweise war es natürlich schmerzhaft, wenn er gesagt hat ?Den Part könnt ihr euch in die Haare schmieren?. Aber so etwas ist wichtig, wenn ein außenstehender die Musik objektiv beurteilen kann. Ich nenne das ?Filtern?. Wir haben auch diesmal nicht mit Bändern, sondern direkt über den PC aufgenommen. So ging das ganze dann viel schneller, weil du manchmal einen Part nur einmal spielen musstest und der Rest dann kopiert wurde. Das hat uns vieles erleichtert, weil wir so auch fokussierter arbeiten konnten und nicht noch mehr Urlaub für die Studiozeit nehmen mussten.
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<b> Die Produktion von ?34ce? ist wirklich der Oberhammer. Wenn ich mir die Scheibe so anhöre, frage ich mich, warum manche Bands mit namhaften Leuten in teuren Studios aufnehmen müssen. </b>
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Bei anderen, bekannteren Produzenten ist es halt so, dass der Sound dann oft gleich klingt. Roger war einfach heiß, da es erst seine dritte Produktion war. Er kannte uns schon seit einigen Jahren und hat uns auch mehrmals live gesehen. Die Zusammenarbeit war aber nicht so auf dem Kumpel-Level, sondern sehr professionell. Irgendwann kam unser Labelboss Achim ins Studio, um sich die noch unfertigen Aufnahmen mal anzuhören und auch wir kannten das Zwischenergebnis noch nicht. Roger hatte einen Rough Mix produziert und uns zwei Songs vorgespielt und wir saßen alle nur da und dachten: ?Alter Schwede!?
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<b> Würdet ihr im Nachhinein trotzdem noch etwas ändern wollen? </b>
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Meine Bandkollegen sind eher so drauf, ich eigentlich nicht. Mir ist es wichtig, dass mich die Musik berührt. Aber die anderen Jungs hören genau hin, wenn ein Snare-Schlag mal daneben ist. Das einzige was ich mittlerweile ändern würde, ist, dass ich das Instrumental nicht als ersten Song auf die CD machen würde, da ja direkt vor dem zweiten Song noch ein Intro kommt. Wir hatten es so gemacht, weil wir es live auch so gespielt haben.
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<b> Wie schreibt ihr eure Songs? </b>
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Die meisten Sachen entstehen im Kopf unseres Sängers. Er arbeitet zuhause an den Songs und kommt damit dann in den Proberaum. Der musikalische Input von mir und unserem Schlagzeuger ist sehr gering. Ich schreibe mittlerweile aber die meisten Lyrics.
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<b> Ihr habt auf dem Album einige Film-Samples verwendet. Haben die irgendetwas mit den Texten oder dem Konzept zu tun? </b>
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Bei Twin Peaks war es so, dass ich die Seasons-DVD gesehen habe und mir vorher immer gesagt wurde, dass ich mir das nachschauen müsste. Ich war auch schon ein großer David Lynch-Fan. Irgendwann in einer Folge kommt dann ein Spruch, der atmosphärisch eine Menge her gibt. Und an der Stelle habe ich gedacht, das passt ganz gut als Intro. Ich schneide dann so was mit und latsche damit ins Studio. Bei ?W.O.T.?, unserem schnellsten Song, heißt es im Intro ?Hit Me If You Can? und das passt ja wohl ganz gut.
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<b> Musstet Ihr da wegen den Rechten nicht aufpassen? Auch im Booklet habt ihr keine Quellen angegeben </b>
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Ich glaube, da muss man nur aufpassen, wenn die Sachen länger als 15 Sekunden oder so gehen. Du meinst sicherlich so etwas wie ?Contains Sample Of…?, was ja im Hip Hop-Bereich gemacht wird. Aber die verwenden das ja direkt für den Song.
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<b> Auffällig ist, dass ihr bei den Geschwindigkeiten gerne in die Extreme geht. Entweder sind es hymnische Doom Metal-Stücke oder Thrash-Granaten. Habt ihr was gegen Midtempo? </b>
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Nee, überhaupt nicht. Es ist ja so, dass viele uns nicht so recht kategorisieren können, weil wir eben nicht nur Doom oder nur Thrash machen. Wir hatten auf dem Vorgänger eine richtig schnelle und eine langsame Nummer, der Rest war also Mid-Tempo. Für unseren Schlagzeuger, der auf Slayer steht, haben wir eh nur einen schnellen Song. Alles andere ist für ihn langsam.
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<b> Welche Bands gehören zu euren Einflüssen? Und mit welcher Band würdet ihr gerne mal auf Tour gehen? </b>
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Ich habe als 15-Jähriger mit Metallica angefangen. Meine erste Scheibe war ?…And Justice For All?. Später kam Machine Head hinzu, die neue Einflüsse in die Metal-Geschichte gebracht haben. Irgendwann habe ich dann auch angefangen, Musik zu hören, die nichts mit Heavy Metal zu tun hat. Das ging dann eher so in die Prong- oder Helmet-Ecke. Und später ist es völlig über mich reingebrochen. Heute höre ich Hip Hop, Pop, Elektro und was auch immer. Wir alle stehen aber auf Bands, die einen gewissen Melancholie-Faktor haben.
Für unseren Gitarristen ist mit der Crowbar-Tour schon ein Traum in Erfüllung gegangen. Wenn ich mir eine aussuchen dürfte wären das wahrscheinlich Sevendust oder Nine Inch Nails. Unser Drummer würde Slayer favorisieren. Für unseren Sänger käme nach Crowbar wohl nur noch Metallica.
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<b> Ihr habt euch gar nicht dem allgemeinen Trend, die Gitarren noch tiefer zu stimmen, angepasst. Selbst klassische Metal-Bands machen das heutzutage. </b>
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Wir haben ja bei den beiden ersten Alben ganz normal auf E gespielt. Bei unseren Konzerten haben uns viele gefragt, auf was wir spielen und wir meinten dann auch E, aber viele konnten echt nicht glauben, dass drei Mann so viel Druck erzeugen können. Oft ist das ein Produzenten-Ding. Roger meinte gleich, dass wir zwei Halbtöne tiefer stimmen sollten, deswegen spielen jetzt auf D. Auch wenn wir gerne New Metal hören, hat es uns wohl nicht so beeindruckt, dass wir dann noch tiefer gegangen sind.
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<b> Nervt es euch eigentlich nicht, wenn ihr ständig positives Feedback von der Presse bekommt, aber die Charts von anderen Bands dominiert werden? Oder ist euch das egal? </b>
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Das muss man immer in Relation zu unserer Musik sehen. Wir sprechen halt eine kleinere Zielgruppe an. Bei unseren Labelkumpels End Of Green ist das etwas anders. Das gefällt auch vielen Mädels. Es nervt natürlich nicht, dauern positive Kritiken zu bekommen. Es hat mich teilweise echt umgehauen. Als mein Plattenboss mich angerufen hat und mir erzählte, dass wir im Metal Hammer-Soundcheck auf Platz zwei sind. Wir konnten große Bands wie Sepultura oder Helloween hinter uns lassen. Wirklich glauben konnte ich es erst, als ich das Heft dann in der Hand hielt. Vielleicht hat der Hammer ja auch einfach ein gutes Verhältnis zu unserem Label, da wir zusammen das Summer Breeze-Festival präsentieren. Der Gipfel war dann, als wir im Rock Hard unter ?10 Mal Dynamit? aufgeführt wurden. Das hat mich sehr überrascht, weil die in den letzten Jahren meinem persönlichen Musikgeschmack sehr oft widersprochen haben. Ich denke nur daran, wie schlecht die ersten beiden System Of A Down CD´s bei denen abgeschnitten haben. Es hat mich auf jeden Fall stolz gemacht. In einigen älteren Reviews wurden wir auch schon mit Nirvana und Soundgarden verglichen, was natürlich total daneben ist. Ich hab also auch schon viel wirres Zeug über uns gelesen. Was weiß ich, was den Leuten an dem Tag widerfahren ist.
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<b> Seid ihr einfach zu untrendy? </b>
Uns fehlen vielleicht die La-La Parts. Wir haben schon viele Melodien und catchy Parts. Es ist auf jeden Fall sehr hart und wenig kuschelig. Selbst wenn wir langsame Songs machen, sind die melancholisch oder depressiv.
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<b> Das Problem ist wohl auch, dass ihr aus Deutschland kommt und auch noch aus einem kleinen schwäbischen Ort </b>
Wenn wir aus New York oder irgendeiner Hardcore-crediblen Ecke kommen würden, hätten wir vielleicht mehr Erfolg. Scheinbar ist es in den Köpfen der Käufer, dass aus dem eigenen Land erst mal nichts gutes kommt. Ein Beispiel dafür sind Harmful. Bei denen passt einfach alles: die sind eigenständig und kreativ. Aber viel reißen tun die hier nicht. Das hat halt viel mit Image und Marketing zu tun.
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<b> Wie ist denn die Tour bisher gelaufen? </b>
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Dafür, dass zwei schwäbische Underground-Bands zusammen unterwegs sind, läuft es ganz gut. Der Schnitt liegt so bei 100 Zuschauern. Nur Solingen lief nicht so gut, da es dort im Vorfeld wohl kaum Werbung oder Plakate gab. Uns war aber klar, dass irgendwann so ein Tag kommt. Wir haben versucht, bei jedem Gig eine einheimische Band mit ins Programm zu nehmen. Teilweise waren das Bands ohne Plattenvertrag, aber wir fanden die einfach gut. Wir haben uns bemüht, mit Leuten zusammen zu spielen, die wir selbst gut finden. End of April oder Kju zum Beispiel. Kju hatte ich auf dem With Full Force gesehen und war super überrascht. Ich hab dann deren Label angeschrieben und so kam eines zum anderen, weil wir uns über ein paar Ecken wohl schon kannten. Die Welt ist klein. Es gibt ja eine Theorie, dass man jeden Menschen auf dieser Welt über fünf Ecken kennt. Wenn man da mal drüber nachdenkt, ist das gar nicht so abwegig.
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<b> Findest Du, dass es in eurer Region eine starke Szene gibt? </b>
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Ja, auf jeden Fall. Wir haben untereinander immer gute Kontakte gehabt. Alle Musiker, die wir aus unserer Anfangsphase kennen, machen heute noch Musik oder sind zumindest im Business tätig. Die Farmer Boys z.B. kennen wir schon seit Jahren und sind auch gute Kumpels von uns. Stone The Crow kenne ich auch, sind ganz nette Leute, haben aber ein komisches Verhältnis zum Business. Aber das soll jeder so sehen wie er will.
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<b> Was macht ihr eigentlich neben Undertow? </b>
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Klar können wir nicht von unserer Musik leben. Wieviele deutsche Bands können das überhaupt. Selbst die Farmer Boys, die ja mal auf nem Major-Label waren, oder die Emil Bulls müssen nebenbei arbeiten. Vielleicht hat mal als Deutscher aber auch dieses Bauspar-Denken im Kopf. Irgendwann wird man ja eine Familie haben und dann will man halt vorbereitet sein. Unser Sänger Joschi ist Krankenpfleger auf einer psychiatrischen Abteilung in einer Klinik. Das ist sein Traumjob und er ist sehr glücklich damit. Kuddel, unser Schlagzeuger, ist Werkzeugmacher. Beide schaffen Schichtbetrieb, was die Sache für die Band nicht einfach macht. Und ich bin very unmetal: Bibliothekar!
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<b> Du schreibst auch für ein Online-Magazin, richtig? </b>
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Stimmt, ich schreibe für Helldriver und außerdem noch für ein Veranstaltungsmagazin aus unserer Region.
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<b> Ich habe gelesen, dass eure Release-Party von der Polizei abgebrochen wurde. Was ist da genau passiert </b>
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Die Sache fand in einem kleinen Club in Heidenheim statt. Dort wollten wir mit befreundeten Bands auftreten und hatten uns auch eine schöne Setlist überlegt. Aber irgendwie war es dann plötzlich so, als ob du mit deiner Freundin intim bist und plötzlich steht deine Mutter vor der Tür. Wir sind um halb zwölf auf die Bühne gegangen, weil wir dachten, dass wir bis ein Uhr spielen dürfen. Nach vier Songs waren dann zwei Herren in Grün da. Die waren nicht gerade kompromissbereit und meinten, dass jetzt Schluss wäre. Ein Teil des Raumes waren großflächige Fenster, außerdem war der Club in einer Wohngegend. Vielleicht war das nicht so gut. Wir hatten so viel Werbung gemacht und uns riesig darauf gefreut. Es war echt bitter.
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<b> Was habt ihr für die Zukunft geplant? </b>
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Unser Labelboss redet in Nebensätzen schon vom nächsten Album, was in der heutigen Zeit ja nicht so selbstverständlich ist. Das würde dann wohl Anfang 2005 erscheinen. Die neuen Songs wollen wir dann vorher schon mal live ausprobieren. Im nächsten Jahr wollen wir aber noch viele Gigs spielen, vielleicht auch Festivals.
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<b>Ein Blick auf die Uhr verriet uns beiden, dass in 15 Minuten schon Stage-Time ist und so beendeten wir das Interview an dieser Stelle, wofür ich mich noch mal bedanken möchte.<b>
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Mehr Informationen unter
www.silverdust.de
www.undertow.de
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<a href="https://mainstage.de/mainstage/php/global/v4_index.php?page=reviewdetail&id=510" target="_blank">Plattenkritik zu ?34CE?</a>

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