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Kritisch und anspruchsvoll

Der Labelwechsel zu Lifeforce ist Fear My Thoughts bestens bekommen: Mit "The Great Collapse" haben die fünf Baden-Würtemberger ein Album geschaffen, das im Metalcore sicherlich mit zur Spitze zu zählen ist. Zur Vergangenheit und Zukunft, der Szene im Allgemeinen sowie der Platte im Speziellen stand Gitarrist Markus am Telefon ausführlich, freundlich, selbstbewußt und noch ein wenig müde Rede und Antwort.

<p><b>Was war Euch wichtig beim neuen Album? Gab es etwas, was Ihr anders
machen wolltet als bisher? </b>
<p> Wir sind anders an das Songwriting herangegangen. Wir hatten früher
ziemlich chaotische Einflüsse mit ziemlich viel Technik und turbulenten
Breaks und allem Möglichen. Wir wollten es einfach fließender angehen.
Es gibt flüchtigere Songstrukturen, wie man merkt, Wiederholungen, Refrains
? das war uns ziemlich wichtig. Wir brauchten auch ziemlich lange, bis
wir die Liedreihenfolge für die Platte drauf hatten. Es gab auch Lieder,
die mit Absicht geschrieben wurden, die so ein bisschen auflockern oder
einfach mal eine andere Seite von der Band zeigen. Wir wollen das machen,
was wir privat hören und worauf wir Bock haben, wir schließen einfach
nichts aus. Bei uns ist eben dieses Progressive mit drin, und das werden
wir auch nicht verdrängen. Das haben wir eben wieder ganz klar in den
Vordergrund gestellt; ein homogenes Album zu schaffen, das sowohl Höhen
als auch Tiefen hat. – Nicht im Sinne von interessant und langweilig,
sondern das einen Bogen spannt.
<p><b>Welche Songs habt Ihr für das neue Album, wie Du sagst, "bewusst"
geschrieben? </b>
<p> Ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist, den ich da verwende,
aber zum Beispiel "Hollow Inside" und "Mission Immortality". Das sind
halt so Songs, die emotionaler sind, weil sie offener sind und mehr Raum
für Kreativität geben. Das dauert dann auch ziemlich lang mit dem Songwriting.
Bei "Hollow Inside", der ja so ein bisschen in die Tool-Richtung geht
und auch mit Effekten arbeitet, war die Frage, wie man die Stimme da richtig
einsetzt. Einfach, um einen Kontrast zu bieten, weil die Stimme da nicht
im Vordergrund stehen sollte. Wir haben ja auf allen Platten bisher immer
ein Instrumentalstück drauf gehabt, die mit dem anderen in keinem Zusammenhang
standen und doch irgendwie gepasst haben. Das wollten wir auf der neuen
Platte einfach nicht machen, weil viele Menschen auch gesagt haben, "Baut
das doch mal in Lieder ein". Das haben wir jetzt einfach versucht, umzusetzen.
<p><b>Lasst Ihr Euch von anderer Musik inspirieren?</b>
<p> Ja, wir lassen uns sicherlich inspirieren, auch von aktuellen Bands.
Auf der letzten Platte sind ja ziemlich viele auch progressive Elemente
enthalten. Wir hören halt auch ziemlich viel Progressiv-Rock, King Crimson
oder Devin Townsend-Band, Porcupine Tree, Yes und so Zeug halt. Bei uns
kann man nie sagen, wie sich eine Platte anhören wird.
<p><b>Ihr habt einige Samples auf dem Album. Warum? </b>
<p> Wir haben auf jeder Platte Samples, da haben wir uns schon immer viele
Gedanken drüber gemacht. Aus unserer Sicht eignet sich Musik einfach ideal
dafür, Botschaften zu verbreiten oder auch Meinungen und Ideen. Ich find`s
immer ganz interessant, Samples zu hören auf CDs. Wir hatten früher von
Blair Witch Projekt ein Sample, wobei es rein darum ging, einen Effekt
zu schaffen. Das sind so Sachen, die zum Nachdenken anregen. Auch die
auf dem neuen Album, die schleppt halt immer unser Sänger an. Es sind
nicht mehr so viele wie früher, aber die Samples auf der Platte haben
eine sehr eigene Stimmung, und das finde ich interessant.
<p><b>Euch sind Texte sehr wichtig, leider versteht man die meisten nicht
richtig. Kannst Du etwas zum Inhalt sagen? </b>
<p> Ich finde Texte persönlich so wichtig, dass es am besten wäre, wenn
unser Sänger dazu etwas sagt. Der kann das auch am besten. Wir sind keine
rein politische Band, aber auf unseren Konzerten wird immer viel geredet
und die Sache einfach auch sehr ernst genommen. <p><i>[Statement von Sänger
Markus, nachträglich per E-Mail:] </i>
<p>Für mich als Sänger haben natürlich die Texte eine nicht unerhebliche
Rolle (da ich zum Musikalischen relativ wenig beitragen kann, aufgrund
meiner Unfähigkeit, ein Instrument zu spielen…).Mir ist auch klar, dass
sie bei Konzerten aufgrund meiner ?Gesangsart? nicht oder nur schwer verstanden
werden. Allerdings empfinde ich das als eine Art Vorteil: Wenn man sich
wirklich dafür interessiert, muß man sich bewusst damit auseinandersetzen
(sprich sie lesen). Auf dieser Platte (und allen anderen bisher auch)
haben meine Texte, grob gesagt, meistens entweder mit dem, was in mir
stattfindet, oder mit dem politischen Geschehen rund um mich/uns herum
zu tun. Selbstverständlich möchte ich hiermit nicht zum Ausdruck bringen,
dass die Texte das wichtigste überhaupt sind. Die musikalische ?Verpackung?
ist natürlich auch immens wichtig und fällt zuerst auf. Jedoch höre ich
beispielweise ungern oder gar keine Bands, die zwar gute Mucke machen,
aber absolut dumme oder echt blöde Texte haben… um diesen ganzen Absatz
in einem Satz zusammen zu fassen: Eine gute Mischung aus Text und Musik
ist für mich sehr wichtig. [Zu den Songs:]
<p> <b>"The Great Collapse":</b> Das Lied handelt eigentlich davon, das
jeder neue Tag eigentlich ein ?great collapse? ist: Ich habe durch Beobachtungen
an mir selber und in meiner Umgebung den Eindruck, dass Menschen sehr
gerne in vertrauten Umgebungen unterwegs sind, bzw sich gerne vor Veränderung
drücken würden (allerdings ist das Leben halt eine ständige Veränderung).
Ob das nun einfach nur das Älterwerden ist, oder z.B. die sich verändernden
Umwelteinflüsse usw. Was es auch ist, die Welt, wie wir sie gestern kannten,
wird morgen so nicht mehr sein. Deswegen versuchen wir uns an Vertrautes
zu klammern oder Dinge so zu gestalten, dass sie uns bekannt erscheinen…
wie auch immer. Die Welt, die wir uns erschließen, verändert sich trotzdem
weiter… the great collapse.
<p> <b>?Rituals?:</b> Die Welt, in der wir leben, baut nur auf Hierachien.
Daran hat sich, wenn wir die Geschichte beobachten, auch noch nie wirklich
was geändert. Das einzige Ziel, das viele Menschen in ihrem Leben zu haben
scheinen, ist, in der gesellschaftlichen Struktur aufzusteigen. Gegen
diesen Zustand zu protestieren, würde bedeuten, seinen Status zu verlieren.
Deshalb sind viele einfach ruhig und halten weiterhin an diesen Ritualen
fest…
<p><b>?Sirens Singing?:</b> Mir ist durch mein eigenes Konsumverhalten aufgefallen,
wie sehr man (ich formuliere das hier mal allgemeiner, da ich sicher bin,
dass es vielen so geht) der Werbung glauben schenkt, wenn sie Glück und
Zufriedenheit durch Konsum verspricht. Allerdings ist ja genau das Gegenteil
der Fall. Nur fällt es uns schwer, das zu sehen/ zu akzeptieren, da das
Singen der ?Werbe-Sirenen? uns von der eigenen Stimme in uns ablenkt,
die uns zur Umkehr bewegen möchte.( Wären wir doch nur wie Odysseus an
einen Mast gefesselt!)
<p> <b>?Hollow Inside?:</b> Das unangenehme Gefühl, das einen ausfüllt (oder
doch eher entleert), wenn man von Selbstzweifeln zerfressen wird.
<p> <b>?Challenge?: </b>Wenn man sich ein wenig mit dem politischen Geschehen
rund um einen herum befasst, wir man ziemlich schnell gewahr, dass Einiges
abgeht, das alles andere als nachahmenswert ist. Ergo tut jeder sein Bestes,
um es zu bekämpfen, bzw. zumindest darauf hinzuweisen. Wenn jedoch etwas
Ehrlichkeit in diese Überlegungen mit einbezogen wird, sollte man schnell
zu dem Schluss kommen, dass wir immer ein Stück weit selber Verantwortung
für Dinge tragen, die geschehen. Das ist sicher stark übertrieben. Allerdings
möchte ich hiermit auch ein wenig darauf hinweisen, dass viele Dinge geschehen,
ohne dass wir uns dessen überhaupt bewusst sind. Sicher ist das in einer
so zusammenwachsenden Welt wie der unseren schwer, die immer komplexer
werdenden Vorgänge zu überblicken. Viele jedoch versuchen es nicht einmal
mehr, da sie keine Kraft darauf verwenden möchten. Beispiele aus dem Text,
um das Gesagte ein wenig zu konkretisieren: Jeder Autobesitzer/-benützer
sollte sich bewusst machen, dass er/sie ein bisschen Verantwortung für
den Krieg für Öl trägt, da wir oft Wege fahren, die man z.B. besser zu
Fuß gehen könnte o.ä. (ihr wisst ja was ich meine, oder?).
<p> <b>?Mission Immortality?: </b>Wenn man sich das menschliche Bestreben,
etwas zu tun, das einzigartig ist, und das von niemand anders übertroffen
werden kann, ansieht, dann lässt das nur einen Schluss zu: Wir versuchen
uns durch derartiges Verhalten unsterblich zu machen. Egal, ob das nun
der Versuch ist, einen Weltrekord aufzustellen, eine Spezies zu entdecken,
die nach einem benannt wird, oder was auch immer. (Ja sogar wenn ich hier
versuche, so philosophisch wie möglich zu klingen, hat es nur diesen einen
niederen Grund: Ich möchte nicht vergessen werden.) Vielleicht wäre unser
Leben dann doch einfacher, wenn wir einfach einsehen würden, dass es sich
nicht lohnt, sich dermaßen anzustrengen. Irgendwann werden wir doch vergessen…
also was soll es?
<p> <b>?Norm AD?:</b> Wir kommen auf die Welt und sind eigentlich frei von
Furcht oder Ängsten (na gut, bis auf den Kälteschock, den die Geburt
auslöst…). Durch Erziehung, bzw. das Verhaltend der Eltern (sagen wir
Erziehung im Allgemeinen) werden wir mit verschieden Ängsten konfrontiert/genormt.
Menschen, die Furcht haben (was ja meistens aus Unwissen resultiert),
sind leichter lenkbar. Sei es durch Religion oder politische Führer…
<p><b>?Reign?:</b> Wenn man unsere westliche Gesellschaft genauer anschaut,
wird man schnell feststellen, dass enorme Parallelen zu historischen Gesellschaftssystemen
bestehen. Die Unterschiede bestehen lediglich darin, dass wir unsere Sklaven
nicht mehr vor dem Haus anbinden, sondern sie in Swaetshops schuften lassen,
und unsere Gladiatoren nicht mehr in Arenen kämpfen, sondern bei Big Brother
o.ä. um unsere Gunst buhlen. Diese Dekadenz führte über früher oder später
immer zum Fall der ?Kultur?.
<p><i>[Ab hier wieder O-Ton Markus:]</i>
<p><b>Hast Du einen Lieblingssong auf "The Great Collapse"? </b>
<p> Ich hatte einen, den ich aber mittlerweile mega hasse [lacht]. Wir haben
letztes Wochenende das Video zu "Reign" gedreht und mussten uns den Song
ungefähr 450 Mal reinpfeifen. Ein Song, der mir sehr wichtig ist, ist
auf jeden Fall "Hollow Inside" und "The Great Collapse", weil es meine
Gefühlswelt sehr trifft.
<p><b>War das Video Euer Wunsch oder kam die Idee vom Label? </b>
<p> Das war die Plattenfirma. Der Dreh war eins meiner heftigsten Erlebnisse
in Bezug auf die Band, weil`s einfach super strange war. Das wurde vor
so einer Greenscreen gedreht, wir standen also in einem grünen Raum und
mussten da abposen wie sonstwas. Von null auf hundert, also ich hab mich
danach gefühlt, als ob ich gerade ne riesen Bong geraucht hätte. Du kommst
da rein, ziehst dich kurz um, ziehst deine Gitarre an und spielst zu deinem
Song und musst abposen. Danach war ich wie betrunken. Wir haben dann auch
ziemlich viel getrunken, weil es einfach sehr schwer gefallen ist, eben
zu posen. Das war witzig, und das Video wird auf jeden Fall sehr interessant
werden.
<p><b>Glaubst Du, dass es auch gespielt werden wird? </b>
<p> Denke schon, ja. Unser Label hat wohl auch gute Kontakte mittlerweile,
in den USA läuft die Promotion ja erst nächsten Monat an. Ich denke, dass
es da noch mehr gespielt wird. Ich bin auch nicht todtraurig, wenn es
nicht jeden Tag läuft. Aber für mich ist es ein Stück weiter, dass wir
es geschafft haben, ein Video zu drehen. Das ist, denke ich, ein gutes
Aushängeschild. Es wird ein sehr stylisches Video sein. Du hast ja gemerkt,
dass unsere Platte nicht viel Blut draufhat und keine Totenschädel, was
ja typisch ist für die Hardcore-Szene. Wir hatten von Anfang an ein sehr
eigenes Artwork, und so wird auch das Video sein. Wir werden nicht zu
fünft in einem Raum stehen, wo die Kameras draufhalten, sondern es wird
vom Look her, ohne jetzt zu viel zu verraten, diesen russischen Propagandaplakaten
ähneln. So ein bisschen in die Radiohead-Richtung.
<p><b>Ungefähr wie das aktuelle Incubus-Video? </b>
<p> Genau, ja. Jetzt nicht unbedingt eine Kopie davon, aber davon haben
die sich ein bisschen inspirieren lassen. Oder wie dieses Franz Ferdinand-Video.
<p><b>Was bedeutet der Albumtitel? </b>
<p> "The Great Collapse" heißt soviel wie "der große Kollaps". Wir haben
da ewig dran `rumgedoktert, auch bei den letzten Alben immer, und hatten
ungefähr 400 Vorschläge. Es war aber einfach kein richtiger dabei. Wir
waren auf der Suche nach etwas Mächtigem, was sich halt richtig schwer
und groß und majestätisch anhört. Ich hab' dann irgendwann in der Wohnung
gehockt und nachgedacht über verschiedene Sachen, und dann kam mir "The
Great Collapse" in den Sinn. Wir haben alle mittlerweile einen eigenen
Bezug zu dem Titel, aber die Grundidee ist eigentlich dieses Gefühl, was
man hat, wenn sich alles in einem staut und man merkt, dass es bald zu
diesem "great collapse" kommen könnte. Einfach weil zuviel mitschwingt
und gerade dein Leben dominiert.
<p><b> Die See auf dem Cover spricht ja auch dafür ?</b>
<p> ? genau, praktisch die Ruhe vor dem Sturm. Der Titelsong ist entstanden,
nachdem der Albumtitel schon im Raum stand.
<p><b>Wie lang hat das Songwriting gedauert? </b>
<p> Eine schwere Frage. Ich würde sagen, von letztem Jahr März bis hin zu
November. So, dass wir ein ungefähres Konstrukt hatten, was das für Songs
sein sollen. Wir hatten auch so einen absoluten Stoner-Song, so richtig
tiefe Gitarren und asozial halt, und haben dann im Oktober gemerkt, dass
der gar nicht aufs Album passt. Dann haben wir so ein bisschen Bammel
gekriegt und innerhalb einer Probe noch einen oder zwei Songs geschrieben.
Das ist dieser "Sirens Singing", und ich find den eigentlich ziemlich
gut dafür, dass der in einer Probe entstanden ist. Der hat einfach raus
müssen. Es gibt so Songs, die stehen einfach, da passen die Riffs zueinander
und so weiter. Und es gibt Songs wie "The Great Collapse", wo man zwei
Monate mit beschäftigt ist. Wo wir auch teilweise verzweifelt sind und
gedacht haben, "Jetzt leckt's uns doch am Arsch" [lacht]. "The Great Collapse"
war mal ganz anders, so etwa 20 Prozent von dem, wie er jetzt ist.
<p><b>Vor d</b><b>em Split-Album mit Fear Is The Path To The Dark Side hattet
Ihr auf "Vitriol" noch eine Violinistin (Lisa) mit dabei. Warum nicht
mehr auf der aktuellen Platte? </b>
<p> Bei Vitriol ging es bei uns eigentlich schon vorwärts, mit Konzerten
und so. Es gab einfach das Problem, dass sie in St. Gallen wohnt, in der
Schweiz, 150km weg von uns. Sie war vielleicht einmal bei der Probe mit
dabei. Die ganzen Melodien für alles habe ich geschrieben und der Patrick.
Lisa kam dann mal ins Studio und wir haben ihr gezeigt, was sie spielen
soll, und dann hat sie`s gespielt. Das war wirklich nie ein Verhältnis.
Sie kam auch nie regelmäßig mit auf die Konzerte, weil sie noch zur Schule
ging, glaube ich. Uns war es ein bisschen unangenehm, den Leuten dann
zu sagen:"Wir spielen heute mal wieder ohne Violine", und sie hat dann
irgendwie einen Freund kennen gelernt, dem das dann auch zuviel war.
<p><b>Besteht denn eine Diskussion, in Zukunft wieder jemanden mit dazu
zu nehmen? </b>
<p> Nein, wir haben uns jetzt auf das Keyboard konzentriert. Ich hab' einen
Nachbarn, der studiert an einer Jazz- und Rock-Schule, und der hat die
Tasten geschwungen für die letzten Platten. Violine ist, glaub ich, abgehakt,
und ich würde auch nicht sagen, dass das wirklich auf die Great Collapse
gepasst hätte. Die Lisa haben wir nie mehr gesehen, ich zumindest nicht,
aber wir haben uns auf jeden Fall in Freundschaft getrennt, denn es war
eine sehr witzige Zeit mit ihr.
<p><b>Euer Album kann man sich bereits aus dem Internet ziehen. Wie steht
ihr zu so was generell? </b>
<p> Ach, ich weiß nicht, ich bin ein alter CD-Sammler. Ich hab hier vor
mir über 1000 CDs und bin ein absoluter Verfechter davon, dass Künstler
bezahlt werden dafür, was sie machen. Wenn ich im Studio sitze, dann weiß
ich, wie viel ich da reinstecke und wie viel das von meinem Privatleben
einnimmt. Ich hab absolut null Probleme, jemandem 16,99 dafür zu zahlen,
wenn ich mir eine CD kaufe. Wenn ich mit unserem Label telefoniere, sagen
die auch, dass immer weniger CDs verkauft werden, und dass es immer schwerer
wird, am Leben zu bleiben für Liveforce, und auch für Bands. Mich ärgert
das auf jeden Fall. Aber es hat auch eine positive Seite, weil so natürlich
mehr Leute Zugang zu unserer Musik haben. Bei mir überwiegt aber auf jeden
Fall die negative Seite.
<p><b>Wie war die Live-Resonanz auf das neue Material? </b>
<p> Sehr gut, würde ich sagen. Bei uns ist live immer so ne Sache. Wir spielen
heute Abend mit Heaven Shall Burn und Caliban. Und wir sind halt ein bisschen
anders als die. Ich will das jetzt nicht unbedingt als Kritikpunkt anbringen,
aber die sind ziemlich eingängig, und vielen Leuten geht es halt einfach
ums Abgehen, ums Tanzen und ums Umsichschlagen und sonstwiewas. Wir sind
ne Band, bei der man sich auch mal reinhören muss und zuhören. Wir sind
nicht so eingängig, dass man da unbedingt drauf tanzen könnte, und es
ist schon so, dass wir unseren Hörern abverlangen, dass sie auch ein bisschen
Intelligenz mitbringen. Es gibt wirkliche Fans von uns, die in der ersten
Reihe stehen und ihre Augen zu haben und jeden Break auswendig kennen.
Solche Leute sind mir persönlich wichtiger. Natürlich ist es super, wenn
getanzt wird und es abgeht, das motiviert einen selbst auch immer. Aber
mir ist einfach wichtig, auch solche anderen Leute zu sehen.
<p><b>Dann habt ihr den ziemlich hohen Anspruch an Euch selbst, dass ihr
dieses Gefühl auch vermittelt. </b>
<p> Ja, na klar. Aber das ist auch der Grund, warum ich diese Musik mache.
Ich muss es einfach sagen: Wir sind einfach auf einem sehr hohen technischen
Standard, der immer weiter zurückgeschraubt wird. Früher ging es darum,
dieses chaotische Ding auch in Deutschland zu machen, das vor allem in
den USA sehr groß war. Da wurde halt gefrickelt und "Mathematik" und keine
Ahnung was ? Das ist jetzt immer weniger. Die Technik geht sicher nicht
verloren, aber wir setzen sie anders um. Das ist einfach eine Kunst, ein
gutes Riff zu schreiben, meiner Meinung nach.
<p><b>Manche Leute halten Metalcore mittlerweile für ausgelutscht und tot.
Was denkst du darüber? </b>
<p> Da kann ich durchaus zustimmen. Es hört sich komisch an, weil ich ja
selber auch – ich weiß nicht, ob man so sagen kann – Metalcore-Band spiele.
Wir hören privat ziemlich viel Metal; also ich hab hier, wenn's hoch kommt,
zehn Metalcore-CDs, weil`s mich einfach nicht interessiert. Ich höre halt
ziemlich viel Schwedenmetal und kaufe auch eigentlich nur Metal. Ich denke,
wir sind nicht so eine typische Metalcoreband: so irgendwie Gegenschlag
vom Schlagzeug, dann Mosch und wieder das gleiche und wieder das gleiche?
bei uns hört es sich nicht so nach Metalcore an, finde ich. – Wie jetzt
zum Beispiel bei Caliban oder Heaven Shall Burn.
<p><b>Klar, es gibt da Unterschiede, aber ich würde Euch dennoch zur großen
Bandbreite des Metalcore zuordnen.</b>
<p> Klar, ja, das finde ich auch nicht schlimm. Aber es gibt viele Bands
im Metalcore, die mir nicht unbedingt gefallen. Ich will da jetzt nicht
abwertend sein, aber was mir immer aufstößt, ist, wenn irgendwelche Leute
da ein mega Brett fahren, heftige Gitarren und Geschrei, und dann auf
einmal so "Tralala", rosa Kleidchen an und dann wird rumgeschleimt. Das
ist mir zu viel, persönlich. Weißt Du, so Emo-Rock und Metalcore, das
passt meiner Meinung nach einfach nicht. Wir hatten das früher auch, uns
war das auch wichtig, so ein bisschen zu vereinbaren, aber es wurde immer
weniger.
<p><b>Ich kenne nur gute Rezensionen und Konzertberichte von Euch, ihr habt
einen guten Ruf in der Szene. Sehr Ihr Euch überhaupt als Teil von dieser?"
</b>
<p> <i>[Die Antwort auf diese Frage kam wiederum nachträglich per E-Mail,
da das Diktiergerät die erste Antwort am Telefon schlicht ignoriert hat]
</i>
<p>Ich denke, dass wir einen sehr guten und individuellen Ruf in der Szene
haben. Ich glaube, dass wir uns aufgrund unserer Musik von vielen anderen
Bands unterscheiden, die meiner Meinung nach oft eine gleiche Schiene
fahren. Daher denke ich auch, dass viele Leute sich in unserer Musik finden,
weil sie für verschiedene Geschmäcker etwas mit sich bringt. Ich muss
dich leider enttäuschen … auch wir haben schon schlechte Rezensionen
bekommen. Je weiter eine Platte rumkommt, umso mehr Menschen geben ihre
Kommentare dazu ab. Gerade im Metalbereich ist es oft so, dass der Gesang
nicht ganz so gut ankommt, da er zu abwechslungsreich und zu wenig stumpf
kommt. Geschmäcker sind verschieden, das ist klar… Man muss einfach
lernen, Kritik, falls sie konstruktiv ist, auch ernst zu nehmen und sie
vielleicht sogar als Hilfe anzunehmen. Das ist nicht immer ganz leicht
aber bringt einen weiter. Jedoch ist klar zu sagen, dass weniger gute
oder sogar schlechte Reviews eher selten sind.
Hmmm? fühlen wir uns der Szene zugehörig. Schwere Frage … Auf Grund
der Tatsache, dass wir immer noch auf HC-Shows sehr gerne spielen, denke
ich, dass wir unseren Beitrag zur Szene auf jeden Fall beisteuern. Was
sich vielleicht verändert hat, ist der eigene Bezug zu der Szene. Im Laufe
der Jahre hat sich bei uns einiges verändert und das ist auch gut so!
Da ich viele Inhalte, die durch diese Szene nach außen transportiert werden,
nicht mehr nachvollziehen kann, und mich auch nicht in eine Reihe stellen
will, habe ich mich davon distanziert. Jeder soll machen, was er will,
meine Reaktion war es, mich davon eher zurückzuziehen. Und trotzdem ist
es noch möglich, enorm viel Spaß zu haben. Ich denke, dass sich hier auch
die anderen einreihen können.
<p><b>Steht bei Euch demnächst eine Tour ins Haus?</b>
<p> Am 14. Mai geht's auf Tour mit Herod, die ich [live] auch nicht kenne.
Ich hab die noch nie gehört, aber ich mag, wie die Musik schreiben. Die
machen, was sie wollen und sind sehr eigen. Von daher denke ich, passen
sie gut zu uns. Und sind wohl auch Sozialpädagogen, wie ich mir hab sagen
lassen, von daher treffen die richtigen Hippies aufeinander.
<p><b>Was hat bei Euch Priorität – der Job, die Band ?? </b>
<p> Das wichtigste ist die Beziehung, Job kommt ganz hinten. Die Arbeit
hat bei vielen von uns einen sehr geringen Stellenwert. Das mach ich halt,
um mein Brot zu verdienen.
<p><b> Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft?</b><b><b> </b></b></p>

<p>Wir haben uns fest vorgenommen, einmal ein Hotelzimmer zu zerlegen, in
einem Nightliner auf Tour zu gehen, und alles zu verwüsten, und einen
Fan zu verprügeln [lacht]. Also das mit dem Hotelzimmer wollen wir echt
mal machen. Mein Ziel ist es einfach, die Situation gebacken zu kriegen
und mit wachem Geist zu meistern. Ich finde, es geht im Musikbusiness
so schnell, das man seinen Kopf verliert oder sich selbst untreu wird.
Es ist wahnsinnig viel, was wir momentan so an Interviews machen müssen,
also richtig machen <i>müssen</i>. Wir hatten jetzt gerade in den letzten
zwei, drei Wochen 20 Interviews, und das finde ich schon viel. Darum freue
ich mich auch, dass ich jetzt mit dir telefonieren kann und nicht wieder
vor der Kiste sitze und schreib. Wir nehmen uns halt ziemlich viel Zeit
dafür, weil ich denke, dass das einfach wichtig ist. Wenn wir das vernachlässigen,
dann scheißt es uns einfach an, irgendwann. Das ist unser Ziel, den Kopf
zu bewahren und das zu machen, was wir wollen. Die Unabhängigkeit schwindet
immer mehr, weil man auch Verträge unterschreibt.
<p><b>Und erfolgsmäßig, wollt ihr da noch einen draufsetzen? </b>
<p> Ich glaub, die nächste Scheibe wird richtig dick. Wir haben schon zwei
fertige Songs wieder, und ich vermute, die wird richtig, richtig gut.
Klar, es sind viele Leute auch enttäuscht, dass wir manche Sachen vernachlässigen,
die wir früher gemacht haben. Dieses Chaotische oder das Verspielte, aber
wir haben auch schon viele neue Freunde dazu gewonnen.
<p><b>Abschließend hast Du noch ein "F*** Of" und ein "Love You" zu verteilen
? </b>
<p> Ich würde erstmal gern ein "Love You" verteilen. Und zwar ein absolutes
"Love You" geht an Devil Ate My Son raus, die coolste Band neben uns [lacht],
nein Scherz, aber das sind einfach gute Freunde von uns, die jetzt gerade
ihre neue Platte aufnehmen, und mit denen wir gerade auf Tour waren. Das
sind halt die coolsten Typen überhaupt, die sind genau so durchgeknallt
wie wir, haben den gleichen Humor und sind saugute Musiker.
Und das F*** Of an …[überlegt länger] ? ach ja, dieser Fernsehsehsendung
"Die Abschlussklasse". Oaaah, das geht mir so auf den Sack. Aber vielleicht
besser so ein persönliches F*** Of? schwer zu sagen gerade? ach, ne, nimm
"Die Abschlussklasse".
<p>
<p><a href="https://mainstage.de/mainstage/php/global/v4_index.php?page=reviewdetail&amp;id=932">Rezension
zu "The Great Collapse"</a>
<p><a href="http://www.fearmythoughts.com/">Homepage von Fear My Thoughts</a>

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