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Regionale Energie und internationale Klasse

Gut Ding will Weile haben dachten sich wohl die Farmer Boys. Wenn auch etwas unfreiwillig (Labelwechsel von Motor Music zu Nuclear Blast) dauerte es fast vier Jahre bis die Schwaben einen würdigen Nachfolger zu ihrem Erfolgsalbum ?The World Is Ours? einspielten. ?Das neue Teil, wieder einmal natürlich fantastisch, nennt sich ?The Other Side? und zeigt, dass die Farmer Boys immer noch zu den interessantesten deutschen Acts gehören. Im Interview verrät Gitarrist Alex gegenüber Mainstage.de, was sich bei den ?Bauernjungs? so alles getan hat.

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<b> Auf eure neue CD musste man fast vier Jahre warten. Warum hat das so lange gedauert? </b>
Ich suche schon die ganze Zeit nach Ausreden. Wir waren ja nach dem letzten Album ?The World Is Ours? erstmal eine ganze Zeit lang auf Tour (u.a. mit Dog Eat Dog, Papa Roach, Stone The Crow, Oomph!, Anm. d. Red.), danach haben wir das Label gewechselt, was uns ein paar Monate gekostet hat und natürlich nicht freiwillig war. Hinzu kommt, dass wir für unseren perfektionistischen Songwriting-Style auch sehr viel Zeit brauchen. Irgendwie hat sich eines nach dem anderen so ergeben.
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<b> Seid ihr aufgrund der ganzen Verzögerungen in ein Loch gefallen oder habt ihr die Umstände ganz easy gemeistert? </b>
Es war insofern ganz gut, da sich unser Privatleben während der Pause weiterentwickeln konnte. Immerhin sind mittlerweile zwei Leute aus der Band verheiratet und haben auch schon Kinder.
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<b> Ist die Band in dieser Zeit in den Hintergrund gerückt? </b>
Egal, ob Familie oder Band, wir geben immer unser bestes, sonst würden wir das alles ja gar nicht machen. Unser Privatleben hat ja eine ganze Zeit zurückstecken müssen, doch haben wir die Dinge mittlerweile ganz gut im Griff. Es dauert dann vielleicht mal ein Jahr länger, bis man wieder was von uns hört, aber es tut uns und der Musik sicherlich gut. Mit dieser Situation kann ich auf jeden Fall sehr gut leben.
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<b> Inwiefern habt ihr euch persönlich weiterentwickelt? Oder seid ihr immer noch ?die jungen Wilden?? </b>
Man wird ja immer älter und dagegen kann man nichts tun. Wir sammeln immer mehr Erfahrungen und das hilft uns bei zukünftigen Entscheidungen. Das ist ein guter Effekt, denn wer hat schon Lust denselben Fehler zweimal zu begehen? Das macht kein Spaß. Wir sind auf jeden Fall reifer und erwachsener geworden. Das macht sich auch auf dem neuen Album hörbar. Wir sind ja mittlerweile auch soweit, dass wir für alles selbst verantwortlich sind und deswegen auch die Produktion in unsere eigene Hände genommen haben.
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<b> War das für euch eigentlich ein Schock, als ihr euer Label Motor Music verlassen musstet oder habt ihr das als neue Chance betrachtet? </b>
Also im Nachhinein sehe ich das Ganze positiv. Es hat nur damals ziemlich lange gedauert, bis es wirklich rauskam, dass Motor kein Album mehr mit uns machen möchte. Das war schon ziemlich nervig, denn wir mussten auf die Entscheidung warten und konnten nicht handeln. Bei Motor/Universal gab es damals eine Umstrukturierung und der sind wir zum Opfer gefallen, aber zum Glück haben wir mit Nuclear Blast relativ bald ein neues Label gefunden. Das freut uns auch insofern, dass unsere Scheiben endlich mal auch international veröffentlicht werden.
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<b> Kommen wir mal zum neuen Album ?The Other Side?. Was ist deiner Meinung nach der größte Unterschied zum Vorgänger ?The World Is Ours?? </b>
Diesmal ist der Sound genauso, wie wir ihn wollten, was beim letzten Mal ja nicht der Fall war. Ich hab ja auch mitproduziert und dabei habe ich versucht, alles so transparent wie möglich zu machen. Denn die Musik soll die Farmer Boys repräsentieren und alles, was in der Musik drin steckt.
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<b> Dafür müssen die Gitarren dieses Mal etwas zurückstecken, oder irre ich mich da? Sie sind nicht mehr ganz so fett und brachial wie früher. Allerdings kommt dafür auch der Gesang von Matze besser durch.</b>
Da gehen die Meinungen auseinander. Viele sagen sogar, dass wir jetzt noch härte als zuvor sind. Mir gefällt der Gitarrensound viel besser als beim letzten Mal, weil er einfach knackiger ist und mehr Transparenz hat. Man hört einfach besser, was da gespielt wird. Bei ?The World Is Ours? wurde der Gitarrensound von unserem damaligen, ursprünglichen Produzenten (Steve Lyon, Anm. d. Red.) sehr mies aufgenommen. Das Endergebnis war dann quasi der einzige Weg, wie es noch okay war. Klar war das ganze Ding fett, aber dieses Mal bin ich mit dem Sound viel zufriedener und steh da auch voll dahinter. Der Gesang kommt auch deshalb besser durch, weil wir dieses Mal auf Effekte verzichtet haben. Dadurch klingt es viel frischer.
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<b> Ihr habt dieses Mal euer Faible für Achtziger-Pop stärker ausgelebt. Hat das was mit eurem neuen Selbstbewusstsein zu tun? </b>
Wir haben uns dieses Mal mit Sicherheit mehr getraut. Es war aber auch so, dass beim Vorgänger vieles von dem, was wir gerne machen wollten, beim Produzieren unterging. Wir sind gar nicht erst so weit gekommen, unsere kreativen Überlegungen in unserem Sound umzusetzen, sonst hätte man wahrscheinlich vieles von heute schon damals gehört. Das neue Album ist auch nicht in den paar Wochen entstanden, in denen es aufgenommen wurde, sondern während eines Zeitraums von fast zweieinhalb Jahren und da kristallisiert sich natürlich viel raus. Wir sind jetzt in der Lage, Dinge viel hörbarer zu machen und auf einen Nenner zu bringen. Das ist das gute an dem neuen Album. Endlich haben wir alle Facetten auf einen Punkt gebracht.
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<b> Wenn eure Musik beschrieben wird, fallen immer die beiden Begriffe ?Bombast? und ?Pathos?. Für manche sind das sogar Schimpfwörter? Wie stehst du dazu? </b>
Ein Magazin wie Visions stört so was vielleicht, aber die sind ja auch extrem alternativ. Ich muss sagen, dass mir viele ihrer Themen gefallen, aber die kommen mit unserem ?Breitwandkino-Format? wohl nicht so gut klar. Es ist ihnen scheinbar zu dick aufgetragen.
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<b> Also mir persönlich kann es nie melodisch oder bombastisch genug sein. Andere Leute scheint das wiederum zu stören. </b>
Wir haben halt eine relativ große Schnittmenge. Wir machen einen Sound, der eigentlich vielen Leuten gefallen könnte, wenn er jetzt nicht so viel Pathos hätte. Das ist natürlich nur ein Erklärungsversuch von mir, aber dagegen kann man halt auch nicht viel machen. Wir polarisieren da vielleicht sogar. Das ist aber nicht negativ, denn man regt sich nicht über etwas auf, was einen nicht berührt.
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<b> Von New Metal über Crossover bis hinzu Gothic-Pop und Wave gab es schon allerlei Bezeichnungen für euren Stil. Wirklich einordnen konnte euch aber bisher noch niemand. Seid ihr stolz darauf? </b>
Auf jeden Fall! Es ist schon wichtig für mich, Originalität zu besitzen. Ich bin auf jeden Fall stolz darauf, dass wir nicht mit irgendeinem Trend hochgeschwappt sind. Wir haben immer versucht, so etwas zu vermeiden. Es ist eine bewusste Entscheidung, originell zu sein. Möglichst viele Stile mischen und das haben wir auch zehn Jahre und vier Alben lang konsequent gemacht.
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<b> Habt ihr euch in den vergangenen Jahren vielleicht trotzdem von aktuellen Sounds beeinflussen lassen. Oder gehört ihr zu der Sorte, die privat ständig die alten Klassiker auflegen? </b>
Klar verfolge ich die aktuellen Entwicklungen und ich bin nach wie vor jemand, der sich neue CD´s kauft. Ich bin auch seit jeher ziemlich offen, es gibt sehr viele Sachen, die mich interessieren. Gegenüber neuer Musik bin ich sehr aufgeschlossen. Es ist also so gesehen eigentlich nicht so, dass ich erst noch neue Sachen entdecken müsste. Dafür habe ich alte Sachen wieder entdeckt, wie zum Beispiel AC/DC. In dieses Thema bin erst neulich wieder reingerutscht und jetzt verstehe ich auch erst, wie genial die eigentlich sind.
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<b> Da fällt mir auch die Band Queen ein. Sind die für euch ein Einfluss gewesen? Allein schon der Einstieg in euer neues Album und auch das Cover erinnert mich sehr stark an Queen. </b>
Generell heisst es ja ?The Show Must Go On? und deren Machart liefert uns natürlich auch viele Vorlagen. Die sind natürlich genial und als Einfluss kann man die auch bezeichnen, obwohl Queen natürlich auch andere Seiten hat, die mir überhaupt nicht gefallen.
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<b> Deutsche Bands euren Härtegrades hatten es in den vergangenen Jahren nicht mehr ganz so einfach. Ich denke da nur an Thumb (deren letztes Album eigentlich ziemlich gut war) und H-Blockx, die kaum noch was reißen. Habt ihr Angst, dass ihr auch in der Versenkung verschwindet? </b>
Das ist eine schwierige Frage. Ich denke man kann die Geschichten der einzelnen Bands nicht unbedingt vergleichen, das muss man jedes Mal gesondert betrachten. So etwas hängt immer von verschiedenen, oftmals individuellen Faktoren ab. Ich kann deswegen nur für uns sprechen und ich glaube, dass jedes Mal die Qualität des neuesten Outputs darüber entscheidet.
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<b> Was glaubst du, wohin euch euer Weg führt? Was habt ihr noch für Ziele? </b>
Uns gibt es seit 10 Jahren und wir geben bei jedem Album unser bestes und stecken jede Menge Herzblut rein. Diese Linie wollen wir auch weiter verfolgen. Dann schauen wir, was daraus wird. Wirklich viel lenken kann man danach eh nicht mehr und insofern ist es schwierig, irgendwelche Ziele oder Erwartungen zu verkaufen.
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<b> Wie sieht es aus mit Tour-Plänen? </b>
Es gibt noch keine offiziellen Tour-Dates. Momentan sind wir noch in der Planungsphase, deswegen kann ich noch nicht viel dazu sagen.
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<b> Hast du es lieber, wenn ihr als Headliner oder als Support einer größeren Band unterwegs seid? </b>
Das spielt für mich eine relativ kleine Rolle. Ich stehe gerne auf der Bühne. Live-Shows machen mir Spaß. Es mir sehr wichtig, dass ich als Musiker direkten Kontakt zu den Leuten habe, da man direkt Feedback bekommt. Live zu spielen ist für mich das beste, egal ob früh oder spät am Abend. Mit meiner zweiten Band Tieflader spiele ich ja eher in kleinen Clubs oder Jugendhäusern und das macht auch tierisch Spaß.
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<b> Du hast gerade dein Nebenprojekt Tieflader angesprochen. Wie sieht es bei den anderen mir Soloplänen aus? </b>
Toni ist außer mir der einzige, der noch in einer anderen Band spielt. Die nennen sich Stereo.Pilot. Das geht mehr in die Soundgarden-Ecke, also eher Rock, aber auch sehr heavy. Die gefallen mir sehr gut.
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<b> Aus dem Stuttgarter Raum kommen ja noch andere geile Acts wie Stone The Crow oder Undertow. </b>
Gerade Undertow sind auch eine meiner Favoriten. Deren letzte Scheibe ist wirklich genial! Hier tut sich halt ziemlich viel, mir fallen da auch End Of Green und Bloodflowerz ein.
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<b> Ihr seid ja große Fans des VfB Stuttgart. Und die sind nach einer längeren Durststrecke ja momentan sehr erfolgreich. Erhofft ihr euch da irgendwelche Parallelen? </b>
(lacht) Genau, das ist so eine regionale Energie!
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<b> Wollen wir mal hoffen, dass diese Energie die Farmer Boys genauso wie den VfB nach ganz oben bringt. Danke auf jeden Fall für das nette Interview! </b>
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www.farmerboys.de
www.farm2000.de
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<a href="https://mainstage.de/mainstage/php/global/v4_index.php?page=reviewdetail&id=772"target="_blank">Rezension zu "The Other Side"</a>

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