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…And You Will Know Us By The Trail Of Dead – The Century Of Self

...And You Will Know Us By The Trail Of Dead - The Century Of SelfViel wurde im Vorfeld spekuliert; Rückkehr zu verjährten Noise-Eskapaden? Persönlichere Texte als je zuvor? Weiterdenken des Begriffes Rock? In welche Richtung geht das neue Album der Texaner Bombast-Rocker mit dem zeitlos gefälligen Namen …And You Will Know Us By The Trail Of Dead? Die Antwort lautet: alle Wünsche werden bedient und das in fantastischer Art und Weise.Nachdem der Vorgänger „So Divided“ (2006) in jeder Hinsicht mit dem Charakter eines Übergangsalbums aufwartete und gleichzeitig den Bruch einer unglücklichen Ehe mit dem Majorlabel Interscope markierte, überraschten die Mannen um Conrad Keely, Jason Reece und Kevin Allen 2007 mit dem Wechsel zum kleinen deutschen Indie-Label Superball Music, das unter anderem schon die britschen Prog-Rocker Oceansize beherbergt. Ein Aufbruch zu neuen Ufern also, ohne Stammproduzent Mike McCarthy nicht im heimischen Austin, sondern in New York aufgenommen, könnten die kommerziellen Erwartungen an „The Century Of Self“ kaum geringer sein. Symptomatisch präsentiert sich das Booklet, der sonst prächtig ausstaffierten Alben. Kugelschreiber auf Papier, damit kommen die wie immer märchenhaften Zeichnungen von Conrad Keely aus. Doch bereits beim ersten Hördurchgang wird eins unmissverständlich deutlich: Dieses Album ist alles, nur nicht farblos!

„Giants Causeway“ ist ein Monster von einem Intro, bombastisch instrumentiert, einzigartig, ihr bestes bisher. Was danach folgt kann man nur mit dem Prädikat atemberaubend beikommen, was für eine erste Viertelstunde! „The Far Pavilions“ ist ihr bester Song seit Jahren, die Gitarren werden in noisigen Open-Tunings bis ins Delirium malträtiert, mehrstimmiger Gesang, atemlos. Das alles klingt wie direkt vom Meilenstein „Source Tags & Codes“ (2002) importiert, wie vielen treugebliebenen Verehrern von damals dürfte dabei das Herz aufgehen? Anschließend vollendet „Isis Unveiled“ mit seiner bläsergetriebenen Melodie gleich einem überhitzten, brodelnden Ritt durch die texanische Wüste das unfassbare Song-Triumvirat. Was für eine Wucht, eine Lust, am Krach und der Melodie zugleich. Ein wahrlicher Paukenschlag.

Zeit für Atempausen gibt es kaum, „Halycon Days“ stiftet zwar nur noch in bestimmten Passagen mit Drum-Sperrfeuer zum Krawall an, mäandert sonst aber majestisch dahin und mündet sogar in Oh Oh-Rufen. Auch die Lyris reflektieren die mittlerweile stattliche Bandkarriere, eine Meditation über die Zeit, ihre Gleichgültigkeit und Vergänglichkeit. Der große kommerzielle Erfolg ist für …Trail Of Dead immer ausgeblieben, obwohl ihre Musik wie kaum eine andere danach verlangt gehört, verzehrt und vereinnahmt zu werden. Dennoch, trotz einiger Tiefschläge ist Entmutigung fehl am Platze; sich mit dem Gegebenen arrangieren lernen und daraus maximale Kreativität schaffen, schaffen zu müssen, davon handelt „The Century Of Self“ inhaltlich.

„I had a dream that I was an alien

and in a ship of white diamond I was encircling the sun

but the ship lost control, I got too close, and I couldn’t turn away

the force of its gravity sucked me right in

but it didn’t burn solid like the other suns did

inside was a stage and they wanted me to play

I screamed why oh why? Would you just let me run away?“

Schon einige Zeit von Konzerten bekannt ist „Bells Of Creation“, das auf Klavierfundament zum einzigen wirklich klassischen Rocksong auswächst. Danach fällt die Stimmungskurve etwas ab, „Fields Of Coal“ erinnert noch am ehesten an den stellenweise träumerischen Pop von „So Divided“. Schließlich erreicht „Pictures Of An Only Child“ wieder die niveautechnische Hochebene des Beginns, besungen wird Keelys Aufwachsen ohne leiblichen Vater, sehr intim und persönlich das alles, versüßt durch schwelgerische Hooks und einen typisch-wuchtigen …Trail Of Dead-Refrain. „Insatiable“ erinnert mit seinen Pianolinien an die unerreichte Schönheit eines Yann Tiersen, „Ascending“ huldigt stellenweise dem Punk, dabei aber auch wieder mit dem unverkennbaren epischen Mittelteil. Stellt die anfängliche Viertelstunde eine Rückkehr zu alten musikalischen Maximen da, so sind die finalen fünfzehn Minuten der Ausblick, die Weiterentwicklung.

Ob „The Century Of Self“ das beste Album der Texaner ist, sei dahingestellt, bei der Konkurrenz ist das sowieso schwer möglich. Fest steht, dass …Trail Of Dead in 53 Minuten alles vereinen, was sie in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausmacht bzw. ausmachen wird. Dabei aber auf musikalisch stets formidablen Niveau und über jeden Zweifel erhaben. Kaum eine andere Band kann das Genre heutzutage noch so in gleichem Maße in Frage stellen wie bereichern, dafür muss man sie bewundern. Jung im Geiste und radikal am Instrument vertonen sie die Existenz des modernen „Thinking Man“. Eine Symphonie des Lebens wie sie schöner kaum sein könnte.

„The Century Of Self“ erschien am 20. Februar 2009 via Superball Music.

…Trail Of Dead besuchen an folgenden Terminen einige Konzerthallen der Republik:

02.04.09 – Schorndorf – Manufaktur

26.04 – Hamburg – Uebel & Gefährlich

05.05 – Berlin – Kesselhaus

11.05 – München – Muffathalle

12.05 – Frankfurt – Mousonturm

14.05 – Köln – Live Music Hall

15.05 – Lingen – Alter Schlachthof


1 comments

  1. Christopher says:

    Sehr schöner Artikel, allerdings werde ich ja jetzt geradezu gezwungen, dass neue Album zu hören, obwohl ich doch eigentlich noch so viele andere gute Platten hier liegen habe. :)

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