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Animal Collective live im Berghain Berlin

Animal Collective gaben eines ihrer seltenen Europa – Konzerte am 11.10.2008 in Berlin. Als Location diente das Berghain. Und es hätte gar nicht besser passen können. Das New Yorker „Tierkollektiv“ machte seinem Namen alle Ehre und die sagenumwobene Technohochburg erledigte den Rest, um das Delirium eindrucksvoll heraufzubeschwören. Ein Versuch der Umschreibung dessen.

Zu Beginn ein Video, um sich einen Eindruck von der Musik verschaffen zu können:

Ein paar Worte zu der Venue: Das Berghain. Ehemals ein Heizkraftwerk, seit 2004 zu einem beeindruckenden Techno – Club umgewandelt, in dem ab und an neben DJ- Sets eben auch Konzerte stattfinden. Die strenge Gästeauswahl durch die Türsteher ist bekannt. Generell ist der Club von vielen Mythen umzogen. Es ist (normalerweise) verboten, Kameras mit in das Gebäude zu nehmen, Handys müssen ausgeschaltet sein, im gesamten Gebäude gibt es keinen einzigen Spiegel. All das soll ein Höchstmaß an Entfaltungsmöglichkeit bieten. Ähnlich dem Uebel&Gefährlich in Hamburg ist vieles in Beton und Stahl gehalten, die sonstige Innenarchitektur minimalistisch gehalten. Animal Collective spielten in einem weiter oben gelegenen Bereich des Berghain, welcher allerdings nur durch Treppen zum Boden getrennt ist und somit „frei schwebend“ in fast 18 Metern Höhe liegt. Man kann sich also vorstellen, was für Auswirkungen das auf den Sound hat!

Es war also gegen 20 Uhr, als ich das Berghain betrat, die gefürchteten Türsteher ohne Probleme passierte und die 18 Meter in die Höhe mit offenem Mund bestieg. Durch die Beleuchtung wirkt das Berghain einfach nur faszinierend. Mit einigen Bierflaschen setzte ich mich mit Freunden auf ein Sofa und wir warteten auf verstreichende Zeit. Im Hintergrund legte bereits Axolotl auf, ein DJ. Er brachte die Wände zum Beben und immer mehr Besucher dazu, sich der Bühne zu nähern. Fragt mich nicht, wie man es schafft, so viel Bass auf einmal durch ein Gebäude wummern zu lassen. Es sollte nicht lange dauern, bis sich die Fläche füllte, schließlich war das Konzert ausverkauft. Links neben der Bühne fand ich dann auch meinen Platz. Ich war etwas besorgt, zu wenig von dem Konzert mitzubekommen, da der Alkohol seine Wirkung tat und die durchgemachte Nacht davor ohnehin an den Kräften zehrte. Doch als das Tierkollektiv die Bühne betrat, sollte sich herausstellen, dass dieser Zustand wie gemacht für das Folgende war.

Animal Collective begannen das Konzert passenderweise mit zwei ruhigeren Songs, „Chocolate Girl“ und „Comfy in Nautica“; jedoch nicht, ohne schon vorauszudeuten, dass Psychedelic und Experimental Folk ab nun großgeschrieben werden. Spätestens bei Songs wie „Leaf House“ oder „Fireworks“ waren dann auch alle von der Musik eingenommen, Herumtaumelei und geschlossene Augen waren keine Seltenheit. Bei den ersten verqueren Tönen des Übersongs „Peacebone“ waren dann wieder alle hellwach, um zu lauschen, wie die New Yorker es auf der Bühne umsetzen, aus reinstem elektronischen Soundchaos einen eingängigen Popsong zu zaubern. Was mich am meisten überraschte: Es gibt gesangtechnisch kaum etwas, was bei Animal Collective auf den Platten nachbearbeitet ist. Okay, auch auf der Bühne arbeiten sie mit speziellen Mikrofon, sodass das Gesungene dumpfer, undeutlicher und leicht hallend zum Hörer durchdringt. Aber die beiden Sänger auf der Bühne reagieren so präzise aufeinander, dass nahezu nichts von Computer kommen muss. Wobei „Gesang“ ja im Grunde genommen auch schon übertrieben ist. Diese Band hat zwar Lyrics, die allerdings größtenteils nur dazu dienen, die musikalische Stimmung zu unterstreichen und in Form von einer Art indianischem Singsang herausgejault oder geschrien zu werden. Spontane Ausbrüche, affenartiges Gekreische, Gebelle und andere Tiergeräusche inklusive. Doch wenn man zwischendurch Sätze wie „Sometimes I can’t find my good habits“ heraushört, dann glaubt man ihnen aufs Wort. Herumgespringe und trotzdem volllkommener Kontrollerhalt. Die Musik ist nämlich alles andere als simpel und es ist beeindruckend, wie homogen die drei auf der Bühne wirken und wie eingspielt sie aufeinander sind. Mit „Brother Sport“ als fulminantem letzten Song verabschieden sich Animal Collective nach über einer Stunde von den Zuschauern und ignorieren jeden Ruf nach Zugabe. Sie haben ihr festes Set und das ziehen sie durch. Ich persönliche vermisste ihre großen Hits à la „Grass“ und „Who could win a rabbit“, doch es gab dafür viele neue Songs zu hören, was dann ja doch ein annehmbarer Ausgleich war.

Nach dem Konzert würde bestimmt noch der ein oder andere gerne länger die Atmosphäre des Berghain genießen, doch der Club wird schnell von Sicherheitskräften geleert. Ab 24 Uhr wird hier nämlich wieder durchgezecht, da haben harmlose Konzertbesucher dann nichts mehr zu suchen. So begibt sich also eine große Menge beduselter Menschen zurück an die frische Luft und in die Nacht der großen Stadt. Diesen Besuch hat bestimmt niemand bereut, wer weiß, wann die New Yorker zurückkommen. Sie sind schließlich schon wieder auf allen Vieren Richtung Zukunft, geraten stilsicher aus den Fugen. Bis zum Atemstillstand.

1 comments

  1. Frän ci says:

    Ein wahnsinnig tolles Konzert, mit tollem Licht, unterstützt vom besten Sound-System Berlins. Ich war einfach nur verzaubert von ihrer Klangkatastrophe, aber der Artikel fast auch meine Eindrücke ganz gut zusammen, weiter so.

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