Im vergangenen Jahr fühlte sich Antony Hegarty noch „Blind“ zu den eher untypischen, aber keineswegs unpassenden Tönen von Hercules and Love Affair. Zusammen mit seiner hauptsächlich im Hintergrund agierenden Band ergründet der Ausnahmekünstler auf „The Crying Light“ nun das drastische Wechselspiel zwischen Licht und Schatten. Zehn Lektionen in hoffnungsvoller Schwermut und trostloser Schönheit.
„The Crying Light“ demonstriert ab der ersten Sekunde, warum Antony and the Johnsons 2005 mit ihrem Zweitwerk „I Am A Bird Now“ plötzlich in aller Munde mit den positivsten Lobgesängen gehuldigt wurden. Kunstvoll und zerbrechlich wie die Laute einer singenden Säge wabern die ersten Worte von „Her Eyes Are Underneath The Ground“ durch den Raum. Unterschwellig begeleitet von Streichern und Klavier schwebt Antonys unverwechselbarer Falsett-Gesang als Hauptinstrument von Anfang über allem und verleiht Schmerz, Sehnsucht und Verzweiflung derartigen Ausdruck, von dem die meisten Künstler nur träumen können.
Der androgynen Gestalt scheinen die großen Gefühle nur so von den Stimmbändern zu perlen. Im Spannungsfeld zwischen barock-bombastisch und weinerlich erzählt Antony in metaphorischen Bildern von Einsamkeit, Verlangen, Zerstörung, Mutter Natur, Albträumen, der schreienden Sonne, Licht und viel Dunkelheit. Adäquat zum Albumtitel sind es die sehenden und weinenden Augen, die in fast jedem Lied zumindest kurz aufzwinkern oder ihre Tränen zu Schnee werden lassen („Kiss My Name“). In ganz nüchterner Alltagspoesie wird in „Another World“ Abschied von der hiesigen, zerstörten genommen:
I’m gonna miss you all
I need another place
Will there be peace
I need another world
This one’s nearly gone
Egal wie fragil und von Schwermut getränkt diese Kammermusik (Ausnahme: E-Gitarre auf „Aeon“!) auf den ersten Eindruck wirkt, der wundersame Antony Hegarty ersingt den Lichtstrahl in der Finsterniss.
VÖ: 19. Januar 2009 bei Secretly Canadian / Rough Trade / Beggars / Indigo
Im deutschsprachigen Raum kann man die eindrucksvollen Antony and the Johnsons demnächst an folgenden Terminen live erleben:
- 04. April 2009 – Zürich/Kongresshaus
- 23. April 2009 – München/Postpalast
- 24. April 2009 – Berlin/Admiralspalast
- 27. April 2009 – Frankfurt am Main/Alte Oper